Sicherheitspolitik: Bewaffnet in die Klimakatastrophe

Nr. 47 –

Steigende Militärausgaben sind ein gravierendes Problem – gerade auch für das Klima. In der Schweiz wird dieser Zusammenhang von der bürgerlich dominierten Politik sträflich ignoriert.

Die reichsten Länder der Welt, darunter die Schweiz, geben dreissigmal so viel für ihre Streitkräfte aus wie für Klimahilfen zugunsten von Ländern im Globalen Süden, die am stärksten von den Folgen der Klimaerhitzung betroffen sind. Das stellt eine aktuelle Studie des Transnational Institute (TNI) fest, eines global vernetzten und bewegungsnahen Thinktanks. Weiter gehen Schätzungen davon aus, dass der globale militärisch-industrielle Komplex (Armeen, Rüstungsindustrie) etwa fünf Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen verursacht. Zum Vergleich: Die zivile Luftfahrt ist für zwei Prozent verantwortlich.

Hübsche Broschüren beschreiben die Armee als vorbildlich nachhaltig.

Die Konsequenzen dieses Wettrüstens, das sich durch den Krieg gegen die Ukraine nochmals enorm gesteigert hat (siehe WOZ Nr. 12/22), sind gemäss der Studie fatal: «Angesichts der Klimakrise und der Anzeichen für das Erreichen gefährlicher planetarischer Kipppunkte ist es dringend erforderlich, dem Klimaschutz und der internationalen Zusammenarbeit Vorrang einzuräumen, um diejenigen zu schützen, die am stärksten betroffen sein werden.» Es bestehe eine globale Verantwortung dafür, dem Klimaschutz Vorrang gegenüber militärischen Massnahmen zu geben, «denn es gibt keine sichere Nation ohne einen klimasicheren Planeten».

Bürgerliches Aufrüstungspowerplay

In der Schweiz lassen sich die in der TNI-Studie beschriebenen Prioritätensetzungen geradezu prototypisch beobachten. Wenn kommende Woche die Wintersession beginnt, steht gleich zum Auftakt eine Budgetdebatte an. Besonders ein Punkt dürfte dabei zu reden geben: Im Frühjahr beschloss das bürgerlich dominierte Parlament – angeführt von den Aufrüstungsfanatikern Thierry Burkart (FDP) und Werner Salzmann (SVP) und unter dem Eindruck des kurz davor begonnenen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine – eine sukzessive Aufstockung der Armeeausgaben von aktuell fünf auf neun Milliarden Franken ab 2023 bis zum Jahr 2030; notabene ohne klaren Plan und kohärente Strategie für diesen radikalen Schritt (siehe WOZ Nr. 18/22). Kurz: Das stark wachsende Rüstungsbudget wird in den kommenden Jahren riesige Löcher in den Staatshaushalt reissen.

Eine grundsätzliche und angesichts der Dringlichkeit der sich zuspitzenden Klimakrise notwendige Debatte über den Zusammenhang zwischen Militärausgaben und Klimamassnahmen blieb bisher aus. Im Gegenteil: Als die grüne Nationalrätin und Friedenspolitikerin Marionna Schlatter während der Aufrüstungsdebatte im Mai den Vorschlag einbrachte, in den nächsten Jahren «die Hälfte der gasbetriebenen Gebäudeheizungen und damit das komplette russische Gas zu ersetzen», statt «ohne Strategie zum Ausgeben des Geldes» das Armeebudget aufzublähen, führte das nicht zu einer ernsthaften Diskussion, sondern zu diffamierenden und persönlichen Angriffen von SVP und FDP auf Schlatter.

Keine präventive Friedensförderung

Am kommenden Montag, dem ersten Tag der Wintersession, entscheidet der Ständerat über den «Rahmenkredit Globale Umwelt 2023–2026». Vor zwei Wochen beantragte die Umweltkommission des Ständerats – wenn auch knapp –, die vom Bundesrat beantragten knapp 198 Millionen Franken für den Globalen Umweltfonds auf 148 Millionen Franken zu kürzen. Das entspreche dem Beitrag der Vorperiode. Die Begründung: Angesichts der angespannten finanziellen Lage des Bundes in den nächsten Jahren halte die Kommission eine Aufstockung der Beiträge nicht für opportun.

SP-Nationalrätin und Sicherheitspolitikerin Priska Seiler Graf überrascht dieses Vorgehen nicht: «Das Geld, das nun zusätzlich in die Armeeausgaben gesteckt wird, muss wieder eingespart werden, das ist so», sagt Seiler Graf. Die meisten Ausgaben in einem öffentlichen Haushalt seien gebunden. Beim Bund habe man nur freie Hand in der Landwirtschaft (wo es allerdings unvorstellbar sei, «dass dort jemals gespart wird», so Seiler Graf), beim öffentlichen Verkehr, in der Bildung, bei der Entwicklungszusammenarbeit und den Klimaschutzmassnahmen. «Es ist geradezu erschütternd, dass präventive Friedensförderung nicht mehr als Sicherheitsgewinn identifiziert wird.»

Das Verteidigungsdepartement weiss offenbar um die Brisanz des Themas. In den letzten Jahren hat es gleich mehrere hübsch aufgemachte Berichte und Broschüren publiziert, die die Armee als vorbildlich nachhaltige und umweltbewusste Organisation beschreiben. Das ist punktuell sogar richtig, etwa beim Gebäudeunterhalt. Doch insgesamt sind die CO₂-Emissionen der dem VBS unterstellten Bereiche (über 200 000 Tonnen im Jahr 2018) über fünfmal so hoch wie jene der gesamten restlichen Bereiche der Bundesverwaltung – 98 Prozent davon stammen allein aus dem militärischen Teil des Departements. Die eingangs erwähnte TNI-Studie erwähnt explizit den US-Kampfjet F-35 als «besonders umweltschädliches Waffensystem». Der Bund wird für über sechs Milliarden Schweizer Franken 36 solcher Kampfjets kaufen.

«Die aktuellen Entwicklungen bei der Armee, die Erhöhung des Budgets, die geplante Erhöhung des Sollbestands und die beschlossene Beschaffung des F-35-Kampfjets führen in eine diametral andere Richtung als zu einer CO₂-ärmeren Armee», sagt Anja Gada von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee. Die klimafreundlichste Armee sei letztlich: keine Armee.