Transphobie: Schreckgespenst Geschlechtseintrag

Nr. 45 –

Wir schreiben das Jahr 2034: Das Schweizer Militär ist implodiert. Da alle wehrpflichtigen Männer für läppische 75 Franken kurzerhand ihr Geschlecht geändert haben, stehen die Kasernen leer. Gleichzeitig ist auch die AHV zusammengebrochen. Die dringend benötigten Beiträge bleiben aus, niemand arbeitet mehr bis 65, weil alle Deserteure, die, einmal dem wehrpflichtigen Alter entwachsen, auf dem Papier wieder zu Männern wurden, erneut ihr Geschlecht ändern lassen und sich früher in Rente begeben. Wie konnte es so weit kommen?

In der Wintersession 2020 entschied das Parlament, dass Menschen mit Transidentität ihren Vornamen und das im Personenstandsregister eingetragene Geschlecht rasch und unbürokratisch am Schalter des Zivilstandsamts ändern lassen können. Bis dahin war dafür ein Gang vor Gericht notwendig gewesen. Am 1. Januar 2022 tritt diese Änderung nun in Kraft – was die Bürgerlichen und Konservativen im Land offenbar zum Erschaudern bringt.

«Der clevere Mann mutiert in die feminine Privilegienwelt», schrieb kürzlich die «Weltwoche». «Bald kann sich jeder für 75 Franken vom Militärdienst befreien lassen», titelte «20 Minuten» in Bezug auf eine entsprechende Befürchtung von SVP-Politiker Werner Salzmann.

Bewahrheiten dürfte sich Salzmanns Sorge wohl kaum. Stattdessen verdeckt die mediale Scheindebatte, dass die erleichterte Änderung des Geschlechtseintrags für viele trans Menschen in der Schweiz ein Segen ist. Sie sorgt für psychische Entlastung; umständliche und stigmatisierende ärztliche Abklärungen entfallen. Die Panik, die jetzt darob geschürt wird, ist dagegen vor allem eines: transphob.

Dass rechte Cis-Männer jede soziale Errungenschaft bloss auf sich selbst beziehen, ist so absehbar wie langweilig. Hauptsache, am Ende des Tages entsteht der Eindruck, alle hätten es einfacher als sie. Weil das natürlich nicht sein darf, an dieser Stelle ein Gratistipp: Es gibt wirklich einfachere Wege, den Militärdienst zu umgehen, als eine Änderung des Geschlechtseintrags. Aber sagen Sie das bitte nicht Herrn Salzmann.