Kunst und Wissenschaft: Von Knollen und Menschen

Nr. 27 –

Ohnmacht gegenüber der globalen Umweltkrise kann leicht aufkommen. Wie im Kleinen komplexe Fragen kreativ und spielerisch angegangen werden können, zeigt ein Projekt in Arosa.

Bettina Tschuor pflegt Kartoffel-Pflanzen in grossen Töpfen des Arvae-Experiment auf dem Dorfplatz von Arosa
Bettina Tschuor pflegt die Kartoffeln auf dem Dorfplatz: Das Arvae-Experiment soll Bewohner:innen und Tourist:innen für nachhaltige Lebensmittelproduktion sensibilisieren. Foto: Veit Fritz

Wenn Wissenschaft und Kunst zusammenspannen, weckt das oft die Erwartung, dass dabei Herausragendes entsteht. Auf den Strassen von Arosa zeigte sich das fast fertige Ergebnis einer solchen Kollaboration zunächst noch in Form von schlichten schwarzen Plastikkübeln, die einzig durch ihr Volumen ins Auge stechen. Eine Dreiergruppe dieser ominösen Behältnisse hat sich zu Holzkisten mit Geranien auf dem Buswendeplatz vor dem Schwimmbad gesellt. Aus trockener brauner Erde strecken kleine Pflänzchen ihre Blätter in die Sonne und trotzen der Hitze.

«Wir haben schon vom Kartoffelprojekt gehört», sagt eine Anwohnerin, die aus ihrem anliegenden Garten den Vorplatz betritt, «aber die grossen schwarzen Töpfe finden wir ein bisschen hässlich.» – «Mal abwarten, was daraus noch wird», meint sie. Sie sei etwas skeptisch, was deren Inhalt angehe: Kartoffeln seien in ihrem Garten nie so richtig gut gewachsen. Während die Pflanzen in tieferen Lagen im Juni bereits stattliche Grösse erreicht und geblüht haben, sind sie hier auf knapp 1800 Metern über Meer tatsächlich noch vergleichsweise klein.

Potenzial in der Höhe

Die grossen Töpfe, die nun im ganzen Dorf anzutreffen sind, seien Gesprächsthema Nummer eins, sagt die Landschaftsarchitektin Violeta Burckhardt. Sie ist angereist, um die Töpfe etwas attraktiver zu gestalten. Burckhardt ist Teil des Kollektivs Arvae, das sich gemäss eigenen Angaben mit «neuen Perspektiven zur Bewältigung der Umweltkrise» beschäftigt. Die Kartoffeltöpfe sind das unübersehbare Herzstück von einem der zwei Projekte, an denen Arvae während eines Jahres gearbeitet hat. Die Vision der Koleiterinnen Alexandra Müller-Crepon und Tara Lasrado: Immer wieder neu zusammengesetzte Gruppen nehmen sich transdisziplinär verschiedener Regionen und der damit verbundenen lokalen Umweltprobleme an. Für den Erstversuch, das «Kollektiv Arosa», haben die beiden Initiantinnen ein Dutzend Wissenschaftler:innen, Künstler:innen sowie lokale Expert:innen zusammengebracht, um gemeinsam an Lösungen für drängende ökologische Herausforderungen vor Ort zu tüfteln.

«Kartoffeln auf dieser Höhe sind kein Problem», sagt Patrice de Werra. In den Anden von Peru und Bolivien, da wo die Kartoffel ursprünglich herkommt, gedeihe sie in noch höheren Lagen. Natürlich sei der Ertrag etwas geringer, aber es gehe ja nicht darum, im industriellen Stil Kartoffeln zu ziehen. Der Biologe hat Arvae mit Kartoffelknollen zur Aussaat unterstützt: In den Töpfen gedeiht «Weltwunder», eine in hohen Lagen geschätzte Sorte, die bei Pro Specie Rara beliebte Sorte «Parli», die gerne für das Bündner Gericht Maluns verwendet wird, oder die «Acht-Wochen-Nüdeli». Der Biologe hat für das Kartoffelprojekt bekannte und weniger bekannte Sorten aus einem Versuchsfeld oberhalb Arosas zusammengestellt. «Nur die mit schönem Namen», wie er sagt. Oben auf dem Hochplateau Maran kümmert er sich für Agroscope, das Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, um zu erhaltende Kartoffelsorten.

Denn das Gute an der Höhenluft: Hier oben gibt es fast keine Kartoffelschädlinge wie etwa Blattläuse, die das sogenannte Mosaikvirus auf die Pflanzen übertragen können, das wiederum an die Jungknollen weitergegeben wird. Um Saatgut verschiedener Erdäpfelsorten über Generationen frei von Pflanzenkrankheiten zu erhalten, werden im Maraner Versuchsgarten seit den 1930er Jahren Kartoffeln gehalten. «Während es bei uns etwa hundert Sorten gibt», sagt de Werra, «hat in den Anden nur schon fast jedes Dorf zehn eigene Kartoffelsorten.» In den südamerikanischen Bergen wurde die nahrhafte Knolle bereits vor 9000 Jahren angebaut, während ihre Geschichte hierzulande, wo sie Ende des 16. Jahrhunderts vorerst als Zierpflanze eingeführt wurde, vergleichsweise jung ist.

Essen aus Klärschlamm

Zusätzlich zu den Kartoffeln will das Kollektiv auch Pilze kultivieren, und zwar auf Aroser Klärschlamm. «Etwas überspitzt gesagt, wollten wir schauen, ob sich aus dem menschlichen Abfall wieder etwas Verwertbares machen lässt», sagt Kollektivmitglied Mark Anthony. Für den Ökologen und Pilzspezialisten von der ETH ist der Mensch ein Bindeglied in unseren Ernährungssystemen, das Unmengen an meist ungenutztem Abfall verursacht. Sind die Pilze aus diesem ungewöhnlichen Versuch tatsächlich geniessbar?

Anthony wartet aktuell auf die Laboranalyse bezüglich der Schwermetalle. Diese können in Klärschlamm in hohen Mengen vorkommen und könnten den darauf wachsenden Pilz ungeniessbar machen. In ihrem Experiment benutzen die Arvae-Teilnehmenden allerdings lediglich ein sterilisiertes Extrakt aus der Abwasseranlage, das nur niedrige Schwermetallkonzentrationen aufweist. Die Pilze zieht Anthony auf Stroh, das mit dem Extrakt durchtränkt wird. Die Pilze liebten die Aroser Klärmischung regelrecht, sagt der Mykologe. «In der Petrischale sind sie zum Klärschlamm hingewandert und haben ihn im Nu überwachsen», hat er beobachtet. «Würden sie ihn nicht mögen, könnten die Fadennetze der Pilze regelrechte Barrieren aufbauen, um sich zu schützen.» Das hätten sie aber kein einziges Mal beobachtet. Anthony glaubt, dass die Pilze mit hoher Wahrscheinlichkeit essbar sein werden.

«Die drängendsten Fragen zur Umweltkrise» will Arvae gemäss eigenen Angaben mit seinen Projekten angehen. Gerade im Alpenraum birgt die Klimaerhitzung diverse Probleme für Mensch und Umwelt: etwa tauender Permafrost und abschmelzende Eisflächen, die Fels- und Bergstürze begünstigen; Wälder, deren Ökosysteme und Schutzfunktion für den Menschen durch Trockenheit bedroht sind; oder hochalpine, einzigartige Lebensräume, deren seltene Arten unter Druck stehen. Können die Versuche einer auf Klärschlamm gezüchteten Pilzplantage oder eines kollektiven Kartoffelgartens dafür Lösungsansätze liefern?

An den ersten Arvae-Treffen hätten er und die mexikanische Künstlerin Paloma Ayala viel über soziale Gerechtigkeit und Kolonialismus nachgedacht, erzählt Anthony. Kolonialismus habe mit der globalen Verbreitung von Pflanzen zu tun, aber auch mit der im heutigen Umweltschutz verbreiteten Denkweise: «Die Mainstreamumweltbewegung zieht ihre Logik direkt aus dem Kapitalismus: dass Kapitalwachstum und Entwicklung mit Nachhaltigkeit vereinbar wären», sagt Anthony. «Das ist aber fundamental falsch, weil das so nicht funktionieren wird.» Die Lebensmittelproduktion sei eines der Systeme, wo dieser Widerspruch besonders deutlich werde: Lebensmittel werden oft ineffizient, nicht nachhaltig und mit riesigem ökologischem Fussabdruck hergestellt. Dabei entstünden gigantische Abfallberge, die ihrerseits keine weitere Verwendung fänden.

«Eigentlich fände ich das super»

In Arosa wird dieses Thema zusätzlich von einem weiteren Aspekt geprägt: der saisonal schwankenden Nachfrage in einer abgelegenen Tourismusdestination. Vier Jahre lang hat die Bündnerin Bettina Tschuor, auch Arvae-Mitglied, in der Aroser Gastrobranche gewirkt. Sie hat direkt miterlebt, wie in der Hochsaison für die Tourist:innen tonnenweise Lebensmittel ins abgelegene Dorf gekarrt werden müssen. «Das hat mir schon zu denken gegeben», sagt Tschuor.

Könnte Arvae hier konkret Abhilfe schaffen? Die gezüchteten Pilze könnten etwa als nachhaltige, lokale Alternative zu Früchten und Gemüse von weit her angeboten werden. «Eigentlich fände ich das super», sagt Anthony. Allerdings müsse man sich fragen, wie sehr das Projekt aufskaliert werden solle. Theoretisch wäre das möglich: Bereits heute gibt es riesige Pilzkulturen in meterhohen Tanks, etwa zur Herstellung des Fleischersatzes Quorn. Zuerst jedoch müsse eben Schritt für Schritt herausgefunden werden, ob Pilze erfolgreich auf menschlichem Abfall wachsen würden und ob sie essbar seien; erst dann könne man sich fragen, ob man das im grossen Stil machen wolle. Aber ob ein solches System in seiner Gesamtheit nachhaltig sei und kulturell als Nahrungsquelle akzeptiert würde, müsse sich erst noch zeigen. So sollen die spielerischen Kartoffel- und Pilzprojekte denn auch eher Denkanstösse zu unseren Nahrungssystemen statt konkrete Lösungsansätze liefern.

Zugang durch Geschichten

Bei einem Rundgang zu den einzelnen Standorten lockert Tschuor jeweils die eingetrocknete Erde in den Kartoffeltöpfen. Die Leute auf der Strasse grüssen sie. «Hier kennen sich halt alle», sagt sie. In einem Geländewagen fährt der Dorfgärtner vor, er steigt aus und leiht Tschuor eine praktische Gartenkralle zum Auflockern der von ihm gelieferten Erde.

An einem der Töpfe, die noch verschönert werden sollen, macht sich Landschaftsarchitektin Violeta Burckhardt zu schaffen. Als ein Polizist vorbeikommt, erzählt sie ihm von den Kartoffeln und vom Gemeinschaftsgarten, der aus dem Projekt entstehen soll. Dass die Kartoffel aus Südamerika stammt, wie Burckhardt erklärt, habe er nicht gewusst, sagt der Beamte. Er sei Vegetarier und liebe Rösti. Die zwei lachen. Schliesslich versucht er, einen Pensionär, der um die Ecke wohnt, zu überzeugen, eine Patenschaft für die Pflanzen zu übernehmen und sie an heissen Tagen zu giessen.

Wie sich im Verlauf des Tages zeigt, wecken die Töpfe Neugier, und so gut wie jede und jeder im Dorf hat etwas über Kartoffeln zu erzählen. In Arosa rankt sich denn auch ein Mythos um die Knollen: Anekdoten zufolge seien Aroser Bauernfamilien in Zeiten von Hungersnöten gezwungen gewesen, Teile ihres Landes an grössere Gemeinden wie Chur abzugeben, um im Gegenzug an Kartoffeln und andere Lebensmittel zu kommen. Ganz so habe es sich damals wohl nicht zugetragen, sagt Müller-Crepon vom Arvae-Leitungsteam, die der Sache nachforschte. Doch einige Grundstücke auf dem politischen Gebiet Arosas befinden sich bis heute im Besitz der Bürgergemeinde Chur. Diese Tatsache stiess bei den Kollektivmitgliedern auf Resonanz.

Dass Aspekte der sozialen Gerechtigkeit, des Kolonialismus und der Migration mit Ernährungssystemen und Klimakrise gemeinsam gedacht wurden, war vielleicht auch der internationalen Zusammensetzung des Aroser Kollektivs zu verdanken. Oft diskutiert wurde, dass die Kartoffel hierzulande einst als ein die lokale Pflanzenwelt gefährdender, für Menschen giftiger Eindringling galt, heute aber etwa als Rösti- oder Raclettezutat als Schweizer Kulturpflanze gefeiert wird. Die Kartoffel soll im abgelegenen Schanfigg, wo zuhinterst im Tal Arosa liegt, früher sogar im Geheimen gezüchtet worden sein. Und so spannt Burckhardt, die in Mexiko-Stadt aufgewachsen ist, im Gespräch auch mal einen Bogen von der Kartoffel zu ihrer eigenen Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz, die an befristete universitäre Anstellungsverträge geknüpft ist und aktuell wieder abzulaufen droht. Doch es geht ihr um einen grösseren Zusammenhang, um die sprachlichen Parallelen vom kolonialistischen Denken im Bezug auf Menschen und Pflanzen: Ab wann gelten diese als heimisch? Da ist der Werdegang der zunächst als «invasiv» bezeichneten, verbotenen Kartoffelpflanze, deren Knolle nun Tourist:innen als «typisch schweizerisch» serviert wird – in der Tat ein zugängliches Beispiel fernab von post- und dekolonialen Fachbegriffen, das an diesem sonnigen Samstag auf Arosas Strassen auf offene Ohren stösst.

Das Problem der Nachhaltigkeit

In Gesprächen mit den einzelnen Kollektivmitgliedern fallen zwei Wörter des Öfteren: die «Kultivierung» im Sinne eines geduldigen, längerfristigen Sorgetragens sowie eine «Reskalierung», die im Lauf des gemeinsamen Arbeitsprozesses immer wieder notwendig gewesen sei, um von utopischen Ideen zu einer Umsetzung zu gelangen. Wie so oft setzen Zeit und Geld die Limits. Und die Frage der Langlebigkeit der Initiative drängt sich auch bei diesem Projekt auf, nicht zuletzt durch den Anspruch von Arvae, neue Perspektiven zur Nachhaltigkeit aufzuzeigen. Die Frage, wie nachhaltig der eigene Ansatz ist, der vorsieht, dass sich immer wieder neu zusammengestellte Kollektive einer anderen Lokalität annehmen, hat denn auch die Initiant:innen umgetrieben. Daraus wollen sie für zukünftige Ausgaben lernen, indem sie vielleicht doch, anders als ursprünglich gedacht, mit weiteren Kollektiven in Arosa tätig bleiben.

Der projektorientierte Charakter ist jedoch auch symptomatisch für die Anreize, die durch das Schweizer Fördersystem strukturell bedingt sind: Unterstützungsbeiträge für die Fortführung einer bereits angelaufenen Sache lassen sich im Non-Profit- und Kulturbereich generell wesentlich schwieriger auftreiben als Gelder für noch neuere und noch innovativere Pilotprojekte.

Ob und wie das Kartoffelprojekt längerfristig vor Ort aufrechterhalten werden könnte, ist noch offen. Darin spiegelt sich zugleich das für Arvae übliche Vorgehen und Ausprobieren in kleinen Schritten wider. Violeta Burckhardt hofft, dank des Austauschs während der laufenden Ausstellung sowie auf dem Erntedankfest im Herbst einige Aroser:innen dafür zu begeistern, sich künftig für das Projekt zu engagieren. Für die Landschaftsarchitektin ist die Beschäftigung mit den Kartoffeln jedenfalls zu einem Herzensprojekt geworden, das sie gerne weiterverfolgen möchte.

Emissionsarme «Web-Permakultur»

Mittlerweile umspannen Juteschnüre die Kartoffeltöpfe – sie sind eine Anleihe bei den Säcken aus demselben Material, in denen Kartoffeln in vielen Haushalten aufbewahrt werden. In Arosa lagert man sie in der «Schpensa», einem Lebensmittelspeicher. Dieser ist Namensgeber für ein von der Projektgruppe angelegtes Onlinesammelsurium. Es will sowohl Gedanken zur Kultivierung des Bodens als auch zu unserer Onlinepräsenz anregen. QR-Codes an den Kartoffeltöpfen führen zu Beiträgen über Historisches zur Kartoffel und zu den Farben, Formen und Geschmäckern verschiedener Sorten – etwa in Interviews mit Bäuer:innen, Kartoffelrezepten oder Essays von Künstler:innen und Wissenschaftler:innen. Das Schpensa-Archiv wurde massgeblich von der Künstlerin und Forscherin Anne-Laure Franchette konzipiert und gemeinsam mit der Grafikdesignerin und Programmiererin Sarah Garcin weiterentwickelt.

Bei einem Besuch in Franchettes Zürcher Atelier überraschen überquellende Bücherregale – nur im hinteren Teil befinden sich Arbeiten aus Bestandteilen von Pflanzen, die sie etwa in Harz giesst oder in experimentellen Drucktechniken verewigt. Franchette schafft offensichtlich nicht nur Kunstwerke in Objektform, sie arbeitet auch kuratorisch und als Herausgeberin.

Für das Kartoffelprojekt verantwortet sie die Publikation im Onlineformat und die Webinfrastruktur. Sie folgte dabei den Grundsätzen der «Web-Permakultur»: Das Publikationsmedium für das Kartoffelprojekt sollte möglichst nachhaltig sein, was die Gruppe ausführlich diskutiert hat. Ein simpler Aufbau der Website mit leichten Bilddateien, Hosting in der Schweiz sowie Verzicht auf Datentracking sorgen dafür, dass das Schpensa-Archiv so emissionsarm wie nur möglich betrieben werden kann. Spielerisch übersetzt bedeutet dies etwa: Die Website verursacht jährlich so viele Emissionen wie die Produktion von sechs Kartoffeln. Diese Information erhält, wer mit dem Mauszeiger über ein kleines Pommes-frites-Icon fährt. Der Energieverbrauch der Website wird anschaulich verdeutlicht. Ein kleines, verstecktes Detail nur, das dennoch ziemlich gut repräsentiert, was Arvae schafft: sich im Kleinen der Auswirkungen des eigenen Tuns bewusst werden.

Die Arvae-Projekte lassen sich weder eindeutig als Kunst noch als Wissenschaft identifizieren. Als Ersteres versucht es sich schlichtweg gar nicht erst aufzudrängen, für Zweiteres fehlt ein wissenschaftlicher Ansatz zu Versuchsaufbau und Auswertung. Es scheint so, als hätten sich die Teilnehmenden irgendwo zwischen ihren verschiedenen Disziplinen gefunden. Interessanterweise ist von beteiligten Naturwissenschaftler:innen wie auch Künstler:innen zu hören, sie hätten die jeweils grösseren Kompromisse in ihren herkömmlichen Arbeitsweisen gemacht und sich stärker den anderen Feldern angepasst. Haben sich die beiden Bereiche also gegenseitig vereinnahmt? Entstehen dadurch vielleicht neue Qualitäten der Zusammenarbeit, oder werden Fähigkeiten verwässert? Ist die klare Klassifizierung schlichtweg nicht mehr zeitgemäss? Entsteht am Ende gar eine neue Disziplin?

Petrischale mit dem Pilz Hericium erinaceus
Löwenmähne, Igel-Stachelbart oder auch Affenkopfpilz genannt: Hericium erinaceus wächst auf einem aus Klärschlamm gewonnenen Substrat. Foto: Roman Ernst

Wie Arvae zeigt, kann ein sinnlicher und haptischer Zugang, verbunden mit persönlichen und globalen Geschichten, dem Verstehen und dem Nachvollziehen komplexer Zusammenhänge wie der Klimakrise helfen. Und dass die Kartoffeln in Töpfen wachsen, die im Ortsbild für etwas Reibung sorgen, hat einen durchwegs praktischen Grund und ist dem Budget geschuldet: Die Gemeinde Arosa hat sie Arvae zur Verfügung gestellt. Bisher beschwerten die Behältnisse Zelte an der Rennsportveranstaltung Classic Car. Bepflanzt und mitten auf die Strasse gestellt, sollen sie die Autos nun entschleunigen.

Rund ums Essen

Unter dem Titel «Neue Perspektiven zur Nachhaltigkeit» präsentiert das Arvae-Kollektiv im «Arosa Natur Labor» zwei Projekte: «Schpensa. Ein wachsendes Archiv für die Kartoffel als Kulturpflanze» sowie «Essen ist menschlich. (Re-)Imagination der Interdependenzen zwischen Mensch und Pilzen».

Zu sehen ist die Ausstellung bis am 13. August, die Kartoffeln im Dorfgarten bis zur Ernte. Zusätzlich zum Projekt vor Ort gibt es ein Onlinekartoffelarchiv, das zugänglich ist unter: schpensa.ch . Weitere Infos unter: arvae.ch .