Coronamassnahmen: Vertraulichkeit zerstört Vertrauen

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Vertrauen ist eine entscheidende Grösse in der Coronapandemie. Auch die schärfsten Massnahmen greifen nur, wenn die Leute sie als notwendig akzeptieren.

Das zeigen Vergleiche zwischen Ländern, die rigide Ausgangssperren verhängten, und solchen, die darauf verzichteten. Wer nicht glaubt, dass Anordnungen für sich selbst oder die Gemeinschaft das Richtige sind, handelt nicht danach. Es braucht Vertrauen in behördliches Handeln – und dieses ist leicht zu beschädigen.

Vergangene Woche trafen sich die Parteispitzen mit einer Delegation des Bundesrats zu den sogenannten Von-Wattenwyl-Gesprächen. Dort wird die Regierungspolitik in vertraulichem Rahmen erörtert. Ein denkbar ungeeignetes Format für die weitere Bewältigung der Pandemie, weil es politischen Manövern viel Raum bietet: Die SVP liess prompt über die Sonntagspresse verbreiten, dass Gesundheitsminister Alain Berset die Verlängerung des Lockdowns bis weit in den Sommer hinein plane. Die Behauptung der SVP wurde breit dementiert – das Grundproblem aber bleibt: Ein kleiner Kreis Eingeweihter weiss mehr als die breite Öffentlichkeit. Nach dem Gespräch teilte der Bundesrat mit, besprochen worden seien «die nächsten Etappen der Krisenbewältigung». Konkreter wurde er nicht.

Diese Vertraulichkeit zerstört Vertrauen. Wo dieses erodiert, das zeigen Studien über die Akzeptanz von Massnahmen, bleibt einer Regierung nur mehr, auf die Furcht der Menschen zu setzen, um die Seuche mit neuen Eingriffen einzudämmen. Furcht vor dem Tod, vor Langzeiterkrankungen, vor Chaos in den Spitälern.

Im letzten Frühjahr gingen dem Lockdown dramatische Bilder aus Bergamo voraus, im Herbst rekordhohe Fallzahlen und Hilferufe aus den Intensivstationen. Nach Berechnungen der wissenschaftlichen Taskforce könnte die Pandemie aufgrund der schnellen Ausbreitung mutierter Virenstämme schon im März wieder ausser Kontrolle geraten. Es ist zu befürchten, dass erst das zu einer Stimmungslage führt, die das Umsetzen neuer Beschränkungen erlaubt. Wünschenswert ist dieser Weg nicht: Er bedeutet viel neues Leid.