Durch den Monat mit Corina Schwingruber und Nikola Ilic (Teil 1): Was machen Sie, wenn Sie sich nicht einig sind?
Das Filmpaar Corina Schwingruber und Nikola Ilic pendelt zwischen Belgrad und Luzern, nimmt die Kinder auch mal mit zur Arbeit und freut sich über den Erfolg ihrer Filme.
WOZ: Corina Schwingruber, Nikola Ilic – Rio, Tokio, Venedig, über 240 Festivals wollten Ihren Kurzdokumentarfilm «All Inclusive» zeigen, es gab zahlreiche Preise. Auch die ersten Reaktionen auf Ihren Dokumentarfilm «Dida» sind vielversprechend. Wie wirkt sich dieser Erfolg auf Ihre Zukunftsplanung aus?
Corina Schwingruber: Natürlich ehrt es uns, und wir haben durch die Preise finanziell etwas Luft, werden international wahrgenommen, und Anfragen wie beispielsweise aus den USA und von Netflix motivieren sehr. Ich erinnere mich, als Nikola frisch in der Schweiz war, haben wir an der Bar der Solothurner Filmtage gearbeitet und uns vorgestellt, was für ein Wahnsinn das wäre, würden irgendwann unsere Filme hier laufen. Mit den Jahren und den Erfolgen sind nun die Ansprüche grösser geworden – nicht nur an uns selbst. Doch wir sind realistisch: So etwas wie «All Inclusive» ist einmalig und ein absoluter Zufall, das werden wir nicht wieder hinbekommen. Auch «Dida» wird kein Blockbuster werden, er ist ein Nischenfilm, der nicht ewig im Kino laufen wird.
Nikola Ilic: Aber das Wichtigste ist für uns sowieso, dass wir vom Filmemachen leben können. Und dass sich die Leute für die Geschichten interessieren, die wir erzählen. Nicht die Preise.
Die sind aber auch nicht schlecht …
Schwingruber: Natürlich. Vor allem sind sie toll, weil man eher wieder Budget für nächste Projekte bekommt. Normalerweise machen wir neben unseren eigenen Projekten Schnitt- und Kamerajobs bei anderen Filmen. Derzeit liegt das jedoch zeitlich nicht drin.
Sie arbeiten oft zusammen. Teilweise hat nur jemand von Ihnen den Lead, teilweise arbeiten Sie in Koregie. Wie teilen Sie das jeweils auf?
Ilic: Meistens bin ich für die Kamera, Corina für den Schnitt verantwortlich.
Schwingruber: Derzeit macht Nikola einen Kurzfilm. Da ist er Regisseur, und ich schneide. Er muss da selber Entscheidungen treffen. Bei meinem Kurzfilm übernimmt er dann die Kamera, und ich habe das Sagen. Übernehmen wir die Koregie, sind wir jeweils beide inhaltlich voll dabei. Wie bei einem aktuellen Projekt, das wir – wie bereits frühere Filme – wieder in Serbien realisieren.
Und wie gehen Sie vor, wenn Sie sich nicht einig werden?
Ilic: Natürlich kommen wir immer wieder an einen Punkt, an dem wir nicht mehr weiterkommen, da ich in die eine Richtung und Corina in die andere will. Aber anstatt uns zu streiten und unser Privatleben damit zu belasten, holen wir jemanden vom Team dazu, der oder die dann entscheidet.
Schwingruber: Wir «bröteln» ja nicht nur zu zweit an unseren Filmen herum. Da ist immer ein kleines Team dabei.
Sie leben mit zwei Kindern in der Schweiz und in Serbien und arbeiten in einer Branche, in der man oft unterwegs ist. Wie funktioniert das?
Schwingruber: Wir haben noch nicht lange Kinder – und kurz nachdem wir Eltern wurden, kam die Pandemie. Von daher wissen wir noch gar nicht genau, wie das alles funktionieren wird. Aber mein Vater reist sehr gerne und kommt zum Kinderhüten gerne ab und zu mit. Die Kinder sind eigentlich meistens dabei. Schliesslich gehören sie zum Leben jetzt dazu. Zudem passt es zu unserer Art, zu arbeiten. Wir wollen das echte Leben filmen, und da ergibt es Sinn, wenn dieses bei uns ebenfalls sichtbar ist. Zudem freuen sich die Leute – Kinder sind oft Türöffner.
Ilic: Dazu muss man aber sagen, dass da die kulturellen Unterschiede zwischen der Schweiz und Serbien riesig sind, was Kinder betrifft. In Serbien helfen die Leute bei Kindern automatisch. In der Schweiz sind sie viel zurückhaltender, und wenn man Hilfe will, muss man darum bitten.
Wie teilen Sie sich die Arbeit im Haushalt und bei der Kinderbetreuung auf?
Ilic: Fünfzig-fünfzig.
Schwingruber: Ich habe immer gesagt: Wenn ich Kinder bekommen sollte, möchte ich das fair aufteilen. Das leben wir auch – momentan abgesehen vom Stillen. Allerdings sind wir nicht nur zu zweit, meine Familie unterstützt uns bei der Kinderbetreuung. Die Kitas in der Schweiz sind zu teuer und nicht für Menschen wie uns, mit unregelmässigen Arbeitszeiten, angelegt.
Selbstausbeutung ist bei Kulturschaffenden oft ein Thema. Wie intensiv betreiben Sie diese?
Schwingruber: Teilweise schon intensiv. Aber wenn ich sehe, wie andere Leute leben oder wie in Belgrad Bekannte von uns zum Teil mit Scheissjobs kaum durchkommen, dann muss ich wirklich sagen: Unsere Selbstausbeutung ist geradezu luxuriös. Zudem haben wir ja die Möglichkeit, als Cutterin oder als Kameramann in anderen Projekten zu arbeiten, bei denen wir einiges besser verdienen als bei der Regie in eigenen Projekten. Es ist unsere freie Entscheidung, diese Arbeit zu machen. Ich könnte auch wieder als Lehrerin arbeiten und so mehr verdienen.
Ilic: Ich nehme das, was wir tun, nicht als Selbstausbeutung wahr. Wir leben sehr frei und haben viel mehr als das Nötigste.
Corina Schwingruber Ilic (40) ist Filmemacherin und Cutterin, Nikola Ilic (44) ist Filmemacher und Kameramann. Sie leben mit ihren zwei Töchtern in Luzern und Belgrad. «Dida» startet am 24. März in den Schweizer Kinos.