Gastronomie: Gentrifizierung mit der «Republik»
Mitten in der Pandemie wird der Vertrag der PächterInnen der Zürcher Rothaus-Bar nicht mehr verlängert. Das Onlinemagazin «Republik» will die Räumlichkeiten künftig lieber anderweitig nutzen.
Die Gastrobranche ist in einer beispiellosen Krise, viele WirtInnen, denen auch ohne Lockdown die Umsätze weggebrochen sind, stehen vor einer ungewissen Zukunft. Die drei GastronomInnen Luca Erdös, Janina Reimmann und Urs Rüegg wissen immerhin schon: Für ihre Bar im Zürcher Rothaus ist ab Dezember definitiv Schluss.
Doch das Aus für die Beiz hat nichts mit Corona zu tun. Und freiwillig geht das Trio auch nicht. Im Gegenteil. Das Onlinemagazin «Republik» ist die grösste Mietpartei im ehemaligen Hotel an der Langstrasse. Sie will die Bar offenbar nicht mehr im Haus. Auf Nachfrage antwortet das Medium via Mail: Man benötige die Räumlichkeiten vermehrt für eigene Bedürfnisse, der bisherige Barbetrieb sei stets als befristete Zwischennutzung konzipiert gewesen. Gleichzeitig sei man nicht Eigentümer der Immobilie, fälle letztlich also auch nicht die Entscheidungen. Das künftige Nutzungskonzept sei derzeit noch genauso offen wie die Pächterschaft. Dennoch stehen die bisherigen GastronomInnen nun ohne Vertrag da – und damit mitten in einer Pandemie auf der Strasse.
Im «Rotchaos»
Die Geschichte der Rothaus-Bar ist eng mit der des Magazins verflochten. Vor knapp drei Jahren, im Januar 2018, eröffneten Erdös, Rüegg und Reimmann die Bar – am selben Tag, an dem die «Republik» online ging. Die Miete für die Bar, deren Eigentümer die ebenfalls an der «Republik» beteiligten Gebrüder Meili sind, teilte man sich mit dem Magazin: Dieses nutzte die Räumlichkeiten tagsüber, abends war dann Barbetrieb.
«Wir waren ein wirtschaftlich gesunder Betrieb», sagt Erdös. «Aber es war auch nicht so, dass wir hätten Geld beiseitelegen können.» Vielmehr habe man die günstige Miete über niedrige Getränkepreise weitergereicht. Und: «Wir haben alles in allem sicher Freigetränke im Wert von mehreren Zehntausend Franken rausgegeben», sagt der 31-Jährige.
Vermutlich ist das nicht einmal übertrieben. «Rotchaos» prangte als Schriftzug über dem Eingang der Bar. Wer diese betrat, merkte rasch, dass es sich um einen aussergewöhnlichen Betrieb handelte. Die Rothaus-Bar verströmte anarchischen Charme und wirkte wie ein etwas rau geratenes Jugendhaus ohne Konsumzwang. Das Publikum war bunt gemischt: Antifa-Aktivistinnen traf man hier genauso wie Studenten, Leute aus der SprayerInnen-Szene oder dem Fanumfeld des FC Zürich. Die Bar sei wichtig gewesen für die Langstrasse, sagt Erdös: «Es haben sich hier Szenen vernetzt und man hatte immer Reibung.»
Die laxe Türpolitik hatte allerdings auch zur Folge, dass man seine Wertsachen besser stets im Blick behielt. «All die Spinner, die anderswo auf der Langstrasse längst Hausverbot hatten, haben bei uns ihr Bier bekommen», erzählt Erdös. Die Beiz war so etwas wie ein Widerstandsnest gegen die Gentrifizierung, die sich auch in der Langstrasse vermehrt zeigt.
Verlängerte Europaallee?
Als im März der Lockdown kam, machte die Bar dicht. Darunter habe auch die Kommunikation mit der «Republik» gelitten, räumt Erdös ein: Man hätte früher deutlich machen sollen, dass man die Beiz selbstverständlich weiterführen wolle – und nicht einfach davon ausgehen, dass der Vertrag erneut verlängert werden würde. Trotzdem seien die drei sehr irritiert gewesen, als sie im Sommer zufällig die «Republik»-Geschäftsführung dabei antrafen, wie diese Interessenten durch die Räumlichkeiten führte.
Erst daraufhin sei dem Trio mitgeteilt worden, dass man betrieblich nun «in eine nächste Phase» übergehe und einen langfristigen Partner für den Gastrobereich suche – und dass sich auch Erdös, Reimmann und Rüegg dafür mit einem Konzept bewerben könnten. «Uns war eigentlich von da an klar, dass wir keine Chance haben würden», sagt Erdös. Vergangenen Donnerstag sei dann tatsächlich von der Verwaltung eine Absage gekommen – ohne nähere Begründung. Entsprechend fühlen sich der Gastronom und seine PartnerInnen ausgebootet. Die «Republik», die laut eigenem Bekunden Transparenz grossschreibe, habe ihnen gegenüber alles andere als transparent agiert.
Die «Republik» widerspricht dieser Sichtweise: Man habe ja auch mit den bisherigen PächterInnen Gespräche geführt, Besichtigungen habe es nur wegen möglicher Umbauten gegeben. Erdös wiederum sagt: «Mir ist wichtig, dass die Leute wissen, dass wir diesen Ort nicht einfach freiwillig aufgeben.» Seine beiden PartnerInnen und er wollen nun an einem anderen Ort etwas Neues starten. Allerdings stehen sie erst einmal mit 40 000 Franken Schulden da, die sich während des Lockdowns wegen Überbrückungskrediten und Mietrückständen angehäuft haben. Zudem können sie nun weder für sich noch ihr Team weiter Kurzarbeitsentschädigung beantragen.
Womöglich waren das Trio und ihr «Rotchaos» schlicht einen Tick zu nonkonformistisch. Die Europaallee droht nun um ein Stück Langstrasse länger zu werden – am Ende gibts noch eine weitere hippe «Eatery».