Durch den Monat mit Nina Zimmer (Teil 4): Warum müssen Sie umbauen?

Nr. 34 –

Wer wird sich 2042 in einem klimaveränderten Bern noch für einen Cézanne im Goldrahmen interessieren? Nina Zimmer über zukünftige Museumsbesucher:innen, die anstehende Sanierung und die Frage, ob Bern gentrifizierungsresistenter ist als Zürich.

Nina Zimmer mit verschränkten Armen
Nina Zimmer: «Der Erweiterungsbau aus den Achtzigern ist an seinem Lebensende. Nun wollen wir das Museum zum Aarehang hin öffnen, der heute ja gar nicht zugänglich ist.»

WOZ: Frau Zimmer, wir haben letzte Woche über Gurlitt gesprochen und darüber, dass es für die Museen immer wichtiger wird, nicht nur die Bilder adäquat auszustellen, sondern auch deren Geschichte.
Nina Zimmer: Die Frage ist: Welche Institutionen bauen wir für unsere tradierte europäische Kunstgeschichte? Wir leben in einer Welt, in der diese Tradition nur noch eine Idee unter anderen ist. Wir können die Betrachtungshaltung, die für diese und mit dieser Kunst erfunden wurde, jedoch nicht auf ewig fortschreiben.

Das heisst?
Wenn wir wirklich für zukünftige Gesellschaften als Museum relevant sein wollen, dann müssen wir Antworten auf die Frage haben, wie zum Beispiel ein Cézanne im Goldrahmen Wirkung entfalten und Bedeutung haben kann – und zwar mit allen Diskursen, die da dranhängen – für jemanden, der in zwanzig Jahren fünfzehn Jahre alt ist und vor diesem Bild steht. Was hilft diesem Menschen, wenn er mit diesem Kunstwerk in Berührung kommt, um sich in seiner Gesellschaft, in seinem Leben, in einem klimaveränderten Bern 2042 zu orientieren und ein identitätsstiftendes Erlebnis zu haben?

Nun werden Sie Ihre beiden Häuser bald auch ganz konkret ausbauen beziehungsweise sanieren. Was steht an?
Nach siebzehn Jahren Betrieb müssen beim Zentrum Paul Klee erste Instandsetzungsmassnahmen ergriffen werden, das werden wir bei laufendem Betrieb machen. Die grössere Herausforderung ist im Kunstmuseum Bern zu erwarten, weil hier beide Gebäudeteile saniert beziehungsweise ein Gebäude ersetzt werden muss und wir für den Umbau den Betrieb vorübergehend einstellen müssen.

Für wie lange?
Voraussichtlich für drei Jahre. Aber wir werden einen Sonderbetrieb an externen Orten aufrechterhalten.

Warum müssen Sie umbauen?
Der Erweiterungsbau aus den Achtzigern ist an seinem Lebensende. Bestimmte Grundstrukturen wie die Anlieferung sind nicht mehr international anschlussfähig. Und wenn wir nun einfach diese technischen Anlagen sanieren, was zwingend ist, dann würde das auch vierzig Millionen Franken kosten, und wir wären noch immer nicht zukunftsfähig. Deshalb möchten wir besser gleich etwas Richtiges machen anstatt einer Pflästerlipolitik.

Besteht bei einem so grossen Umbauprojekt nicht auch die Gefahr, dass man als Museum für die Aufwertung der Städte und fürs Standortmarketing instrumentalisiert wird?
Sie meinen die Gentrifizierung? Dass nun auch Kultureinrichtungen als Zeichen der Aufwertung der Städte gedacht werden, ist ja keine schlechte Entwicklung. Wichtig ist, dass wir uns als Kultureinrichtungen noch weiter öffnen und Zugänge für die verschiedensten Bevölkerungsgruppen schaffen. Dazu gehört auch, dass die Stadt auf unser Projekt hin plant, den Aarehang zu erschliessen, damit wir das Museum zu dieser Grünfläche hin öffnen können, die heute ja gar nicht zugänglich ist.

Muss man dafür dann auch ein Ticket kaufen?
Nein. Wir wollen auch nichtkommerzielle Aufenthaltszonen in unserem Ersatzneubau, die man ohne Ticket nutzen kann. Ein Museum sollte immer auch ein öffentlicher Raum sein. Auch das Fixerstübli in der Hodlerstrasse bleibt. Und wir bleiben mit dem Kunstmuseum zwischen Bundeshaus und Reithalle, Bahnhof und Migros Marktgasse. An diesem vielfältig geprägten Stück Bern wird sich nichts ändern.

Ist Bern gegenüber Aufwertungsfantasien womöglich resilienter als etwa Zürich?
Uns geht es in erster Linie um eine qualitative Verbesserung des Museums. Eine richtig grosse Erweiterung ist gar nicht möglich. Auch unsere Betriebskosten können wir nicht einfach ausweiten. Man muss ja ein Museum nicht nur bauen, sondern auch kühlen, heizen, bewachen, putzen, mit Programm, Publikum und Personal zum Leben erwecken. Jeder zusätzliche Quadratmeter braucht eine vielfältige Aktivierung, damit es ein sinnvoller Quadratmeter ist.

Die Finanzierung der Erweiterung ist nur halb öffentlich. Ergibt sich daraus eine Abhängigkeit von Privaten, in diesem Fall vom Unternehmer und Mäzen Hans-Jörg Wyss?
Herrn Wyss war es vor allem wichtig, auch die Stadt in die Pflicht zu nehmen. Dass die Strassensituation und die Ausfahrt Metro-Parking evaluiert werden. Da sind wir nur mittelbar beteiligt: Weder gehört uns die Strasse, noch können wir das Metro-Parking einfach ändern. Aber wir sind froh und dankbar, dass die Stadt Bern in Zusammenhang mit einem bereits lange bestehenden Projekt zur Sanierung der Plätze der oberen Altstadt die Situation nun gesamthaft lösen will. Das ist alles andere als selbstverständlich.

Was ist Ihre Rolle in diesen Verhandlungen?
Wie bei vielen Themen, über die wir sprachen, kann ich sagen: Mein Job ist Komplexitätsreduktion und Vermittlung. Aus unterschiedlichen Perspektiven zu Entscheiden zu kommen, die möglichst viele tragen können.

Nina Zimmer (49) leitet seit 2016 das Kunstmuseum Bern und das Zentrum Paul Klee. Ab 3. September 2022 ist dort die Ausstellung «Paul Klee. Vom Rausch der Technik» zu sehen.