Krankenkassenprämien: Wer zahlt die Entlastung?

Nr. 21 –

Eine Initiative der SP will die Versicherungskosten für untere und mittlere Einkommen senken. Nun hat sie eine erste Hürde genommen.

Eine Beschränkung auf maximal zehn Prozent des Haushaltseinkommens: Das Anliegen der Prämienentlastungsinitiative der SP ist dringender denn je. Denn für immer mehr Haushalte werden die Krankenkassenkosten untragbar, insbesondere für Familien, die knapp zu viel verdienen, um noch eine Reduktion zu erhalten. Ginge es nach der SP, soll die angestrebte Entlastung zu mindestens zwei Dritteln durch den Bund und zu höchstens einem Drittel durch die Kantone finanziert werden.

Am vergangenen Freitag stimmte die nationalrätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-NR) einem Gegenvorschlag zur Initiative zu: 16 der 25 Mitglieder einigten sich darauf, das Prämienverbilligungsvolumen zu erhöhen, indem die Ermässigungen für Bezüger:innen von Ergänzungsleistungen (EL) separat finanziert werden. Zuvor hatte das Initiativkomitee kritisiert, dass immer mehr Mittel der Prämienverbilligung für die EL-Bezüger:innen verwendet werden müssen.

Eine solche separate Finanzierung brächte eine Erhöhung des Ermässigungsvolumens um 2,6 Milliarden Franken. In der SGK-NR mehrheitsfähig war die Idee schliesslich mit dem Zusatz, dass die Kantone ihre Kosten für ausstehende Forderungen der Kassen an die Prämienverbilligungen anrechnen können – womit immer noch 2,2 Milliarden Franken mehr für die Verbilligung zur Verfügung stünden. Anfang April noch hatte die Kommission einen dahingehenden Kompromissvorschlag abgelehnt.

Hoffen auf Unterstützung

«Durch den Druck der Initiative und die weiter steigenden Prämien scheint die Mehrheit der Kommission das Problem nun aber ernst zu nehmen», sagt die St. Galler SP-Nationalrätin Barbara Gysi. «Damit haben sich die Chancen auf eine substanzielle Entlastung der unteren und mittleren Einkommen verbessert.» Die SP rechnet insbesondere auch mit der Unterstützung der Mitte-Partei, die die mangelnde Finanzierung durch die Kantone schon früher in einem Postulat aufgenommen hat. Handkehrum unterstützt die SP den Gegenvorschlag zu deren Kostenbremseinitiative (siehe WOZ Nr. 10/2022 ).

Verglichen mit den 3,2 bis 4 Milliarden Franken, die bei einer Annahme der SP-Initiative zusätzlich für Prämienverbilligungen zur Verfügung stünden, sind 2,2 Milliarden Franken zwar deutlich weniger – aber immer noch um ein Vielfaches mehr als die 490 Millionen Franken, die der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrats mit sich brächte.

Zwar sieht auch der Bundesrat ein Problem darin, dass mehrere Kantone ihren Anteil an der Finanzierung der Prämienverbilligung in den letzten Jahren gesenkt haben, wodurch mehr und mehr Versicherte übermässig belastet werden; zugleich aber stellt sich der Bund dagegen, dass er bei einer Annahme der Initiative bedeutend mehr Mittel als bisher zur Verfügung zu stellen hätte – und damit auch für Kosten aufkommen müsste, die von den Kantonen unter anderem über ihre Spitalplanung beeinflusst werden können. Ausserdem, so der Bundesrat, führte die SP-Initiative – solange die Prämien stärker als die Löhne steigen – rasch zu hohen Mehrkosten, worauf er entweder mit Steuererhöhungen oder Sparprogrammen reagieren müsste.

Überhaupt konzentriere sich die Initiative nur auf die Finanzierung, ohne auch an kostendämpfende Massnahmen zu denken. Der Bund schlägt stattdessen vor, den Kantonen einen «Anreiz zur Kostendämpfung» zu geben: Derweil der Bundesanteil an der Prämienverbilligung bei 7,5 Prozent der Bruttokosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung – der Grundversicherung – bleiben soll, soll der Mindestanteil der Kantone je nach verbleibender Prämienbelastung 5 bis 7,5 Prozent der jeweiligen Bruttokosten betragen.

Klare Vorgaben für die Kantone

Für Barbara Gysi ist indes klar: «Um die Prämienlast zu verringern, reicht es nicht, dass die Kantone ihren Anteil am Kostenbeitrag erhöhen. Wir müssen auch den Bund stärker in die Pflicht nehmen.»

Mitentscheidend im weiteren Verlauf der Debatte dürfte dabei auch die Diskussion rund um die Kostenbremseinitiative der Mitte-Partei sein. 2019 hatte der Bundesrat eine Botschaft zur Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) betreffend ein erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung verabschiedet. Im August 2020 gab er ein zweites Paket als Gegenvorschlag zur Initiative der Mitte-Partei in die Vernehmlassung. Am kommenden Mittwoch wird die zuständige Kommission des Nationalrats auch dazu Stellung beziehen.

Mitte Juni dann kommt es im Nationalrat erstmals zur Diskussion über die Prämienentlastungsinitiative der SP. Das Signal aus der vorberatenden Kommission ist klar: Der Bund muss mehr zahlen – und die Kantone sollen eine klare Vorgabe erhalten. Eine ähnliche Botschaft dürfte sich auch im Ständerat abzeichnen.

Einen Vorgeschmack darauf gab die Konferenz der Gesundheitsdirektor:innen in ihrer Antwort auf den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrats: «Die Kantone erachten die Verantwortung für die Kostendämpfung wie auch für die Abfederung der Prämienlast als eine geteilte Verantwortung von Bund und Kantonen. Dass sich der Bund im indirekten Gegenvorschlag vollständig aus der Verantwortung zieht, kann nicht nachvollzogen werden.»