Durch den Monat mit Miriam Davoudvandi (Teil 2): Weshalb sprechen Sie über psychische Probleme?

Nr. 23 –

In ihrem äusserst erfolgreichen Podcast «Danke, gut.» spricht die deutsche Journalistin mit Gästen, die selbst in der Öffentlichkeit stehen – und sich von ihrer zerbrechlichen Seite zeigen.

«Ich möchte, dass wir auf die Frage ‹Wie geht es dir?› ehrlich antworten können»: Miriam Davoudvandi.

WOZ: Frau Davoudvandi, was ist Ihre Motivation, einen Podcast über psychische Probleme zu machen?
Miriam Davoudvandi: Einer der Gründe ist ein relativ egoistischer: Mich selbst plagen schon seit Jahrzehnten Depressionen, und ich habe festgestellt, dass es mir hilft, wenn ich offen darüber spreche. Rückblickend denke ich, es hätte mir geholfen, zu wissen, dass das Probleme sind, die auch andere Menschen plagen, und ich damit nicht alleine bin. Es mag abgedroschen klingen, aber: Ich will mit diesem Podcast dazu beitragen, dass psychische Probleme entstigmatisiert und enttabuisiert werden. Ich möchte, dass wir auf die Frage «Wie geht es dir?» ehrlich antworten können.

Ist das Reden über psychische Probleme denn wirklich die Lösung?
Ich glaube nicht, dass es die Lösung ist. Aber es kann auf jeden Fall der Beginn einer gewissen Art von Heilung sein. Selbstverständlich müssen wir uns fragen, warum es so viele Menschen gibt, denen psychische Belastungen zu viel werden – und die wegen dieser Belastungen krank werden. Aber klar, das Reden darüber ist ein Puzzlestein auf einem Weg zu einer möglichen Heilung.

Gibt es auch Themen, über die Sie nicht sprechen würden?
Ich weiss auch aus persönlicher Erfahrung, dass gewisse Themen noch nicht reif für die Aussprache sind. Ich selbst habe meine Themen, die noch Zeit brauchen, bis ich sie aussprechen oder öffentlich darüber sprechen will. Offen über mentale Gesundheit zu sprechen, sollte auch nicht zum Zwang werden. Es geht viel eher darum, eine Atmosphäre in der Gesellschaft zu etablieren, die signalisiert: Es ist in Ordnung, wenn du über deine psychischen Probleme sprechen möchtest.

Ist es nicht schwierig, Protagonisten und Protagonistinnen für diese – immer noch als Privatsache angesehenen – Themen zu finden? Zumal Ihre Gäste Menschen sind, die in der Öffentlichkeit stehen?
Doch, da ergeben sich auf jeden Fall auch Schwierigkeiten. Ich kann ja schlecht einfach eine Person anschreiben und ihr sagen: «Hey, du wirkst so depressiv auf mich, hättest du Lust, mal öffentlich darüber zu sprechen?» Es braucht meist gute Vorgespräche, ein gewisses Fingerspitzengefühl, Einfühlungsvermögen und nicht zuletzt gegenseitiges Vertrauen.

Und wie sieht es auf der Seite der Zuhörer und Zuhörerinnen aus? Wie sind da die Reaktionen auf den Podcast?
Es erreichen mich immer wieder sehr persönliche Nachrichten. Es ist also auch eine Verantwortung, die ich da spüre. Offenbar hilft dieser Podcast dabei, dass Menschen sich trauen, über ihre Probleme zu sprechen oder sogar Therapien in Anspruch zu nehmen. Es gab aber auch schon Menschen, die mir schrieben, dass sie Suizidgedanken haben.

Wie gehen Sie damit um?
Das ist für mich überfordernd. Ich bin selbst betroffen von psychischen Krankheiten und keine Therapeutin. Ich bin da ganz ehrlich: Ich habe das Wissen und die Kapazitäten nicht, um angemessen zu helfen. Ich habe in einem solchen Fall keine Ahnung, wie ernst die Situation ist, ob dieser Mensch Bezugspersonen hat, mit denen er oder sie sprechen kann, oder wie die Lebensumstände sind. Ich verweise einen Menschen, der diese Gedanken mit mir teilt, weiter an die Stellen, die in einer solchen Situation professionell helfen können.

Wo sehen Sie denn die Ursachen dafür, dass so viele Menschen von Depressionen geplagt werden?
Mal abgesehen von einschneidenden Traumata oder genetischen Veranlagungen bin ich ganz stark davon überzeugt, dass es die Lebensumstände sind, die Art und Weise, wie unsere Wirtschaft organisiert und wie unser Verständnis von Arbeit ist, die die Menschen krank und depressiv machen. Wir leben in ständiger Konkurrenz zu unseren Mitmenschen, wir vergleichen uns und bewerten uns ständig selbst. Wir haben keine Zeit und kein Bewusstsein dafür, uns selbst zu fragen, wie es uns wirklich geht. Das macht uns krank. Als Kind aus einer Arbeiterfamilie weiss ich das aus eigener Erfahrung. Meine Eltern beispielsweise hatten nie Zeit oder den Luxus, sich zu fragen, wie es ihnen eigentlich geht. Sie hatten keine Sicherheiten, die ihnen das erlaubt hätten. Und so geht es auch heute noch ganz vielen Menschen.

Welche Sicherheiten meinen Sie?
Unsere Art, zu wirtschaften, ist darauf ausgerichtet, dass Menschen in Unsicherheit leben. Sogar in einem so reichen Land wie Deutschland müssen sich Menschen ständig Gedanken darüber machen, wie sie über die Runden kommen. Wir brauchen alternative Wirtschaftsmodelle, die jedem und jeder zumindest die Erfüllung der Grundbedürfnisse ohne Abstriche ermöglichen. Aber auch das reicht meiner Meinung nach nicht. Spass, soziale Kontakte, der Zugang zu Kultur … All das sind Dinge, die meiner Meinung nach allen zustehen sollten, um erfüllt leben zu können.

Miriam Davoudvandis Podcast «Danke, gut.» erscheint über den Westdeutschen Rundfunk und hatte unter anderen schon die Politikerin Sahra Wagenknecht (Die Linke), den Rapper Curse oder die Autorin und Journalistin Hengameh Yaghoobifarah als Gast.