Die Migros und Socar: Duttweiler und der Profit
Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler gilt als einer der Pioniere der sozialen Marktwirtschaft. Seine Hauptforderung: Der Kapitalismus müsse vom reinen Profitdenken befreit werden.
In seinem Leitbild beschwört der grösste Schweizer Detailhändler die Werte, die Duttweiler dem Unternehmen eingepflanzt hat. «In der modernen Welt wird der Erfolg jenen gehören, die es verstehen, um ihre Unternehmen herum eine Ideenwelt aufzubauen», zitiert die Migros ihren Gründervater. Und schreibt weiter: Die Unternehmensphilosophie des «verantwortungsvollen und nachhaltigen Handelns» werde «in allen Unternehmen der Migros-Gruppe tagtäglich gelebt».
Seit 2012 arbeitet die Migros-Tochter Migrolino mit Socar zusammen, dem staatlichen Energiekonzern Aserbaidschans. An über sechzig Socar-Tankstellen in der Schweiz betreibt Migrolino einen Shop. Zwar stehen alle Ölgiganten für dreckige Geschäfte – auch Shell, mit der die Migros ebenfalls kooperiert. Doch der aserbaidschanische Rohstoffgigant ist nicht nur das gemäss der NGO Transparency International korrupteste Ölunternehmen der Welt. Dessen Gewinn fliesst auch direkt zum Staatspräsidenten Ilham Alijew, der mit eiserner Faust herrscht, Oppositionelle verfolgt und seit Wiederaufflammen des Krieges gegen Armenien den Konflikt mit nationalistischer Rhetorik anheizt.
Kritik an der Kooperation wird nicht zum ersten Mal laut, doch mit dem Konflikt um Bergkarabach erhält sie neuen Schub: Mit einer Petition fordert derzeit ein breites Bündnis aus NGOs und Politiker:innen die Migros auf, die Kooperation zu beenden. Doch mit Werten muss man der Migros in diesen Tagen nicht kommen: Man orientiere sich am Bundesrat. Und dieser habe gegen Aserbaidschan keine Sanktionen erlassen, liess der Konzern lapidar verlauten.
Die reine Profitgier lässt sich im Kapitalismus schwer überwinden. Doch würde Gottlieb Duttweiler noch leben, er hielte wohl nicht viel vom Statement der Migros.