Widerstand in Russland: Der Kampf um die Erinnerung

Nr. 3 –

Der 19. Januar ist für russische und ukrainische Antifaschist:innen ein wichtiger Referenzpunkt. An diesem Tag vor vierzehn Jahren wurden der linke Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow und die Journalistin und Anarchistin Anastasia Baburowa mitten in Russlands Hauptstadt von Neonazis erschossen. Die beiden Morde bildeten den Kulminationspunkt einer rechtsextremen, gegen Migrantinnen und Aktivisten gerichteten Terrorserie.

Seit 2009 tragen Antifaschist:innen in Kyjiw wie Moskau jedes Jahr einen Slogan auf die Strasse: «Sich erinnern heisst kämpfen.» In diesem Jahr werden die Gedenkmärsche primär ausserhalb der beiden Länder stattfinden müssen: In Moskau wollen Mitstreiter:innen der beiden Ermordeten bloss Blumen am Tatort niederlegen, erinnert wird dafür in Berlin und Tbilissi, Vilnius und Paris.

Der 19. Januar hat indes eine neue Bedeutung bekommen. Das Putin-Regime führt seinen Angriffskrieg weiter – einen Krieg, dessen neustes grausames Symbol das zerstörte Wohnhaus in Dnipro ist. Beim Beschuss am Wochenende wurden mehr als vierzig Menschen getötet und rund achtzig verletzt, Dutzende Bewohner:innen werden noch immer vermisst. Derweil befindet sich der Aktivist Maksim Butkewitsch, einer der Organisator:innen des Kyjiwer Gedenkens an Baburowa und Markelow, seit Juni in russischer Kriegsgefangenschaft. Und in Russland selbst verfolgt der Kreml erbarmungslos alle, die sich gegen seinen Feldzug stellen.

Die russische Linke nutzt den Gedenktag, um auf einen entscheidenden Zusammenhang hinzuweisen. In den nuller Jahren sei die Gefahr in Russland von den Neonazis ausgegangen, die von den Behörden geduldet worden seien, heute würde deren rechtsextreme Ideologie und Praxis vom Regime selbst verkörpert, schreibt die Russländische Sozialistische Bewegung. Sie erinnert an diverse linke Aktivist:innen, die zuletzt festgenommen und in Haft gefoltert wurden. Baburowa und Markelow zu gedenken, heisst, sich heute mit einem anderen Kampf solidarisch zu zeigen: jenem der Ukrainer:innen gegen die Invasion.