Auf allen Kanälen: Die letzte Satirikerin

Nr. 35 –

Erst Opfer der «Cancel Culture», jetzt omnipräsent: Die Kabarettistin Lisa Eckhart wird als mutige Querdenkerin herumgereicht. Warum bloss?

Eben erst schien die Kabarettistin Lisa Eckhart mundtot gemacht worden zu sein, als eine Lesung von ihr abgesagt wurde. Reihenweise nutzen KommentatorInnen die Chance, die «Cancel Culture» zu brandmarken, also eine angebliche linke Meinungsdiktatur. Dann folgten: Eckhart-Interviews in der «NZZ am Sonntag» und der NZZ, der «SonntagsZeitung», dem «Tagesspiegel», der «Berliner Zeitung» und der «Leipziger Volkszeitung», grosse Porträts im Magazin der «Süddeutschen Zeitung», im «Spiegel», in der «Welt am Sonntag», dazu noch zahlreiche Rezensionen ihres eben erschienenen Romandebüts.

«Cancel Culture»? Vermutlich hatte der Autor Max Czollek nicht unrecht, als er am Wochenende auf Twitter mutmasste, «dass das Sommerloch dieses Jahr mit besonders viel Scheiss gefüllt wird». Nun wäre der Rummel um Eckhart sogar legitim, hätte tatsächlich ein Mob eine Künstlerin bedroht. Nur war das schlicht nicht der Fall: Die Behauptung, der ominöse «Schwarze Block der Antifa» habe irgendetwas angekündigt, entpuppte sich als Fake News.

Die Rechte schäumte

Diese sommerliche Posse veranschaulicht, wie verstellt die öffentliche Diskussion durch rechte Narrative ist. Das zeigte schon die winterliche Posse um den «Oma ist ne Umweltsau»-Song des WDR-Kinderchors, der im Fall Eckhart auch gern zitiert wird. Damals schäumte die Rechte, weil sie die Alten im Namen des Kampfes gegen die Klimakatastrophe geschmäht wähnte. Schon seinerzeit entzündete sich die Empörung an einem Phantom: Aus dem Kontext des Auftritts des Kinderchors geht klar hervor, dass der «Umweltsau»-Song den «Fanatismus» der Klimabewegung aufs Korn nehmen sollte, weil diese selbst vor Denunziationen nicht mehr zurückschrecke. Wenn sich also jemand hätte empören können, dann allein die KlimaaktivistInnen. In der ganzen Aufregung kümmerte das aber kein Schwein.

Genauso wenig interessieren heute die Umstände der Absage von Eckharts Auftritt. Stattdessen wird die Österreicherin als mutige Querdenkerin herumgereicht. So sieht sich Eckhart offenkundig auch selbst: Im Interview mit der NZZ meinte sie, sie sei «eine der Letzten, die Satire macht». Nun ist Narzissmus kein Verbrechen, und auch das satirische Spiel mit rassistischen Klischees ist legitim. Fragt sich bloss, wie clever Eckharts Humor wirklich ist.

In der Nummer aus dem Jahr 2018, die ihr um die Ohren gehauen wird, erinnert die Kabarettistin daran, dass unter den Prominenten, denen im Kontext von #MeToo Übergriffe vorgeworfen wurden, auch Juden, Schwule und Schwarze waren. Dann exklamiert sie: «Was tun, wenn die Unantastbaren beginnen, andere anzutasten? Der feuchte Albtraum der politischen Korrektheit!» Offenbar soll diese Pointe den Irrglauben entlarven, dass Leute, die diskriminiert werden, selbst niemals etwas Verwerfliches tun könnten – und falls doch, man das ja nicht laut aussprechen dürfe. Nur: Wer glaubt denn so einen Stuss?

Auf genauso verqueren Prämissen basieren die folgenden Scherze, etwa wenn Eckhart darüber witzelt, dass wir gerade erst «brav gelernt» hätten, dass Schwarze besonders tugendhaft seien – und nun plötzlich #MeToo beweise, dass sich «der Schwarze» ja tatsächlich nicht beherrschen könne, sobald eine aufreizende Weisse auftauche. In der Bestätigung rassistischer Klischees soll also die Essenz der Debatte über systematische Gewalt gegen Frauen liegen? Die Einzige, die diesen Unsinn behauptet, ist die Kabarettistin selbst.

Keine subversive Satire

Weil ein ressentimentgeladenes Sich-Abarbeiten an Strohmännern mässig komisch ist, reduziert sich Eckharts Witz darauf, aus dem Publikum verdruckste Lacher zu kitzeln, indem sie Vorurteile zitiert. So ist es nicht erstaunlich, dass ihr vorgeworfen wird, diese bloss zu reproduzieren. Wenn man mit solcher Kritik konfrontiert wird, wäre es ja keine schlechte Idee, zu prüfen, ob die fabrizierte Satire tatsächlich so subversiv ist, wie man selbst meint.

Eckhart aber weicht etwa im Interview mit der «SonntagsZeitung» inhaltlichen Fragen zu ihren Judenwitzen aus und verweist stattdessen darauf, dass sie von jüdischen Stimmen auch Zuspruch erhalten habe. Ein Argument, das letztlich exakt der von rechts so gescholtenen identitätspolitischen Logik folgt, in der Sache aber gar nichts besagt. Zumindest das ist eine gute Pointe.