Erfolg bei Zwischennutzungen: Die Verhältnisse richtig geordnet

Nr. 11 –

In Zürich gingen Untermieter:innen juristisch gegen die Verträge einer Zwischennutzungsfirma vor. Sie haben einen Erfolg erreicht, der das Geschäftsmodell solcher Firmen grundsätzlich infrage stellt.

Bei der Begrüssung entschuldigt sich Seraina Rohner dafür, dass es in der Werkstatt gerade kalt sei – Heizung kaputt. Rohners «Schreinerei am Fluss» ist die letzte verbliebene Mietpartei in den beiden Häusern am Zürcher Sihlquai 280 und 282. Diese befinden sich im Umbau. Die Eigentümerin Coop-Genossenschaft hatte im Oktober 2020 allen Mieter:innen eröffnet, dass sie ausziehen müssten, um neuen Büros Platz zu machen. Es war der Startschuss zu einem langwierigen Mietkampf, zunächst gegen Coop, dann gegen die Zwischennutzungsfirma Intermezzo. Letzte Woche ist er vorerst zu einem Abschluss gelangt – mit einem richtungsweisenden Erfolg für Zwischennutzer:innen in der ganzen Schweiz.

Den Anfang machten vor mehr als zwei Jahren die gekündigten Mieter:innen. Sie sprachen mit der Presse und lancierten eine «Forever Sihlquai»-Petition. Bleiben durfte schliesslich trotzdem nur die Schreinerei: Ihr Gewerbemietvertrag läuft bis 2027. Noch während manche Mieter:innen ihre Sachen zusammenpackten, standen im Mai 2021 plötzlich schon die Nächsten auf der Matte: Untermieter:innen von Intermezzo. «Als wir deren Wohnungsinserate im Internet entdeckten, dachten wir erst, das sei ein schlechter Witz», sagt Seraina Rohner. Intermezzo vermietete einzelne Zimmer für über 700 Franken befristet weiter. Zuvor hatten die meisten Wohnungen laut Rohner insgesamt nur rund 1000 Franken gekostet.

Versprechen nicht eingelöst

Als Vorteile ihrer Dienstleistung nennt Intermezzo auf der Firmenwebsite unter anderem das Verhindern illegaler Besetzungen und «geordnete Verhältnisse». Das grösste Risiko sei nämlich die «nicht termingerechte Rückgabe des Zwischennutzungsobjekts», heisst es weiter. Das Risiko könne minimiert werden, wenn die Untermieter:innen sorgfältig ausgesucht würden. Am Sihlquai war Marc Lassner* einer von ihnen.

Als er nach der ersten Wohnungsbesichtigung vom laufenden Kampf der Mieterinnen erfuhr, sei ihm klar gewesen, dass er diesen weiterführen wolle. Er zog ein und ging daraufhin mithilfe des Mietrechtsanwalts Peter Nideröst und gemeinsam mit fünf weiteren Zwischennutzer:innen juristisch gegen seinen Vertrag vor. Lassner focht erstens den von Intermezzo veranschlagten Anfangsmietzins an und verlangte zweitens eine Erstreckung des Mietverhältnisses. «Mein Ziel war es, die unsoziale Geschäftspraxis von Intermezzo zu unterbinden», sagt er.

Einen ersten Erfolg erzielte die Gruppe schon im April 2022. Damals hätte Intermezzo die beiden Liegenschaften Coop wieder übergeben sollen. Daraus wurde nichts. Ein Erstreckungsverfahren hat aufschiebende Wirkung. Coop einigte sich mit den Untermieter:innen noch vor dessen Abschluss aussergerichtlich. Die letzten Bewohner:innen verliessen die Liegenschaften im Juni. Coop erliess ihnen den Mietzins für die letzten drei Monate. «Wir konnten damit beweisen, dass Zwischennutzungsfirmen eines ihrer zentralen Versprechen gar nicht einlösen können», sagt dazu der Anwalt Peter Nideröst. «Nämlich dass sie ihre Objekte in jedem Fall fristgerecht wieder dem Eigentümer übergeben können.»

Profiteure der Wohnungsnot

Vergangene Woche erzielten der Anwalt und seine Klient:innen einen weiteren Erfolg. Am Donnerstag hätte das Zürcher Mietgericht über ihre Anfechtung des Anfangsmietzinses entscheiden sollen. Am Vortag teilte die Firma Intermezzo Marc Lassner aber mit, dass sie seine Klage anerkenne, und kam damit einem Gerichtsentscheid zuvor. Mit gutem Grund. Auch wenn bislang noch kein Gericht darüber geurteilt hat, ist Nideröst überzeugt: «Nach geltendem Gesetz dürfen Firmen mit Zwischennutzungen gar kein Geld verdienen.»

Er stützt sich dabei unter anderem auf das Mietrecht. «Die zulässige Höhe eines Mietzinses beruht auf der angemessenen Kapitalisierung der Anlagekosten und kann berechnet werden», sagt Nideröst. «Intermezzo hatte am Sihlquai aber gar nie Anlagekosten.» Entsprechend stehe der Firma auch kein Ertrag zu. Sie habe die Räumlichkeiten ja bloss gemietet und kein Geld investiert. «Solche Zwischennutzungsfirmen leisten gar nichts – sie sind reine Profiteure der Wohnungsknappheit.»

Weil Intermezzo mit der Klageanerkennung einen gerichtlichen Präzedenzfall abwenden konnte, sei es jetzt umso wichtiger, dass der juristische Erfolg trotzdem publik gemacht werde, sagt Peter Nideröst. «Alle Untermieter:innen von profitorientierten Zwischennutzungsfirmen sollen wissen, dass sie ihren Anfangsmietzins anfechten können und sollen», so der Anwalt. «Dann könnten die alle ihren Laden dichtmachen.»

Darauf hofft Seraina Rohner. «Zwischennutzungsfirmen wie Intermezzo braucht es überhaupt nicht», sagt sie. Sinnvoller wäre es doch, wenn Immobilienbesitzer:innen selber mit den Zwischennutzer:innen Gebrauchsleihverträge aushandeln würden. In der Gebrauchsleihe dürfen den Nutzer:innen nur Unterhalts- und Nebenkosten verrechnet werden – im Gegenzug entfallen die Bestimmungen des Mietrechts. Intermezzo hat auf die Fragen der WOZ nicht reagiert.

* Name von der Redaktion geändert.