Feminismus: Mit Zeit und Geld für die Kinder

Nr. 18 –

Die Coronakrise offenbart, was wir schon lange wissen: Care-Arbeit ist wichtig und wertvoll. Sie ist unersetzlich. Kinderbetreuung in der Schweiz funktioniert nur dank unzähliger Stunden unbezahlter und schlecht bezahlter Arbeit von Frauen. 250 Millionen Stunden arbeiten Frauen jährlich im bezahlten Bildungs- und Betreuungsbereich. Rund eine Milliarde Stunden arbeiten sie unbezahlt für die Betreuung von Kindern zu Hause. Doch auch wenn «Systemrelevanz» das Wort der Stunde ist: Unser Alltag verbessert sich in der Krise keineswegs. Im Gegenteil: Für uns Mütter und Betreuerinnen bedeutet die aktuelle Situation vor allem eins: noch mehr Arbeit.

Wir werden aufgefordert, unsere Kinder nur noch in Notfällen in die Kita und in die Tagesschule zu schicken. Schulen und Kindergärten sind zu. Wir sind rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche nicht nur für die Betreuung, Ernährung und Pflege unserer Kinder zuständig, sondern neu auch noch für deren Bildung. Wir büffeln mit unserem Ältesten Französischvokabeln, während wir die Kleinste bespassen, nebenher eine E-Mail schreiben und zugleich das Abendessen planen. Wir freuen uns darüber, wieder mehr Zeit mit unserem Kindergartenkind zu verbringen, und versuchen, diese Zeit zu geniessen. Gleichzeitig streiten wir mit dem Partner über eine gerechte Arbeitsteilung und darüber, was wichtige und was unwichtige Arbeit ist. Wir versuchen zu zeigen, dass wir weiterhin die gleiche Leistung erbringen wie Kinderlose. Wir jagen unsere Kinder aus dem «Homeoffice» und versuchen, uns auf die Videokonferenz zu konzentrieren, während wir bereits ahnen, was für ein Chaos uns gleich im Anschluss an die Sitzung hinter der geschlossenen Tür erwartet.

Viele Mütter arbeiten im bezahlten Care-Bereich, in der Pflege, in der Kinderbetreuung oder als Lehrerinnen; in der Reinigung oder im Detailhandel. Wir kümmern uns um andere Menschen, während für unsere Kinder keine guten Betreuungslösungen bereitgestellt werden. Von Lehrerinnen wird verlangt, dass sie Notbetreuungsdienst leisten und die eigenen (etwas älteren) Kinder derweil unbeaufsichtigt zu Hause lassen. Pflegerinnen müssen auf kostenpflichtige familienexterne Kinderbetreuung zurückgreifen, weil sie nicht mehr zu den normalen Schichten arbeiten. Angestellte im Detailhandel machen Extraschichten und kommen kaum mehr dazu, für die eigene Familie die nötigen Einkäufe zu erledigen.

Auf Kinderbetreuerinnen wird in der Krise selbstverständlich zurückgegriffen, während wir im politischen Diskurs sonst kaum existieren. So wurden unsere Forderungen nach einem Gesamtarbeitsvertrag oder tieferen Betreuungsschlüsseln kaltschnäuzig ignoriert. Und wir werden auch nicht an runde Tische geholt, wenn es um die Verteilung von Geldern oder die Bedingungen für eine gute vorschulische Kinderbetreuung geht.

Wir Mütter und Kinderbetreuerinnen arbeiten mit Liebe und aus Liebe. Die Anerkennung von Arbeit bemisst sich in unserer erwerbszentrierten Gesellschaft vor allem am Lohn. Wir finden: Verantwortung für Menschen darf auf der Lohnskala nicht weniger hoch gewichtet werden als Verantwortung für Maschinen oder Finanzportfolios.

Uns geht es aber nicht nur um Geld, sondern auch um Zeit: Wir Mütter wollen Zeit mit unseren Kindern. Wir Kinderbetreuerinnen wollen Zeit für die uns anvertrauten Kinder. Denn Sorgearbeit lässt sich nicht schneller verrichten, ohne dass die Qualität abnimmt – worunter sowohl die Kinder als auch wir leiden.

Weil die Kinderbetreuung in der Schweiz so schlecht dasteht, haben wir Mütter und Kinderbetreuerinnen uns nach dem Frauenstreik zusammengeschlossen und die Eidgenössische Kommission dini Mueter gegründet. Wir fordern ein Bekenntnis der Gesellschaft zu guter Kinderbetreuung. Wir fordern gute Arbeitsbedingungen in Kitas, Tagesschulen, Kindergärten und Schulen. Wir fordern einen ausgebauten Mutterschaftsurlaub. Wir fordern eine Elternzeit. Wir fordern die Anerkennung unserer Arbeit in allen Sozialversicherungen. Wir fordern mehr öffentliche Gelder für die Kinderbetreuung. Jetzt und in Zukunft.

* Andrea, Anja, Anna, Ann-Sabine, Barbara, Bruna, Caro, Céline, Eva, Flavia, Laura, Lina, Lirija, Maria, Michelle, Monika, Paola, Priya, Sandra, Sandy, Sarah, Sarah, Sara, Selina, Silvia, Sibylle, Simona, Vanessa.