Neues aus der Wissenschaft: Haifische in der guten Stube

Nr. 43 –

Jetzt sollen wir also wieder zurück ins Homeoffice, Covid-19 sei Dank. Wer immer sich darüber freut, tut das besser nicht zu früh. Schon der Lockdown im Frühling liess viele Chefs zu digitalen Überwachungstools greifen, um die Performance ihrer Untergebenen auch zu Hause zu kontrollieren. Besser noch: zu steigern. Ganze Wissenschaftszweige beschäftigen sich mit der Frage, wie Unternehmen ihre ArbeiterInnen zu noch mehr Leistung anspornen können. Besonders beliebt sind Massnahmen rund um die sogenannte Relative Performance Information (RPI) – individuelle Leistungsvergleiche. Kein Wunder, hängt bald in jeder Frittenbude ein «Mitarbeiter des Monats». Aber bedient er die KundInnen noch schneller, wenn ihm dabei eine Kamera über die Schulter blickt?

Ein deutsches Forschungsteam wollte es wissen und liess 115 StudentInnen in Fünfergruppen antreten: nicht um Kartoffelstäbchen in heisses Öl zu tauchen, sondern um Rechenaufgaben zu lösen. Die eine Hälfte der Gruppen wurde mittels Video überwacht, die andere nicht. Innerhalb jeweils der Hälfte dieser Gruppen erfuhren die Mitglieder, wie die anderen in der Gruppe abgeschnitten hatten – eine klassische RPI-Massnahme. Die vier Versuchsanlagen wurden dreimal durchgespielt. Und tatsächlich: Die RPI-Konditionierten lösten im Schnitt fünf Rechenaufgaben mehr. Aber nur, wenn sie dabei keine Kamera in ihrem Rücken hatten. Wachte das Auge von Big Brother über ihnen, lösten sie sogar eine Aufgabe weniger als jene, die keinerlei Leistungsanreiz bekommen hatten. Offenbar, so schliessen die Studienleiter, empfanden die videoüberwachten ProbandInnen die RPI-Massnahme als Teil eines demotivierenden Überwachungssystems.

Heureka! Auf dass es auch den Haifischen zuoberst im Unternehmenstank wie Schuppen von den Augen falle: Wer seine Untergebenen am Arbeitsplatz überwacht, torpediert sich selbst.

Merke auch: Der wahre «Held der Arbeit» ist eine subversive Genossin.