Parlamentsbetrieb: Wenn Stahlhelme Gesetze machen

Nr. 16 –

Mitte Juni kommt das Polizeimassnahmengesetz PMT zur Abstimmung. Doch die Entstehungsgeschichte sorgt für Irritationen. Gab es eine politische Einflussnahme?

Das PMT sieht sogar Hausarrest für Minderjährige vor: Plakat an der Medienkonferenz des Referendumskomitees. Foto: Peter Klaunzer, Keystone

Es sind längst nicht nur die politischen GegnerInnen, die am Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) kein gutes Haar lassen. Im Gegenteil: Wohl selten war die fachliche Kritik an einer Vorlage so vernichtend. Als «unprofessionell und gefährlich» bezeichnet sie Nils Melzer, der Uno-Sonderberichterstatter für Folter, für «höchst problematisch» halten sie die renommiertesten StaatsrechtlerInnen der Schweiz, «realitätsfern und rechtsstaatlich nicht haltbar» findet sie der ehemalige Polizeikommandant Markus Mohler. Auch diverse NGOs sowie VertreterInnen des Europarats und anderer internationaler Organisationen haben sie wiederholt aufs Schärfste verurteilt.

Genützt hat es nichts; eine Mehrheit des Parlaments stimmte letzten September für das Gesetz, das der Polizei extrem weite und kaum kontrollierbare Vollmachten im Umgang mit «Gefährdern» erteilt, also Menschen, denen keine Straftat vorgeworfen wird. Weil Jungparteien das Referendum ergriffen haben, kommt die Vorlage Mitte Juni zur Abstimmung. Wie ein Blick in ihre Entstehungsgeschichte zeigt, verlief der parlamentarische Prozess alles andere als reibungslos.

Zuweisung ist Sache des Parlaments

«Die Vorlage wurde in der Sicherheitspolitischen Kommission vorberaten – und war dort völlig am falschen Ort», ist GLP-Nationalrat Beat Flach überzeugt. Die Sicherheitspolitische Kommission (SiK) sei vor allen Dingen eine «Armeeorganisations- und Beschaffungskommission», den Mitgliedern fehle die juristische Expertise. «Es ist, wie wenn sich die Gesundheitskommission mit der Kampfjetbeschaffung befassen würde: Das kann man natürlich, aber vielleicht wäre das woanders doch besser aufgehoben», so Flach, der neben der SiK auch in der Rechtskommission (RK) sitzt.

Ähnlich sieht das SP-Nationalrätin Min Li Marti, die ebenfalls beiden Kommissionen angehört. Zwar möge das Polizeigesetz ein Grenzfall sein, weil es sowohl sicherheitspolitische wie auch strafrechtliche Aspekte beinhalte. «Traditionsgemäss setzen sich in der SiK aber die Stahlhelme durch; ausserdem sind deren Mitglieder gewohnt, Panzer zu kaufen, und nicht, Gesetze zu machen.» Auch SVP-Nationalrat Lukas Reimann betrachtet die Zuweisung als Fehler. «Hätte die Rechtskommission das Gesetz verhandelt, wäre es nie und nimmer in dieser Form verabschiedet worden», sagte er neulich dem «Blick».

Nachdem der Bundesrat einen Gesetzesentwurf präsentiert hat, beugt sich jeweils zunächst die zuständige Kommission zur Vorberatung darüber, bevor der Entwurf dann in den Rat geht. Aber wie kommt es, dass ein Gesetz, das mit präventiven Massnahmen bis hin zum Hausarrest derart gravierend in die Grundrechte eingreift, seinen Weg nicht in die Rechtskommission fand? Zuständig für die Zuweisung an die Kommissionen ist das Parlamentsbüro. Laut Irène Kälin, Vizepräsidentin des Nationalratsbüros, sei das Geschäft ohne Gegenantrag der SiK zugeteilt worden. «Die Rechtskommission kann man praktisch immer beanspruchen, weshalb dort die Geschäftslast sehr hoch ist und einige Geschäfte woandershin verteilt werden.» Zwar seien die Themenbereiche klar definiert; kämen zwei Kommissionen infrage, könnten sich aber beide bewerben. Dies war beim PMT dem Vernehmen nach nicht der Fall. Die Zuteilung sei in den Büros nicht kontrovers gewesen, schreibt das Sekretariat der RK auf Anfrage. Sie sei Sache des Parlaments, das zuständige Departement – in diesem Fall das von Bundesrätin Karin Keller-Sutter – äussere sich nicht dazu.

Min Li Marti vermutet dennoch politische Gründe hinter der Zuweisung. Beat Flach formuliert es so: «Wenn Sie politisch wollen, dass die Vorlage verschärft oder nicht von Juristen beraten wird, die vielleicht vorsichtiger sind, müssen Sie es so steuern, dass es in jene Kommission geht, von der Sie wissen, dass dort die harte Linie durchgesetzt wird.» Das Argument der hohen Geschäftslast lässt er nicht gelten. «Nicht bei derart starken Eingriffen ins Rechtssystem.»

Gesetz ohne Verfassungsgrundlage?

Auch im Ständerat fand die Beratung in der SiK statt. Sie verschärfte die bundesrätliche Vorlage, nachdem sie kantonale Justiz- und Polizeidirektionen, Polizeikommandanten und Staatsanwältinnen sowie einen «langjährigen Kriegsreporter» angehört hatte, nicht aber KritikerInnen der Vorlage. Später überwies der Rat das Geschäft zurück an die Kommission – und forderte einen Mitbericht der RK. Nach einer weiteren Schlaufe nahm der Ständerat das Gesetz an, strich aber einige der von der SiK geforderten Verschärfungen.

Dass sich Teile der nationalrätlichen SiK nicht um die Rechtsstaatlichkeit mancher der Massnahmen scherten, zeigt eine weitere Episode: So forderte die Kommission gar eine Präventivhaft – trotz der einhelligen ExpertInnenmeinung, dass dies gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstosse. Zwar wurde die Forderung im Rat wieder gekippt; durch einen Vorstoss von SVP-Nationalrat Mauro Tuena ist sie allerdings noch vor der Abstimmung über das PMT wieder auf dem Tisch – und wird erneut in der SiK beraten.

Für die Law-and-Order-Bundesrätin Keller-Sutter ist das PMT eine Art Herzensangelegenheit – das zeigt nicht zuletzt der Eifer, mit dem sie sich in den Abstimmungskampf stürzt. Kritik, wonach die Vorlage in ihrer Schwammigkeit der Willkür Tür und Tor öffne und zumindest der Hausarrest EMRK-widrig sei, lässt sie nicht gelten. Dabei ist dies die Schlussfolgerung eines Gutachtens, auf das sie sich zur Verteidigung der Massnahmen selbst beruft. Zuletzt kam auch noch Markus Mohler, der früher auch als Staatsanwalt tätig war, zum Schluss, dem Bund fehle für das Gesetz die Verfassungsgrundlage, weil die Polizei Sache der Kantone sei.

Die Versäumnisse und Verfehlungen lassen sich also auf folgende Formel bringen: Das PMT ist nicht nur gefährlich, weil es die Grundrechte schleift – sondern auch ein Pfusch.

Der gleiche Fehler noch mal

Ähnliche Fehler drohen nun auch beim DNA-Profil-Gesetz, das für Anfang Mai im Nationalrat traktandiert ist. Kritisiert wird dabei besonders die «Phänotypisierung», also das Ablesen der Augen-, Haar- und Hautfarbe und der «biogeografischen» Herkunft mutmasslicher TäterInnen aus DNA-Spuren. «Die Ergebnisse der Phänotypisierung können gewisse Bevölkerungsgruppen systematisch unter Generalverdacht stellen», schreiben die Demokratischen JuristInnen.

Ebenso wie das PMT ist auch das DNA-Gesetz unter der Ägide von Keller-Sutter entstanden; und auch diese Vorlage hat die nationalrätliche SiK vorberaten. In den Augen von Min Li Marti gehört sie aber klar in die Rechtskommission. «Wir begehen den gleichen Fehler noch einmal», findet auch Beat Flach. Da es um Kriminalistik und Forensik gehe, sei die SiK mit dem Geschäft «schlicht überfordert». Immerhin konnte die RK diesmal gleich einen Mitbericht einreichen, wie deren Sekretariat mitteilt. Das Ständeratsbüro hat derweil gleich anders entschieden: Dort wird das Geschäft Ende Mai in der Rechtskommission vorberaten.