Durch den Monat mit Peach Weber (Teil 2): Was halten Sie eigentlich von Poetry Slam?

Nr. 2 –

«Värslischmied» Peach Weber übers Lachen an sich, die Humorbranche und eine Frauenquote in der Politik.

«Bei Poetry Slams entscheidet ein hartes, ehrliches Publikum. Die sind spontan!»: Peach Weber in seinem Garten in Hägglingen.

WOZ: Peach Weber, haben Sie bereits versucht, sich für die Coronaimpfung anzumelden?
Peach Weber: Nein, ich bin 68 und gehöre somit nicht zur ersten Gruppe. Zudem bin ich körperlich nicht in einem wahnsinnig guten Allgemeinzustand und hatte meine letzte Impfung als Schüler, sodass ich mir schon kurz überlegte, ob ich mich aufs Impfen einlassen will. Aber es soll ein besseres Jahr werden als das letzte. Im Frühling sind Auftritte geplant, natürlich stehen diese auf wackligen Beinen. Aber ich muss daran glauben und dafür tun, was ich kann. Wenn es hilft, werde ich mich sicher impfen lassen.

Marco Rima behauptet, dass ein Impfzwang drohe. Hat er sich eigentlich bei Ihnen gemeldet, nachdem Sie ihn für das Engagement bei den Coronaschwurblern kritisierten?
Ich erhielt ein Mail, das an mehrere ging. Darauf habe ich auch geantwortet. Wir können gerne mal einen Kaffee trinken, das Thema Corona müssten wir aber ausklammern. Wenn jemand auf diesem Trip ist, kann man kaum mehr diskutieren. Aber er bleibt für mich «e glatte Cheib», und ich verstehe, dass die Anfälligkeit für Verschwörungstheorien in der jetzigen Situation grösser ist als sonst.

Denken Sie, wenn die Pandemie vorüber ist, kommt es zur grossen Versöhnung mit jenen, die nun durchgedreht sind?
Eine Versöhnung braucht es nicht, denn es gibt keinen Krieg. Es gibt eine kleine Minderheit, die für die Medien interessant ist. Weil über sie gross berichtet wird, wirkt es wie eine Riesenbewegung. Die rechtsextreme Szene macht mir grössere Sorgen als ein paar Verschwörungstheoretiker, die Unterschriften gegen einen Impfzwang sammeln, der nie zur Diskussion stand.

In Deutschland provoziert Jan Böhmermann Verschwörungstheoretikerinnen und -theoretiker mit recherchierter Satire. Mögen Sie, was er tut?
Böhmermanns Sendungen schaute ich schon, als sie noch spätnachts auf ZDFneo liefen. Manchmal ist er genial; einige Themen wurden noch nie besser behandelt. Doch mit wachsendem Erfolg, nach der Staatsaffäre um den türkischen Präsidenten Erdogan, hat er seine Underdog-Haltung verloren. Davor fand ich ihn noch besser.

Gibt es einen Weg zurück zur Underdog-Haltung?
Ein Zurück gibt es nicht. Er macht weiterhin eine lustige Sendung, die dazu noch immer ein Thema knallhart seziert. Für mich gab es Vergleichbares zuletzt bei «Scheibenwischer» von Dieter Hildebrandt. Ich bewundere Böhmermanns Mut. Wenn du gewisse Themen anschneidest, musst du heute damit rechnen, dass einer bei dir klingelt und dir eine reinhaut. Das nimmt er in Kauf.

Häufig nennen Sie auch Dieter Nuhr als beispielhaft guten Satiriker. Dieser gilt mittlerweile vielen als Stichwortgeber der politischen Rechten.
Nuhr hat sich verändert. Er macht zu viel. Wenn du pro Woche zwei Sendungen mit neuem Material machst, ist auch Schrott dabei. Vieles finde ich sehr gut, aber bei manchem habe ich mich auch gefragt, was das soll.

Und was halten Sie von Poetry Slam?
Von Anfang an fand ich das genial. Es ist wichtig, dass es wilde Kultur gibt, die von keiner Kulturkommission bestimmt ist. Daraus sind tolle Komikerinnen hervorgegangen: Hazel Brugger, die so senkrecht gestartet ist wie niemand zuvor. Oder Patti Basler, die super Texte hat. Bei Poetry Slams entscheidet ein hartes, ehrliches Publikum. Die haben nicht fünfzig Franken für ein Ticket gezahlt und bleiben alleine deshalb da. Die sind spontan! Menschen, die definieren wollen, was guter und was schlechter Humor ist, haben vieles nicht begriffen: Lachen ist eine direkte Reaktion. Natürlich gibt es Dinge, über die man nicht lacht. Dann gibt es aber auch Dinge, bei denen man lacht und sich erst danach fragt, ob man überhaupt dürfte.

Auf der Bühne machen Sie auch Witze über Frauen. Oft richtet sich dann die Pointe gegen Sie selbst, manchmal aber auch gegen Frauen, etwa wenn Sie eine «iFrau» analog zum iPhone besingen. Wo liegt für Sie da die Schwelle, was geht und was nicht?
Für mich ist die Schwelle, nicht einseitig zu sein und auch gegen Männer auszuteilen. Die #MeToo-Bewegung hat vieles bewirkt. Ich finde sie super. Ich bin für eine Frauenquote von sechzig Prozent überall in der Politik. Alles wäre besser. Ich bin froh um Angela Merkel und sicher, dass sie in Deutschland vermisst werden wird. Aber ich habe Mühe, dass nun – vor allem von linker Seite – Leute kommen, die bei jeder Erwähnung einer «Frau» meinen, es sei frauenfeindlich.

Ihr Anspruch ist also, in jede Richtung zu schiessen?
Nein. Das gilt für das Geschlecht. Nicht immer gibt es zwei Seiten. Wenn Schwarze Menschen sagen, was sie verletzt, sollten wir Weisse das so akzeptieren. Dass gewisse Wörter fast verschwunden sind, finde ich gut. Man sollte das Thema ansprechen und tatsächlich etwas unternehmen – aber es nicht sinnlos übertreiben.

Peach Webers grundoptimistische Haltung zeigt sich darin, dass seine nächsten Bühnenauftritte bereits im März geplant sind.