Kommentar zu den Zürcher Klimaabstimmungen: Da ist noch Potenzial

Nr. 20 –

Der Zuspruch bei den Zürcher Klimaabstimmungen ist erfreulich. Doch ihr Erfolg wird sich erst an der Umsetzung messen lassen.

Wars das mit dem Klimaschutzkater? Auf nationaler Ebene wird zwar immer noch das Scheitern der Totalrevision des CO₂-Gesetzes an der Urne vor rund einem Jahr verdaut und an einer nicht minder zahmen neuen Revision gebastelt. Doch inzwischen nehmen Kantone und Gemeinden vermehrt das Zepter in die Hand. Mit der Abstimmung vom Wochenende reiht sich nun auch Zürich in die Liste jener Kantone ein, die den Klimaschutz in ihrer Verfassung verankert haben, wie schon Bern, Genf oder Glarus.

Der Zuspruch für die Vorlage war überaus deutlich: 67 Prozent der Stimmenden sagten Ja. Und setzten nach der Annahme eines neuen Energiegesetzes im Herbst erneut ein Zeichen. Wie schon in Basel-Stadt oder Glarus ist auch in Zürich der Ersatz von Öl- und Gasheizungen durch fossile Heizsysteme verboten – ein riesiger Hebel für den Klimaschutz.

Der Erfolg der Klimaschutzartikel wird sich aber erst an dem messen lassen, was wirklich umgesetzt wird. Allein mit dem Festschreiben von Zielen ist noch nichts erreicht. Und in der Schweiz gibt es keine unabhängige Stelle, die die Einhaltung der Klimaziele kontrolliert. Immerhin darf – und muss – der demokratisch beschlossene Auftrag in den Kantonsverfassungen aber als Legitimation für kommende, auch tiefgreifendere Massnahmen verstanden werden.

Diverse Gemeinden und Städte haben sich bereits zu strengeren Klimastrategien verpflichtet als von Bund oder Kantonen vorgegeben. In der Stadt Zürich wurde ebenfalls am Wochenende das Netto-null-Ziel 2040 an der Urne verabschiedet – dies sogar mit 75 Prozent Ja-Stimmen. Auch dabei steht Zürich im Schweizer Vergleich nicht alleine da. Doch es stellt sich die Frage nach konsequenten, ambitionierten Massnahmen.

Gerade auf städtischer Ebene gibt es diverse unmittelbare und wirksame Möglichkeiten, deren Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist: Solaranlagen auf allen Dächern, besser isolierte Gebäude oder Heizen mit Fernwärme. In Kopenhagen etwa, der europäischen Vorreiterstadt in Sachen Klimaschutz, sind heute 98 Prozent aller Häuser an ein Fernwärmenetz angeschlossen. Zürich plant, bis 2040 ebenfalls mehr als die Hälfte der Gebäude an ein solches Netz anzuschliessen. Auch einschneidendere, politisch brisante Massnahmen werden aktuell im Stadtrat diskutiert, etwa ein teilweiser Baustopp.

Auch beim Ausbau der Velowege gibt es noch viel Luft nach oben, damit die Städte der Zukunft autofrei werden. Zürich kann allerdings nicht einfach Durchgangsstrassen sperren oder einen Spurenabbau beschliessen. Besonders stossend: 2016 hatte die Stimmbevölkerung den Gegenvorschlag zur «Anti-Stau-Initiative» der SVP angenommen. Das Resultat des von der Autolobby dominierten Abstimmungskampfs verankert bis heute die Ansprüche des motorisierten Privatverkehrs in der Kantonsverfassung und gilt von links bis weit in die Mitte als Bremsklotz für eine zukunftsorientierte Verkehrspolitik. Hier dürfte es aber bald spannend werden: Das extrem unzeitgemässe Gesetz steht nun im Widerspruch zum Klimaschutz, der neu in der Verfassung verankert ist.

Städte, Gemeinden und Kantone müssen mit mutigen Vorschlägen für das postfossile Zeitalter vorangehen und wichtige Pionierrollen übernehmen. Als reiche Stadt mit innovativen Hochschulen sollte Zürich bereits 2030 netto null erreichen, fordert etwa der Klimastreik. So oder so mangelt es auf nationaler Ebene weiterhin am politischen Willen. Denn nicht alle Klimaauswirkungen von Unternehmen und Bevölkerung können auf kommunaler Ebene gesteuert werden.

Gerade bei den sogenannten indirekten Emissionen, die beispielsweise durch die Produktion von Baumaterialien und Nahrungsmitteln oder den Flugverkehr verursacht werden, braucht es national einheitliche und verbindende Einschränkungen. Ganz zu schweigen von den Treibhausgasemissionen, die die Schweiz durch Importgüter und Dienstleistungen im Ausland verursacht. Diese sind allein fast doppelt so hoch wie die Emissionen im Inland.