Löhne im Spital: Biel macht einen Schritt mit Signalwirkung

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Das Spitalzentrum Biel erhöht Löhne und Zulagen seiner Angestellten wie kein anderes Spital im Kanton Bern. Das liegt nicht nur an der Coronapandemie.

Meine langjährige Erfahrung in der Krankenpflege beeinflusst mich sehr: Kristian Schneider, CEO des Spitalzentrums Biel.

Nicht einmal eine Stunde dauerten die Lohnverhandlungen zwischen der Bieler Spitalleitung und den Gewerkschaften im Herbst letzten Jahres. Kein Wunder, hatte der Spitaldirektor Kristian Schneider doch gleich selbst eine Reihe von Massnahmen vorgeschlagen, dank derer das Lohnniveau des Spitalpersonals im laufenden Jahr steigen wird. Eine erfreuliche und seltene Ausgangslage für die Vertretung der Beschäftigten, die normalerweise schon um den Teuerungsausgleich kämpfen müssen.

Ganze 2,8 Prozent mehr Lohn soll es für die Angestellten des Spitalzentrums Biel (SZB) künftig geben. Das ist viel im Vergleich mit den anderen öffentlichen Regionalspitälern des Kantons, wo im Rahmen der alljährlichen GAV-Verhandlungen ein Lohnanstieg von einem Prozent vereinbart wurde. Das Geld kommt allerdings nicht allen Angestellten zugute, sondern insbesondere jenen, die im 24-Stunden-Betrieb, am Wochenende und in der Nacht arbeiten. Bereits ab dem 1. November 2021 wurden etwa die Zuschläge für Nacht- und Wochenenddienste von sechs auf zehn Franken pro Stunde erhöht, womit das SZB diese nun gar besser entgilt als das grosse Berner Universitätsspital Insel.

Dass die Entwicklung der Löhne in diesem Jahr so positiv ausfällt, führt Meret Schindler, die beim VPOD Bern für den Gesundheitsbereich zuständig ist, auf den durch Pandemie und Pflegeinitiative entstandenen politischen Druck zurück. «Die Öffentlichkeit wurde auf den Plan gerufen und der Fokus endlich aufs Gesundheitswesen gelegt», sagt die Gewerkschafterin. Auch wenn das Spital Biel heraussteche, sei schon das mit den restlichen Spitälern ausgehandelte eine Prozent im Vergleich mit den 0,3 Prozent Lohnanstieg des Vorjahres ein Erfolg.

Ausgelaugtes Personal

«Covid hat uns unter Druck gesetzt», bestätigt Kristian Schneider. Denn im Bieler Spital sind noch immer zahlreiche Stellen in allen Bereichen unbesetzt, und das bestehende Personal ist nach zwei Pandemiejahren ausgelaugt. Er will bessere Arbeitsbedingungen schaffen – nicht nur in Bezug auf die Löhne, sondern etwa auch mit zwei zusätzlichen Freitagen. Als Grund dafür nennt er vor allen Dingen die marktwirtschaftliche Situation des öffentlichen Spitalzentrums, denn dessen Konkurrenz ist gross. Wettbewerber sind weniger die privaten Spitäler als vielmehr ausserkantonale Institutionen. «Von Biel aus ist man schnell in Neuchâtel, Fribourg oder Solothurn, wo das Lohnniveau höher ist», sagt Schneider. Im Kanton Bern, wo die regionalen Spitalzentren nach Inkrafttreten des Spitalversorgungsgesetzes von 2005 in Aktiengesellschaften umgewandelt wurden, sind die Löhne generell tief.

Wenn man Schneider zuhört, wie er von Shareholder-Value und Investitionen spricht, würde man kaum glauben, dass ihm der Alltag des Pflegepersonals nahe ist. Doch bevor er sich im Gesundheitsmanagement weiterbildete, hatte der 49-Jährige selbst mehrere Jahre als Krankenpfleger gearbeitet. «Auch wenn mir nicht mehr alles, was mir damals wichtig war, gleich präsent ist, beeinflusst mich diese Erfahrung sehr», sagt der Spitaldirektor. VPOD-Sekretärin Schindler findet, man merke den Spital-CEOs oft an, aus welcher Branche sie kommen. Dass die Lohnpolitik in Biel progressiver ist als an anderen Spitälern, die mit den gleichen Problemen kämpfen, führt sie unter anderem auf Schneider zurück. Auch beim Pflegepersonal ist der Chef beliebt. «Er hört einem zu», sagt eine Fachangestellte Gesundheit gegenüber der WOZ. «Er will der Pflege wirklich helfen», meint auch die Pflegefachfrau Nadia Peters (Name geändert), die seit über zehn Jahren im SZB arbeitet.

Erhöhung nicht für alle

Auch wenn die Entwicklungen sowohl in Biel als auch auf kantonaler Ebene positiv sind, relativiert sich die Sache bei näherem Hinschauen. «Die 2,8 Prozent sind ein gutes Zeichen», sagt Schindler, betont aber im nächsten Satz: «Wir hatten im letzten Jahr auch eine Teuerung von 1,5 Prozent.» Rechne man die steigenden Krankenkassenkosten hinzu, hätten die Angestellten am Schluss unter Umständen doch weniger Geld in der Tasche. Und auch Nadia Peters sagt: «Die Lohnmassnahmen im SZB tönen gut.» Doch noch wüssten die einzelnen Angestellten nicht genau, ob und wie viel sie tatsächlich mehr verdienen würden. Dies werde sich erst nach dem 1. April zeigen, wenn die neuen Lohnmassnahmen gelten. «Sicher ist, dass nicht alle mehr verdienen werden», sagt die Spitalmitarbeiterin.

Glaubt man Kristian Schneider, sind die beschlossenen Lohnmassnahmen erst der Anfang. Um Pflegeberufe attraktiver zu machen, reiche es nicht, jährlich um ein paar Teilprozentpunkte Lohnanstieg zu verhandeln, sagt der Spitaldirektor. Schneider will gemeinsam mit den Angestellten neue Arbeitsmodelle entwickeln: «Ich möchte, dass das SZB ein revolutionärer Arbeitgeber wird.» Was das genau bedeutet, weiss er noch nicht. Klar ist: Mit den beschlossenen Massnahmen kann auch in Biel noch nicht von einer Revolution die Rede sein.

Während man gespannt sein darf, wie Schneider seine Ziele erreichen will, hat das Bieler Beispiel bereits Signalwirkung gezeigt: Nach Abschluss der Verhandlungen zogen auch die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern nach und erhöhten die Lohnsumme um insgesamt 2 Prozent. Ende Januar kündigte auch das Regionalspital Thun weitere Lohnmassnahmen an.