Klimastreik: Keine im Stich lassen
Diesen Freitag, an den landesweiten Aktionen der Klimabewegung unter dem Slogan «Strike for Future» sind auch die Gewerkschaften dabei: Ein ökologischer Umbau der Wirtschaft ist nur mit umfassenden sozialen Veränderungen möglich.
Grosse Demonstrationen hat die Klimabewegung schon länger nicht mehr abhalten können. Die Coronamassnahmen haben vieles verunmöglicht. Doch passiv war die Bewegung nicht. Sie hat sich mit anderen Bewegungen vernetzt und einen Klimaaktionsplan entwickelt (siehe WOZ Nr. 2/2021 ). Nun will sie auch die Strasse zurückerobern. Für diesen Freitag ruft sie zum «Streik für die Zukunft» auf. «Wir haben nicht das Privileg, darauf zu warten, bis die Covid-19-Pandemie ‹vorbei› ist», heisst es in einem Aufruf. Die Covid-Krise habe gezeigt, wie wichtig es sei, im richtigen Zeitpunkt «Krisen wahrzunehmen, Menschen zu informieren und zu handeln».
Der «Strike for Future» ist ein Versuch der Klimabewegung, andere Bewegungen und Organisationen einzubinden. In einem Manifest werden die Gleichzeitigkeit und die Zusammenhänge verschiedener Krisen betont, deren gemeinsame Ursachen in einem «grenzenlosen Wirtschaftswachstum, der Ausbeutung von Mensch und Natur, dem Patriarchat und dem Imperialismus» lägen. Der Übergang zu einer ökologischen und gerechteren Gesellschaft erfordere «eine noch nie dagewesene Mobilisierung».
In Rot zur Arbeit
Mit ihrem Bezug zur Gerechtigkeit und zu sozialen Fragen kommt die Klimabewegung bei den Gewerkschaften gut an. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) ruft denn auch zur Teilnahme auf und stellt in einer Erklärung fest: «Ohne Klimawende keine gerechte Wirtschaft.» Besonders aktiv dabei am «Strike for Future» ist der VPOD. «Als Gewerkschaft des Service public liegt das in unserer DNA», sagt VPOD-Präsidentin Katharina Prelicz-Huber, die für die Grüne Partei auch im Nationalrat sitzt. Denn ein ökosozialer Umbau der Wirtschaft erfordere die Stärkung des öffentlichen Dienstes: den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, nachhaltige Energie für alle, mehr und bessere Stellen im Gesundheits- und Pflegebereich, aber auch eine Bildungsoffensive. Die Gewerkschaft fordert deshalb ihre Mitglieder auf, am Freitag in roter Kleidung zur Arbeit zu erscheinen – und so ihre Verbundenheit mit dem Klimastreik zu zeigen. Auch sollen am Arbeitsplatz Transparente aufgehängt und in «Klimacafés» die Klimakrise untereinander besprochen werden.
Auch die Gewerkschaft Unia unterstützt den «Strike for Future» aktiv. «In der Klimastreikbewegung war die soziale Frage von Anfang an wichtig. Fragen der Verteilung, die ungleiche Betroffenheit bei den Umweltkatastrophen standen immer im Zentrum», sagt deren Klimaverantwortliche Peppina Beeli. Deshalb sei auch bei der Unia die Bereitschaft gross, mit der Klimabewegung zusammenzuarbeiten. Die Bau-, Industrie- und Dienstleistungsgewerkschaft nutzt den Aktionstag, «um das Thema in der Basis viel stärker zu verankern, als es bisher war». Auch in den Unia-Branchen bietet ein ökologischer Umbau Chancen – so etwa im Baugewerbe, wo Hunderttausende Solarpanels auf Dächern und an Fassaden installiert werden müssen. «Leider hat da die Politik die Weichen noch nicht richtig gestellt», sagt Beeli.
Raus aus der Wachstumslogik
Annika Lutzke vom Klimastreik kann nicht so recht einschätzen, wie viele Menschen sich am Freitag an den Aktionen und Demonstrationen beteiligen werden. «In den letzten Wochen haben wir aber beobachtet, dass viele Akteure nun mobilisieren, das macht Hoffnung.» So würden sich etwa auch feministische Frauenstreikkollektive beteiligen, und auch die dezentrale Organisierung mit Lokal- und Quartiergruppen laufe gut. Dass die Klimabewegung in ihrem Manifest auch andere Themen als das Klima anspricht, werde ihnen in bürgerlichen Medien zum Teil angekreidet. «Für uns ist es jedoch selbstverständlich, dass eine ökologische Veränderung nur mit sozialen Veränderungen möglich ist.»
Bei der Zusammenarbeit mit Gewerkschaften könnte es auch zu Konflikten kommen. Schliesslich gibt es Branchen, die bei einem ökologischen Umbau schrumpfen müssten. Prelicz-Huber jedoch sieht da keinen Widerspruch: «Logischerweise müssen wir uns zuerst gegen Abbaumassnahmen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen wehren, wie jetzt bei der Fluggesellschaft Swiss, die vom Bund finanziell unterstützt wurde.» Aber letztlich gehe es darum, die Beschäftigten nicht «im Regen stehen zu lassen». Es brauche «eine aktive Weiterbildungsoffensive». Auch Beeli von der Unia sieht die Rolle der Gewerkschaften darin, bei der Transformation der Wirtschaft die Interessen der Beschäftigten zu stärken: «Niemand darf aufgrund der notwendigen strukturellen Veränderungen im Stich gelassen werden. Zur Finanzierung des Umbaus braucht es grosse öffentliche Investitionen.»
Für Annika Lutzke bietet die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften die Möglichkeit, die Klimabewegung stärker in der Arbeitswelt zu verankern. «Wir wollen Druck auf die Gewerkschaften machen, damit sie ihren Fokus noch mehr auf ökologische Fragen legen.» Genauso wie es klimabewegte Lokal- und Quartiergruppen gibt, sollen auch Klimagruppen in Betrieben entstehen. Zentral dabei, so Lutzke: die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung. Schliesslich müsse es darum gehen, aus der Wachstumslogik herauszukommen.