Fossilindustrie in Kolumbien: Ein starkes Signal

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Die Wahlversprechen waren ambitioniert: Einen wahren ökosozialen Umbau Kolumbiens haben Gustavo Petro und Francia Márquez angekündigt. Nun sind sie seit einem halben Jahr im Amt, er als Präsident und sie als seine Stellvertreterin – und die Anzeichen mehren sich, dass es ihnen damit tatsächlich ernst ist.

Eine progressive Steuerreform hat der Kongress bereits verabschiedet, bald soll der Umbau des Justizvollzugssystems folgen. Und mit Blick auf ein weiteres zentrales Wahlversprechen kündigten Petro und seine Minenministerin Irene Vélez Torres am Wef in Davos Bemerkenswertes an: Kolumbien werde sich aus seiner Abhängigkeit von der Fossilindustrie lösen – und deshalb keine neuen Verträge zur Erkundung von Ölvorkommen mehr vergeben. Während auf der ganzen Welt ein Förderboom zu verzeichnen ist, bekennt sich Kolumbiens Regierung zur Abkehr von Öl, Gas und Kohle – obwohl diese über die Hälfte der Exporte des Landes ausmachen und für den Staatshaushalt unentbehrlich scheinen. Tourismus und erneuerbare Energien würden den Wegfall kompensieren, so Petro.

Es wird kein einfacher Weg. Noch im Herbst versuchte Finanzminister José Ocampo, die Märkte zu beschwichtigen; Kolumbien bleibe offen für neue Ölförderprojekte, verkündete er. Denn die wirtschaftlichen Aussichten sind düster, die Landeswährung hat deutlich an Wert verloren. Gelingen kann die Abkehr von der Fossilindustrie mit ihren Zehntausenden Arbeitsplätzen aber nur, wenn ein tiefgreifender Umbau der Wirtschaft stattfindet – und ein solcher wird auf mächtige Gegenwehr stossen. Auch von Schweizer Unternehmen, die in Kolumbien Profitinteressen verfolgen.

Aber Petro und Márquez, eine bekannte Menschenrechts- und Umweltaktivistin, haben ein starkes Mandat. Zwar haben sie die Wahl im Sommer 2022 nur knapp gewonnen – aber dank der hohen Beteiligung dennoch die höchste Stimmenzahl in der Geschichte des Landes erreicht.