Medienförderung: Der Plan B für die Basisarbeit

Nr. 7 –

Nach dem Nein zum Mediengesetz wollen die Befürworter:innen die Förderung der Nachrichtenagentur, des Presserats und der Ausbildung retten. Ein prominenter Gegner signalisiert seine Unterstützung.

Wie lässt sich nach dem Nein zur Medienförderung die Finanzierung retten? In den ­Redaktionsräumen der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Foto: Gaëtan Bally, Keystone

Wer meinte, das Nein zur Medienförderung habe keine Konsequenzen, musste am Montag nach der Abstimmung bloss in Luzern anrufen, um eines Schlechteren belehrt zu werden. «Jetzt wird es schwierig, wirklich schwierig», sagt Martina Fehr, die Präsidentin der Stiftung Schweizer Presserat. Bereits diese Woche hat sie eine Krisensitzung anberaumt, denn die Finanzierung der Institution ist gefährdet. «Mit dem Nein zum Mediengesetz ist das Worst-Case-Szenario eingetreten. Wir werden voraussichtlich nicht umhinkommen, unsere Dienstleistungen einzuschränken, und nicht mehr alle Beschwerden bearbeiten können.»

Der Presserat, die Aus- und Weiterbildung von Journalist:innen sowie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA hätten mit dem Medienpaket Unterstützung erhalten. Zu diesen allgemeinen Massnahmen zählte auch die Förderung von gemeinwirtschaftlichen IT-Projekten für regionale Medien. 28 Millionen Franken waren jährlich dafür vorgesehen, finanziert aus den Radio- und Fernsehgebühren.

Aus der Perspektive der journalistischen Arbeit war es der mit Abstand wirksamste Teil des Pakets. Das Geld wäre direkt in die Ausbildung und das Know-how der Medienschaffenden investiert worden. Die Massnahmen hätten vor allem den kleinen und unabhängigen Medien viel gebracht: eine verlässliche Nachrichtenversorgung und Unterstützung bei der digitalen Vernetzung. Im Geschrei des Abstimmungskampfs gingen diese Massnahmen allerdings unter. Die Gegner:innen nutzten den Schwachpunkt, dass das Paket insgesamt auch den Grosskonzernen zugutegekommen wäre. Die Befürworter:innen stellten die Förderung der Basisinfrastruktur zu wenig in den Vordergrund. Knapp 55 Prozent der Stimmenden sagten am Ende Nein.

Von einem Plan B, sprich der Rettung dieser Basisförderung, wollte Medienministerin Simonetta Sommaruga am Abstimmungssonntag vorerst nichts wissen. «Selbstverständlich sind wir im Gespräch mit der Schweizer Medienbranche, um uns weitere Überlegungen zu machen. Heute ist es dafür aber zu früh», sagte sie an der Medienkonferenz des Bundesrats auf die Frage der WOZ. Gespräche mit Parlamentarier:innen zeigen aber, dass es rasch zu einer Neuauflage der Massnahmen kommen wird. Doch zuerst: Worum geht es nochmals?

Fairness und Know-how

Der Presserat ist das Selbstregulierungsorgan der Schweizer Medien im Dienste einer fairen Berichterstattung. Orientierung dafür bietet die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten». Betroffene können beim Presserat Beschwerde einreichen, falls sie der Meinung sind, in einem Beitrag sei gegen den Kodex verstossen worden. Medienschaffende wiederum können vor den Kammern des Presserats ihre Arbeit verteidigen. Dieses Jahr feierte die Erklärung der Pflichten und Rechte ihren 50. Geburtstag. «Wir hatten nur schon Mühe, das Geld für ein kleines Fest zusammenzukratzen», sagt Martina Fehr.

Die Finanznot des Presserats hat paradoxerweise mit seiner gestiegenen Bedeutung zu tun. Gab es früher rund 80 Beschwerden pro Jahr zu beurteilen, so waren es im vergangenen Jahr 159. Die Zahlen steigen seit fünf Jahren. Fehr erklärt sich den Anstieg mit der Digitalisierung der Medien, in der die Wahrung der Privatsphäre immer wichtiger wird: Das Internet vergisst nichts. Während der Coronapandemie hat sich die Zahl der Beschwerden noch weiter erhöht.

Martina Fehr kennt nicht nur die Situation des Presserats gut, sondern als Direktorin der Journalist:innenschule MAZ auch den Zustand der Aus- und Weiterbildung. Mit dem neuen Mediengesetz wären Kurse am MAZ oder seinem Westschweizer Pendant CFJM verbilligt worden. «Das Nein zum Gesetz stürzt uns zwar nicht in Finanznot. Aber es verbessert unsere Situation auch nicht», sagt Fehr. Und die ist alles andere als einfach: «Die Zahl der Studierenden hat in den letzten Jahren stark abgenommen. Immer weniger Verlagshäuser bieten Ausbildungsstellen an, und sie sind seltener bereit, die Ausbildung zu finanzieren.»

Rund 28 000 Franken kostet eine berufsbegleitende zweijährige Diplomausbildung am MAZ. Wegen der hohen Kosten treten immer weniger Studierende die Ausbildung an. Gerade für junge Erwachsene aus ärmeren und migrantischen Familien werde es so immer schwieriger, in den Journalismus einzusteigen, schrieben die Neuen Schweizer Medienmacher:innen NCHM* vor der Abstimmung. Der Verein setzt sich für eine bessere Repräsentation von Menschen mit Migrationsgeschichte im Journalismus ein.

Ein neuer Service public

Spricht man Jann Jenatsch, den publizistischen Leiter von Keystone-SDA, auf die Bedeutung der Nachrichtenagentur an, meint er: «Da braucht man bloss auf den Abstimmungssonntag zu blicken.» Die mehrsprachige Agentur stellte für viele Medien Abstimmungskarten und Kurznachrichten zur Verfügung, die sie aus Daten des Bundesamts für Statistik automatisch generiert. «Die grossen Medien haben dafür eigene Systeme, die kleineren sind auf unseren Service angewiesen.» Auf den Basisinformationen, die von Keystone-SDA geliefert werden, können sie ihre eigene Berichterstattung aufbauen. «Damit schaffen wir echte Vielfalt», sagt Jenatsch.

Auch Keystone-SDA befindet sich in einer schwierigen finanziellen Lage. Die Verlage, denen die frühere SDA gehörte, drückten zugunsten der eigenen Rendite Sparprogramme mit Entlassungen durch. 2018 kam es zu einem der grössten Streiks in der Schweizer Mediengeschichte. Noch im gleichen Jahr erfolgte die Fusion mit der Bildagentur Keystone. Die Eignerstruktur von Keystone-SDA ist bis heute kompliziert. Neben der österreichischen Nachrichtenagentur APA halten grosse Konzerne wie die TX Group, die NZZ-Gruppe und die SRG die grössten Anteile. Die Eigner sind auch Kunden der Agentur und bisweilen sogar ihre Konkurrenten. So haben «20 Minuten», die NZZ und CH-Media die Textnachrichten abbestellt und setzen auf eigene Tools.

Jann Jenatsch schwebt für die Zukunft eine Nachrichtenagentur vor, die als Service public verstanden und entsprechend organisiert wird. Sie soll einen multimedialen Service für möglichst viele Abnehmer:innen bieten. Die Organisationsform müsse mit allen Beteiligten diskutiert werden. Jenatsch ist es dabei ein Anliegen, dass die Agentur nicht in die SRG eingegliedert wird, sondern von dieser unabhängig bleibt. Der Staat übernimmt heute einen kleinen Prozentteil der Kosten von Keystone-SDA. Mit dem Medienpaket wäre es deutlich mehr geworden, der genaue Beitrag war noch nicht bestimmt. Falls es doch noch zu einer Förderung kommt, möchte Jenatsch aber auch in Zukunft den grösseren Teil der Einnahmen auf dem Markt verdienen: «Wir wollen nur Produkte anbieten, die auch gebraucht werden.»

Pult und Pfister dafür

Die Situation von Keystone-SDA, des Presserats und der Ausbildungsinstitutionen weist frappante Ähnlichkeiten auf. In den goldenen Jahren der Werbeerträge wurden sie von den grossen Verlagen mitgetragen, heute haben sie Finanzierungsschwierigkeiten. Im Parlament will man sie deshalb auch nach dem Nein vom Sonntag nicht im Regen stehen lassen. Im Gegensatz zur eigenen Bundesrätin will SP-Medienpolitiker Jon Pult vorwärtsmachen. «Der Teil mit den allgemeinen Massnahmen war im Abstimmungskampf so unbestritten, dass man ihn tel quel durch das Parlament bringen kann», ist er überzeugt. Pult will möglichst rasch auf eine Neuauflage hinwirken und Verbündete suchen.

Offen dafür zeigt sich einer der prominentesten Kritiker des Mediengesetzes, Mitte-Präsident Gerhard Pfister. Er hatte sich, anders als seine Partei, gegen die Vorlage gestellt. «Die Förderung der SDA, des Presserats und der Aus- und Weiterbildung ist für mich unbestritten, und ich werde sie im Parlament unterstützen», sagt Pfister. Ebenfalls für Bewegung sorgen könnte ein Postulat, das Jon Pult bereits im letzten Sommer durchs Parlament brachte: Dabei sollen mögliche künftige Organisationsformen der Nachrichtenagentur ausgelotet werden.

Auch bei Keystone-SDA will man sich weiter in die Diskussion einbringen. Jann Jenatsch: «Eine Gesetzesgrundlage für eine Nachrichtenagentur, wie sie im Paket vorgesehen war, würde Klarheit schaffen.» Martina Fehr will sich ebenfalls für die Rettung der allgemeinen Massnahmen einsetzen. Beim Presserat setze man vorerst auf Crowdfunding und einen Gönner:innenverein. Doch ohne die Politik gehe es in Zukunft nicht: «Sie muss jetzt möglichst schnell handeln.»