Stadtentwicklung: Wer verdrängt hier wen?

Nr. 32 –

«Expats verdrängen unteren Mittelstand», titelte der «Tages-Anzeiger» in der Montagsausgabe auf der Front. Im dazugehörigen Text stützte er sich auf bisher unveröffentlichte Daten des Steueramts der Stadt Zürich: Deutlich geschrumpft ist in der Stadt Zürich demnach der Anteil jener, die weniger als 60 000 Franken versteuern, klar gestiegen dagegen der Teil jener, deren steuerbares Einkommen zwischen 60 000 und 150 000 Franken liegt. Noch steiler gewachsen ist laut den Daten der Anteil der Grossverdiener:innen mit Einkommen von über 150 000 Franken: Waren es 2002 noch rund 9300 Personen, so waren es 2018 bereits über 19 000.

Wie sich die Bevölkerungsstruktur seither entwickelt, lässt sich nicht mit Zahlen untermauern. Dass inzwischen noch mehr ärmere Menschen verdrängt wurden, ist jedoch augenscheinlich. Der sich ungehemmt breitmachende Reichtum spiegelt sich in der Stadt in glitzernden Fassaden: immer mehr teuer sanierte Häuser, pompöse Neubauten, schicke Cafés, edle Spezialitätengeschäfte – und kostbar gewandete Menschen in protzigen Autos.

Doch sind es tatsächlich nur Expats, die den unteren Mittelstand verdrängen, wie es der «Tagi» schlagzeilt – und damit, ob bewusst oder halbbewusst, gewisse Ressentiments bedient? Nicht der Wirklichkeit entspricht das zum Beispiel in einstigen Arbeiter:innenquartieren wie den Kreisen 3 oder 4, wo der durchschnittliche Mietpreis steigt und steigt – der Ausländer:innenanteil aber sinkt. Hier sind es also nicht primär hochqualifizierte Ausländer:innen, die weniger gut Verdienende vertreiben, sondern vor allem Schweizer Akademiker:innen.

Die «Tagi»-Schlagzeile hätte also auch lauten können: «Schweizer Akademiker:innen verdrängen Ausländer:innen». Neben der Tatsache, dass der Anteil der Menschen aus Ländern wie Frankreich oder den USA deutlich gestiegen ist, lässt sich aus den Daten nämlich ebenso herauslesen, dass die Zahl der in der Stadt lebenden Tamilen, Portugiesinnen oder Bosnier markant gesunken ist.