Neues aus der Wissenschaft: R. I. P., Arion rufus

Nr. 19 –

Wenn Seuchen mit Herkunftsbezeichnungen versehen werden – wie «Chinese virus» für das neue Coronavirus –, geschieht das oft in diskriminierender Absicht. Spanien muss bis heute als Sündenbock für die Spanische Grippe herhalten, dabei war es einfach das erste Land, das den Mumm hatte, die Epidemie publik zu machen.

Und jetzt also die Spanische Wegschnecke, die eigentlich Arion vulgaris heisst: Eine wahre Seuche soll sie sein – behauptet man am Senckenberg-Forschungsinstitut, das im deutschen Görlitz Langzeitstudien durchgeführt hat. Dabei hat sie ihren Ursprung allerdings weder in Spanien, noch ist sie ein Virus. Müssen wir also Mitleid haben mit dieser schleimigen Nacktschnecke? Zumal es absurd anmutet, ausgerechnet ein Kriechtier, das zudem zwei Drittel seines Tages schlafend verbringt, der rasanten Ausbreitung über ganz Europa zu beschuldigen.

Nun, die ForscherInnen haben Erschreckendes festgestellt. So hinterlässt die Spanische Wegschnecke, seit sie Mitte der 1950er Jahre erstmals ausserhalb ihres vermeintlichen Herkunftslands identifiziert wurde, mit ihrem Eroberungsfeldzug auch eine Schleimspur der Vernichtung. Sie paart sich nämlich sofort mit der einheimischen Roten Wegschnecke (Arion rufus) – und kapert dabei buchstäblich deren Erbgut. Jedenfalls gilt Arion rufus seit dieser Invasion der Bodysnatcher in der Region Görlitz als ausgestorben. Andernorts steht sie auf der Liste der bedrohten Arten. Geradezu inflationär vermehrt sich dafür die Spanische Wegschnecke, legt sie doch bis zu 500 Eier aufs Mal. Auf Deutschlands Kulturflächen kriecht sie bereits im Dutzend auf einem Quadratmeter herum. Und futtert ganze Felder kahl. Kein Wunder, gilt sie als einer der schlimmsten Landwirtschaftsschädlinge weltweit.

Natürliche Feinde? Fehlanzeige! Zu abstossend finden viele Schneckenfresser die arg schleimende Arion vulgaris. Einzig Indische Laufenten können den Nacktschnecken etwas abgewinnen. In der Schweiz kann man die Enten sogar für einen Fünfliber pro Tag mieten; mehr als vierzig der exzessiven Schleimer pro Stunde schaffen aber auch sie nicht.

Mitleid jedenfalls scheint uns im Fall der Spanischen Wegschnecke fehl am Platz: Sie darf mit Fug und Recht als Seuche bezeichnet werden.

Apropos Bodysnatcher: Die Spanische Wegschnecke verschlingt auch ihre eigenen ArtgenossInnen, sobald diese tot sind.