Drogenkonsum: «Ketamin, ja? Im Ausgang oder auf Arbeit?»

Nr. 45 –

Sauber, gestreckt oder zu hoch dosiert: Gleich drei Drug-Checking-Initiativen feiern dieses Jahr Geburtstag. Ein paar Eindrücke vom Jubiläumsanlass.

Ruhig setzt die Sozialarbeiterin ihre Kreuze auf den Fragebogen. Vom Partygast, der ihr gegenübersitzt, weiss Leta Vogt nichts, ausser dessen selbstdeklariertem Alter und dem Meldekanton. Anonymität ist bei ihrer Arbeit zentral. «Psylos?», fragt Vogt. Und dann: «Ketamin, ja? Im Ausgang, auf Arbeit oder zu Hause? Und was ist mit Methamphetamin?»

Die von der unabhängigen Drogeninformationsplattform Eve & Rave und zwei DJ-Kollektiven am vergangenen Samstag gehostete Party, an der Vogt ihr mobiles Prüflabor aufgebaut hat, heisst «Bubble Trouble». Gleich dreifach wird dort Geburtstag gefeiert: Eve & Rave wird dieses Jahr 25; die dem Stadtzürcher Sozialdepartement unterstellte Organisation Saferparty Streetwork feiert ihren 20., und das Drogeninformationszentrum der Stadt Zürich (DIZ) wird 15 Jahre alt.

Während im grossen Saal Menschen tanzen, arbeiten Vogt und ihre Kolleg:innen von Saferparty Streetwork in einem Nebenraum. Jede Person, die sich dort beraten lässt, hat zuvor eine Substanz testen lassen – auf deren Sauberkeit, potenziell gefährliche Streckmittel oder zu hohe Dosierungen.

Vogt fragt nicht nur nach dem Konsum psychoaktiver Substanzen, sondern auch nach schlechten Trips, etwaigen Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt, der Teilnahme am Strassenverkehr oder psychischen Problemen unter Substanzeinfluss. Dabei verzieht die junge Frau keine Miene. Sie ist es gewohnt, mit Menschen über deren Drogenkonsum zu sprechen – jeweils zweimal die Woche in der ambulanten Drogenberatung des DIZ oder in ihrem mobilen Labor an Festivals, Massenevents wie der Street Parade oder Partys wie eben jetzt in der Photobastei.

Harzige Anfänge

«Die grösste Gruppe unserer Klienten sind die Neunzehn- bis Dreissigjährigen», sagt Matthias Humm von Saferparty Streetwork an einem Vortrag im Rahmen der Jubiläumsfeier. Ans ambulante Drug-Checking des DIZ kämen tendenziell bewusste, etwas ältere Konsument:innen, das mobile Labor hingegen erreiche eine jüngere, spontane Klientel.

Während «Eve & Rave» in einem anderen Raum der Photobastei mit Konsument:innen spricht und Bücher zum Thema Bewusstseinserweiterung anbietet, sitzen hinter Leta Vogt die beiden Laborant:innen Carole Schöpfer und André Mürner an mehreren Bildschirmen. In ihrem Minilabor werten sie die abgegebenen Substanzproben aus. Die allermeisten würden dankbar auf das Angebot reagieren, erzählt Schöpfer. Manche seien zuerst etwas skeptisch, weil für die chemische Analyse ein Teil des Stoffs abgegeben werden muss. Bei Pulvern seien dies jedoch nur knapp zwei Milligramm, bei Tabletten oder Pillen würde rund ein Viertel verwendet.

An diesem Abend habe man bisher «nichts Aussergewöhnliches» entdeckt, sagt Laborant Mürner. «Das Übliche: Kokain, Amphetamin, MDMA, etwas LSD. Schweizer:innen konsumieren grundsätzlich eher Stoffe, die sie schon kennen.» Das mobile Labor ist das einzige seiner Art in der Schweiz. Bern, Zürich, Basel und Genf würden darauf zurückgreifen, eine Zusammenarbeit mit Luzern sei im Gespräch.

Alexander Bücheli von der Zürcher Bar- und Clubkommission erinnert sich noch gut an die Anfänge solcher Angebote, als man zu Beginn der nuller Jahre in Zürcher Clubs mobiles Drug-Checking anzubieten versuchte: «Der Kontakt der Clubs mit der Stadt war bis dahin ja eher repressiv gewesen, was die Drogen anging. Man meinte, die Sozialarbeiter:innen seien versteckte Fahnder.» Auch hätten die Betreiber:innen Angst gehabt, dass ihr Club durch das Checking zu einem «Drogenclub» würde.

Ähnlich harzig seien auch die Anfänge des ambulanten Drug-Checkings im DIZ gewesen, erzählt Bücheli, selbst ein ehemaliger DIZ-Mitarbeiter. Die Konsument:innen hätten befürchtet, dass die Polizei um die Ecke stünde, sobald sie etwas abgeben würden. Mit der Zeit wuchs auch das Vertrauen. Seit seiner Entstehung im Jahr 2006 hat das DIZ fast 16 000 Substanzproben überprüft. Informationen über gefährliche Substanzen oder solche, bei deren Konsum Vorsicht geboten ist, werden jeweils auf einer Website aufgeschaltet und über die sozialen Medien kommuniziert.

Falsch deklarierte oder gefährliche Drogen kämen in Wellen, erzählt Matthias Humm. Seit rund achtzehn Monaten beschäftigen synthetische Cannabinoide die Berater:innen. Dabei wird CBD, etwa in Blütenform oder als Haschisch, synthetisch angereichert. Die ungleiche Verteilung auf dem Produkt kann zu Überdosierung samt Halluzinationen und Herz-Kreislauf-Problemen führen. Zudem stehen gewisse chemische Verbindungen dieser Cannabinoide, die auch in Schweizer Proben nachgewiesen wurden, weltweit im Verdacht, für mehrere Dutzend Todesfälle verantwortlich zu sein.

Auch der Konsum von verschreibungspflichtigen Medikamenten unter Jugendlichen bereitet den Berater:innen Sorgen: «Wir sehen Sechzehn- oder Siebzehnjährige, die Xanax mit Codein oder Alkohol mischen. Hier müssen wir sehr genau hinschauen und uns überlegen, wie wir diese Gruppen mit Informationen erreichen können», sagt Humm. Ein anderes Problem sei hingegen bereits länger bekannt: «Neunzig Prozent aller Ecstasy-Tabletten, die wir analysieren, sind zu hoch dosiert.» Diese Erkenntnis führe dazu, dass die Faustregeln, die viele Konsument:innen im Kopf haben, angepasst werden müssten: «Wo es früher sicher war, eine halbe Pille zu nehmen, empfehlen wir jetzt, mit einem Drittel oder gar Viertel zu starten», meint der Berater. Dass solche Trends und Tendenzen erkannt und die Regeln angepasst werden können, sieht Humm als eine der grossen Errungenschaften des Drug-Checkings.

Qualitätssiegel für die eigene Ware

Tatsächlich gibt es bis heute wenig wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit von Drug-Checking – was dazu führt, dass auch etablierte Stellen wie das DIZ in die Kritik geraten. Die meisten Studien beschränken sich auf die Selbsteinschätzung der Klient:innen, die allerdings ein positives Bild zeichnen. «Die Beratungen haben bei zwei Dritteln den Effekt, dass das eigene Konsumverhalten reflektiert und problematische Muster angepasst werden», sagt Marc Marthaler von der Schweizerischen Koordinations- und Fachstelle Sucht Infodrog.

Ramon Küffer, der eigentlich anders heisst, hat an diesem Abend in der Photobastei keinen Gebrauch vom Drug-Checking gemacht. Beim DIZ war der 26-Jährige aber schon mehrfach. Er sei froh um das Angebot, sagt Küffer. Drogen gehörten zur Lebensrealität vieler Menschen, da sei es doch besser, sicher zu konsumieren, als dass man sich stigmatisiert fühle, sich schäme und schlussendlich «irgendwas einwerfe». Er selbst beziehe seine Drogen meist bei einem Bekannten, der den Stoff vor dem Verkauf überprüfen lasse.

Damit spricht Küffer einen weiteren Kritikpunkt an, mit dem sich das DIZ wiederholt konfrontiert sieht: dass Drogendealer:innen das Checking als eine Art Qualitätssiegel für die eigene Ware benutzen würden. Doch diesen Einfluss könne man auch im Sinn der Schadensminderung positiv auslegen, sagt Marthaler von Infodrog. Ebenso kontert der Experte den Vorwurf, es gebe auch Personen, die sich aufgrund der Analyse sicherer fühlten und mehr konsumierten: «Mehr oder weniger Konsum muss nicht zwingend etwas über die Gefährlichkeit des Konsums aussagen.»