Corona Call (2): 
Beatrice Bürgler: «Hygieneregeln als neues Schulfach»

Nr. 2 –

«Am Montag sind wir ruhig, freudig und erholt in den ersten Schultag gestartet. Ich unterrichte Kinder der dritten und vierten Klasse in einer Mehrjahrgangsklasse, und alle sind gesund und munter zum Unterricht erschienen.

Seit November waren nur wenige meiner SchülerInnen verpfnüselt. Das liegt wohl vor allem am häufigen Händewaschen, das hilft ja auch gegen andere Viren. Die Hygieneregeln sind quasi ein neues Schulfach, und die Kinder machen es sehr gut: Wenn sie am Morgen kommen, muss ich sie gar nicht mehr dazu auffordern, ihre Hände zu waschen. Einige haben eine Crème dabei für ihre rissigen Hände. Dann stelle ich einen Wecker, damit wir alle zwanzig Minuten stosslüften. Wir frieren alle oft ein bisschen. Aber es ist gut auszuhalten.

Einige Kinder tragen freiwillig eine Maske, ich trage immer eine. Ich merkte, wie viel ich normalerweise mit meiner Mimik arbeite. Mit Maske muss ich viel mehr reden und Anweisungen geben als ohne. Ich trinke auch weniger und bin abends oft heiser. Aber langsam lernen die Kinder, auch meine Blicke zu interpretieren.

Vor und nach der Pause sollten auch nochmals alle die Hände waschen. Vor allem vor der Pause gelingt das nicht immer. Die Schutzkonzepte sind gut überlegt, aber in der Praxis nicht einfach umzusetzen. Abstand halten ist fast unmöglich. Wir waschen die Hände, niesen in die Armbeuge, lüften, geben uns nicht die Hand – und in der Garderobe liegen die Kinder dann doch wieder aufeinander drauf.

Ansonsten hat sich der klassische Schulunterricht nicht gross verändert. Es ist sehr schade, dass alles Lässige wegfällt: Ausflüge, Ski- und Projekttage. Ein Kind meinte einmal: ‹Jetzt haben wir viel mehr Schule als früher.› Und das stimmt, denn anstelle des Sporttags findet nun regulärer Unterricht statt. Doch meine SchülerInnen sind sehr einsichtig: Sie finden zwar das Virus blöd, wissen aber, dass weder ich noch ihre Eltern etwas ändern können.

Wir sprechen im Unterricht oft über Corona. Es beschäftigt manche sehr, was in den Pressekonferenzen des Bundesrats gesagt wird. Sie kennen diesen viel besser als frühere Klassen, und ihr Wortschatz hat sich erweitert: Quarantäne, Isolation, Risikopatienten … Es beschäftigt sie, dass sie ihre Grosseltern nicht besuchen können, einige kennen jemanden, der erkrankt ist.

Die Debatte darüber, wie ansteckend Kinder sind, verfolge ich nicht mehr so aktiv mit wie früher: Auf jede Studie folgt wieder eine andere, die das Gegenteil behauptet. Die Diskussion um die Schulschliessungen ist mir viel wichtiger. Im ersten Lockdown hat uns die Schliessung der Schulen eiskalt erwischt, und ich möchte nicht, dass uns das nochmals passiert. Ich hoffe sehr, dass sie offen bleiben. Die Kinder lernen viel voneinander, und der soziale Aspekt ist nicht zu unterschätzen. Mir macht mein Job ohne direkten Kontakt auch keinen Spass.

Die Stimmung im Lehrerkollegium ist weitgehend entspannt, auch wenn wir mit vielen Unsicherheiten zu tun haben. Wir erfahren oft aus den Medien, wie es weitergeht: Anfang Woche ist der Schwimmunterricht möglich, am Mittwoch plötzlich nicht mehr. Das ist unangenehm, weil ich die Eltern nicht so früh informieren kann. Auch fehlt mir der Austausch mit meinen Kolleginnen und Kollegen, man begegnet sich nicht mehr im Lehrerzimmer. Wir haben regelmässig Zoom-Sitzungen und informieren uns über Chats, wenn jemand in Quarantäne muss, und springen füreinander ein. Längerfristig wird das nicht möglich sein, da viele von uns bereits jetzt über ihrem Pensum arbeiten. Aber dafür, dass wir mitten in einer Krise stecken, läuft es an unserer Schule gut.»

Beatrice Bürgler arbeitet seit zwanzig Jahren als Primarlehrerin und unterrichtet zurzeit in Bern an der Schule Pestalozzi mit 650 Kindern.