Nein zum Polizeigesetz: Auf verlogener Mission
Wenn es eine Wahrheit im Kampf gegen den Terror gibt, dann diese: Die Wahrheit selbst bleibt häufig als Erste auf der Strecke. Vor bald zwanzig Jahren sprach der damalige US-Aussenminister Colin Powell vor dem Uno-Sicherheitsrat von angeblichen Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins – und rechtfertigte damit den Einmarsch im Irak. Heute wissen wir: Die Aussagen waren frei erfunden.
Um skandalöse Falschbehauptungen einer Regierung, zumindest im helvetischen Massstab, geht es auch im Abstimmungskampf um das Polizeigesetz PMT, das am 13. Juni an die Urne kommt: eine Vorlage mit gravierenden Folgen für den Schweizer Rechtsstaat, die statt Sicherheit zu schaffen bloss unsere Freiheit einschränkt. Hier ein Last Call mit drei Gründen für die Ablehnung.
Schwammige Begrifflichkeiten Für die korrekte Anwendung eines Gesetzes braucht es klare Definitionen. Die Bestimmungen im PMT könnten aber vager kaum sein. So gilt schon die «Verbreitung von Furcht und Schrecken» als «terroristische Aktivität» – ganz ohne, wie sonst üblich, Bezug zur Ausführung oder Androhung von Gewalt. Politische Aktivistinnen? Kritische Journalisten? Wer Angst schüren kann, wird zur Auslegungssache.
Warum Bundesrat und Parlament auf eine klare Definition verzichtet haben, bleibt ihr Geheimnis. Dass ihnen die Problematik nicht bewusst war, ist auszuschliessen. Interveniert haben viele: Uno-Sonderbeauftragte, Europarat, Rechtsgelehrte. Demnach stimmt die Definition nicht einmal mit jener des Uno-Sicherheitsrats überein. Und der ist nicht gerade eine Menschenrechtsbehörde.
Kurzer Prozess Wer in den Augen der Polizei ein «Gefährder» ist, soll mit Massnahmen belegt werden: von Pflichtgesprächen bis zum Hausarrest. Nur Letzterer braucht die Bestätigung eines Gerichts, der Rest obliegt dem Gutdünken der Polizei. Sich dagegen zu wehren, ist fast unmöglich. Wie soll jemand, den die Polizei für gefährlich hält, das Gegenteil beweisen? Damit entstehe ein «paralleles Rechtssystem», warnt Amnesty International: staatliche Repression ohne die im Strafrecht geltenden verfahrensrechtlichen Garantien. Absehbar ist auch, dass das PMT Minderheiten stigmatisiert. Wenn die Polizei nach GefährderInnen sucht und keine klaren Kriterien hat, wird sie schnell auf Stereotype abstellen. Und wie im Kontext von Terror antimuslimischer Rassismus geschürt wird, lässt sich schon im Abstimmungskampf zur Genüge beobachten.
Behördliche Propaganda Justizministerin Karin Keller-Sutter wirbt mit missionarischem Eifer für das Gesetz, selbst im sonst nüchternen Abstimmungsbüchlein betreibt der Bundesrat bewusste Irreführung. Die Polizei könne heute erst nach einer Straftat gegen TerroristInnen durchgreifen, heisst es darin. Tatsächlich können diverse «Vorbereitungshandlungen» schon jetzt geahndet werden – unter Umständen kann dafür bereits eine Whatsapp-Nachricht genügen.
Gegen diese und weitere Falschbehauptungen der Exekutive haben namhafte Persönlichkeiten über Pfingsten Stimmrechtsbeschwerden eingereicht – darunter Mafiajäger Paolo Bernasconi, Altbundesrichter Niccolò Raselli oder der freisinnige Altständerat Dick Marty, der im Auftrag des Europarats die europäischen Geheimgefängnisse der CIA im «War on Terror» untersuchte. «Unsachlich, irreführend, ja falsch» sei die Information des Bundesrats, schreibt Raselli, von einer «krassen Lüge» spricht Bernasconi. Die Abstimmung müsse sistiert werden. Ebenfalls interveniert hat die Piratenpartei; auf ihrer Website fordert sie die BürgerInnen mit einer Vorlage auf, das ebenfalls bei ihrem Kanton zu tun.
Die Beschwerden zeigen unter dem Brennglas, wie gefährlich das PMT ist: Gerade ein Gesetz, das der Exekutive umfassende und praktisch unkontrollierte Vollmachten erteilt, wird von dieser mit dem Vorgaukeln falscher Tatsachen verteidigt. Die Wahrheit ist im Abstimmungskampf schon auf der Strecke geblieben – schauen wir, dass dies nicht auch noch mit unseren Grundrechten passiert.