Wahlen in Lateinamerika: Die alten Herren könnens nicht lassen

Nr. 13 –

In Ecuador gilt zwar ein 36-Jähriger als Favorit fürs Präsidentenamt, aber hinter ihm steht der ehemalige Staatschef Rafael Correa. Auch in anderen lateinamerikanischen Staaten will der Linken der Generationenwechsel nicht gelingen.

Es hätte eine interessante Stichwahl werden können, mit einer Konstellation, die es in Lateinamerika noch nie gegeben hat: ein Linker in der Tradition von Hugo Chávez, Evo Morales und Lula da Silva gegen einen indigenen Umweltschützer. Aber am Ende fehlten Yaku Pérez Guartambel 30 000 Stimmen, um die zweite Runde zu erreichen. So steht bei der Präsidentenwahl am 11. April in Ecuador eine altbekannte Auswahl auf dem Stimmzettel: ein Linker alter Schule gegen einen neoliberalen Rechten.

Der Rechte ist Guillermo Lasso, ein 65-jähriger Banker, der schon bei den Wahlen von 2013 und 2017 auf dem zweiten Platz gelandet war. Er will sich in seiner Politik an Weltbank und Internationalem Währungsfonds ausrichten und verspricht im Gegenzug mehr Arbeitsplätze. Das klassische neoliberale Glaubensbekenntnis also, das in Lateinamerika in den vergangenen Jahrzehnten immer nur zu Massenentlassungen und steigender Armut geführt und ein paar wenige bereichert hat. Der Linke ist Andrés Arauz, ein 36-jähriger Wirtschaftswissenschaftler. Er will das hoch verschuldete Land aus dem Klammergriff von Weltbank und Währungsfonds befreien und stattdessen die Reichen höher besteuern. Er hatte beim ersten Wahlgang am 7. Februar 32,7 Prozent der Stimmen erreicht, Lasso 19,7 Prozent.

Als Chefberater regieren

Vom Alter her könnte man meinen, der ecuadorianischen Linken sei mit Arauz ein Generationenwechsel gelungen. Aber das ist nur Schein. Der vorher kaum bekannte Arauz verdankt sein Ergebnis der Ankündigung, er werde Rafael Correa zu seinem wichtigsten Berater machen. Correa hat Ecuador von 2007 bis 2017 regiert, als die internationalen Rohstoffpreise hoch waren. Mit den Milliarden, die der Export von Erdöl und Mineralien in die Staatskasse spülten, legte er Sozial- und Armutsbekämpfungsprogramme auf. Auch andere linke Präsidenten dieser Jahre – Morales in Bolivien, da Silva in Brasilien oder Chávez in Venezuela – waren wegen solcher Programme beliebt.

An der jetzigen Wahl konnte Correa nicht teilnehmen, weil er im April vergangenen Jahres wegen Korruption zu acht Jahren Haft verurteilt worden war. Wäre er aus seinem belgischen Exil ins Land gereist, wäre er ins Gefängnis gekommen. Selbst die ansonsten nicht zimperliche Fahndungsorganisation Interpol bewertete das Urteil gegen Correa als Racheakt seiner politischen Gegner und weigerte sich, ihn auf ihre Fahndungsliste zu setzen. Gewinnt Arauz, kann Correa mit seiner Begnadigung rechnen und als Chefberater regieren. Ähnlich verhält es sich mit Luis Arce in Bolivien, dessen Präsidentschaft selbst Parteifreunde die «Regierung von Evo Morales» nennen.

Die starken Männer im Hintergrund weisen auf ein Problem hin, das in anderen Ländern noch viel offensichtlicher ist: Es will der lateinamerikanischen Linken nicht gelingen, einen Generationenwechsel zu vollziehen und die Macht Jüngeren mit vielleicht auch neuen Ideen zu überlassen. Kaum waren in Brasilien die Korruptionsurteile gegen den ehemaligen Präsidenten da Silva (2003–2011) aufgehoben, gilt der 75-Jährige schon als sicherer Kandidat der Arbeiterpartei für die Wahl im kommenden Jahr (siehe WOZ Nr. 11/2021 ).

Alternde Kader abgestraft

In Nicaragua wird sich am 7. November aller Voraussicht nach der ewige Daniel Ortega – inzwischen ebenfalls 75 – wiederwählen lassen. Dass er einmal eine linke Symbolfigur war, merkt man heute nur noch bei wenigen Reden. Seine Partei, die Sandinistische Befreiungsfront, ist längst zu einem Familienbetrieb verkommen. In Honduras tritt bei der Präsidentschaftswahl vom 28. November wieder einmal Xiomara Castro für die Linke an. Sie ist die Ehefrau des 2009 bei einem rechten Putsch gestürzten damaligen Präsidenten Manuel Zelaya und hat es schon 2013 als Präsidentschaftskandidatin und vier Jahre später als Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin vergeblich versucht.

Am härtesten hat der langsame Verschleiss altgedienter Kader die ehemalige Guerilla FMLN in El Salvador getroffen. In ihr haben noch immer die Comandantes des 1992 beendeten Bürgerkriegs das Sagen. Nach zehn Jahren an der Regierung (2009–2019) wurde der FMLN bei der Parlamentswahl vom vergangenen Februar mit 6,9 Prozent der Stimmen zur Splittergruppe degradiert.

Einzig in Peru gab es kurzfristig die Hoffnung auf eine neue Linke. Bei der Präsidentschaftswahl vor vier Jahren schaffte es die damals 36-jährige Verónika Mendoza für das eben gegründete Linksbündnis Frente Amplio auf Anhieb fast in die Stichwahl. Doch schon ein Jahr später brach diese Front in zwei Blöcke auseinander. Mit ihrem Ergebnis von vor vier Jahren würde Mendoza bei der am 11. April anstehenden Wahl bequem die Stichwahl erreichen. So aber kommt sie in Umfragen auf nicht einmal zehn Prozent. Die Stimmen verteilen sich sehr gleichmässig auf sechzehn KandidatInnen, die Wahl gleicht einer Lotterie.

Nach den Zahlen des ersten Wahlgangs in Ecuador scheint Arauz der Favorit zu sein. Es kann trotzdem spannend werden. Sein Ziehvater Correa hatte in den letzten Jahren seiner Regierung UmweltschützerInnen und Indigenas mit neuen Lizenzen für Ölbohrungen und Minen gegen sich aufgebracht. Ihre Stimmen sind Arauz alles andere als sicher.

Nachtrag vom 15. Aprill 2021 : Lasso ist gewarnt

Ein anderer Wahlsieg wäre Guillermo Lasso sicher lieber gewesen. Der 65-jährige ehemalige Banker, ein Freund des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Rohstoffkonzerne, wurde am Sonntag zum Präsidenten von Ecuador gewählt. Er verdankt dies dem Wahlverhalten der Indígena-Partei Pachakutik (Zeitenwende), deren Kandidat Yaku Pérez ein erklärter Gegner des IWF sowie aller Minen- und Erdölgesellschaften ist.

Pérez war im ersten Wahlgang von Lasso nur knapp auf den dritten Platz verdrängt worden. Er hatte danach seine AnhängerInnen aufgerufen, bei der Stichwahl einen leeren Stimmzettel abzugeben. 13 Prozent der WählerInnen haben das getan. So gewann Guillermo Lasso mit 52,5 Prozent der gültigen Stimmen. Der unterlegene Andrés Arauz, der die erste Wahlrunde noch gewonnen hatte, wurde vom ehemaligen linken Präsidenten Rafael Correa (2007–2017) gefördert. Doch weil dieser Ölquellen in Naturschutzgebieten versteigern liess, trauten viele Indígenas auch seinem politischen Ziehsohn nicht über den Weg.

Immerhin wird Guillermo Lasso nicht neoliberal durchregieren können. Im Parlament verfügt seine Parteienallianz aus Creo (Ich glaube) und Christsozialen nur über 30 der 137 Sitze. Grösste Fraktion ist die Unión por la Esperanza von Arauz mit 49 Sitzen, Pachakutik hat 27 Abgeordnete. Die eigentliche Stärke der Indígena-Bewegung aber ist die Strasse. In den acht Jahren vor Correa hat Ecuador sieben Präsidenten verbraucht. Sie waren entweder von Massenprotesten der Indígenas gestürzt worden oder nur kurzfristige Übergangsfiguren. Lasso ist also gewarnt.

Toni Keppeler