Die Rettung: Das war ein Fehler

Nr. 12 –

Finanzministerin Keller-Sutter will die Rettung der CS durch den Staat nicht als staatliche Rettung verstanden wissen. Genau deshalb ist so vieles an dieser Lösung verheerend.

Illustration von Ruedi Widmer: die UBS-Bank als gefrässiges Monster, welches sich auf der Schweiz platziert.
Illustration: Ruedi Widmer

Es war ein Satz, der in die Geschichtsbücher eingehen wird: Sie müsse das sehr klar sagen, holte FDP-Finanzministerin Karin Keller-Sutter an der Pressekonferenz am Sonntagabend aus, als die halbe Welt zuschaute, um zu erfahren, wie der Kollaps der Credit Suisse und damit des globalen Finanzsystems verhindert werden sollte: «This is not a bail-out.» Das sei keine staatliche Rettung.

Ernsthaft? Klar, es ist die UBS, die die Credit Suisse übernimmt. Zuvor hatte Keller-Sutter jedoch eine Milliardenhilfe nach der anderen aufgezählt, die der Bund den beiden Banken bereitstellen will. Es war ein fast schon surrealer Moment.

Ja, die Rettung der UBS damals 2008 war eine andere Geschichte. Die UBS hielt Milliardenwerte in faulen Immobilienpapieren, die ihr der Bund abnahm, weil sie unter den Verlusten kollabiert wäre. Die CS hingegen war nicht unmittelbar insolvent: Ihr Problem war ein Abfluss von Kund:innengeldern, angestossen durch Missmanagement, Skandale und Herdentrieb. Die CS konnte ihre Anlagen nicht mehr schnell genug profitabel verkaufen, um ihre Kund:innen auszuzahlen. Deshalb stellt ihr die Nationalbank (SNB) Kredite bereit.

Jedoch war bereits der erste SNB-Hilfskredit von Mitte letzter Woche, als sich der CS-Kurs im Sturzflug befand, kein normaler Kredit, wie die Behörden behaupteten. Solch «ausserordentliche Liquiditätshilfen» werden nur Banken gewährt, die für die «Stabilität des Finanzsystems von Bedeutung» sind. Kurz: Man tut es, weil man keine andere Wahl hat, um den Crash zu verhindern. Bis Sonntagabend hatte die SNB weitere Kredite von 200 Milliarden Franken gesprochen – wovon der Bund die Hälfte absichert. Und schliesslich soll der Bund allfällige Verluste, die der UBS durch das CS-Geschäft entstehen, ab einer Schwelle von 5 Milliarden mit bis zu 9 Milliarden Franken übernehmen. Entschieden wurde dies alles an den demokratischen Institutionen vorbei per Notrecht.

Maurer und KKS mitverantwortlich

Mit der Behauptung, dies sei keine Rettung durch den Staat, wird nicht nur die Misere kleingeredet, sondern auch die eigene Verantwortung. Nach der UBS-Rettung 2008 hatten die Linke und selbst SVP-Exponenten die Verkleinerung der Banken gefordert; SP und Grüne verlangten zweistellige Eigenkapitalquoten, was jedoch FDP, CVP und SVP blockierten. Das Gleiche beim Trennbankensystem, mit dem das Investmentbanking vom übrigen Geschäft abgespalten werden sollte. Keller-Sutter warnte damals als Ständerätin vor «Spielen», im Namen der «volkswirtschaftlichen Verantwortung».

Zwar übernahm die Schweiz neue globale Bankregeln (Basel III) und stärkte ihre Finanzmarktaufsicht (Finma). In den letzten Jahren hatte der Wind jedoch gedreht: Der damalige SVP-Finanzminister Ueli Maurer sprach an einer Tagung der Bankiervereinigung 2018 von staatlicher «Kontrollitis» und fragte, warum man Banken nicht mehr vertrauen sollte als «Beamten» – auch wenn hie und da ein Institut «vom Karren» falle. Zur gleichen Zeit drohte der damalige UBS-Chef Sergio Ermotti, dass seine Bank wegen angeblicher Überregulierung die Schweiz verlassen könnte. SVP und FDP reagierten mit einer Flut von Vorstössen, die der Finma die Flügel stutzen sollten. Als der Bundesrat kürzlich die Übernahme neuer internationaler Liquiditätsregeln vorschlug, zerpflückten SVP und FDP zusammen mit den Banken die Vorlage.

Vor der Beute gewartet

Durch das Abstreiten der Bankrettung hält Keller-Sutter auch den Schein aufrecht, dass sie als Liberale nach den Regeln des Marktes spiele. Doch so läuft das im real existierenden Liberalismus nicht: Eigenverantwortung gilt für die Kleinen, zur Rettung von UBS, Swiss, Axpo und CS werden Milliarden bereitgestellt.

Da der Bund niemanden rette, könnte sie der CS auch nicht die nächsten Boni streichen, sagte Keller-Sutter am Sonntag gar – obwohl das Bankengesetz das Gegenteil vorsieht. Anfang Woche erklärte sie, gewisse Boni verbieten zu wollen. Während der Bund die Risiken übernimmt, erhielt die UBS für 3 Milliarden Franken eine Bank, die, anders als der unterbewertete Aktienkurs vorgibt, ein x-Faches wert ist. Kein Wunder freute sich der anwesende UBS-Chef Colm Kelleher über «enormous opportunities».

Was da vorgestellt wurde, ist auch aus liberaler Sicht schlechter als eine normale Rettung durch den Staat: Hier haben sich Grossbanken mit der Schaufel am Volksvermögen bedient.

Sicher, die Finanzministerin war in einer unglaublich schwierigen Lage. Ohne Lösung wäre die CS bei Börseneröffnung am Montag kollabiert, was eine globale Finanzkrise ausgelöst hätte. Auch die Zerlegung der Bank, wie es die Regeln für systemrelevante Banken in solchen Fällen vorsehen, hätte die Finanzkrise kaum verhindert, wie Keller-Sutter zu Recht ausführte. Auf den Finanzmärkten wären kaum kontrollierbare Panikreaktionen die Folge gewesen. US-Finanzministerin Janet Yellen, die nun kritisiert wird, weil sie Keller-Sutter offenbar vor einer entsprechenden Zerlegung gewarnt hat, sprach lediglich aus, was offensichtlich ist.

Entsprechend war die UBS in einer übermächtigen Verhandlungsposition. CS und Bundesrat waren gezwungen, auch einen noch so schlechten Deal zu akzeptieren. Die UBS musste nur lange genug vor der Beute warten. Allerdings nur, weil der Bundesrat eine dritte Variante ausschloss: eine Übernahme der CS durch den Bund. Das wäre riskant gewesen, meinte Keller-Sutter auf eine entsprechende Frage. Bestimmt. Doch zumindest hätte der Bund die erwartbaren Gewinne eingestrichen. Nun trägt er nur die Risiken. Doch für eine Übernahme hätte man sich eingestehen müssen, dass der Staat die Bank rettet.

Das Geld ist aber nicht der wichtigste Grund, warum eine Verstaatlichung die bessere Lösung gewesen wäre: Mit der Übernahme der CS durch die UBS wird in einem Zwergstaat eine monströse Bank geschaffen. Die Bilanzsummen von US-Grossbanken entsprechen maximal zwanzig Prozent des dortigen Bruttoinlandprodukts (BIP), diejenige der neuen UBS wird doppelt so gross sein wie das Schweizer BIP. Auch der an der Medienkonferenz anwesende SNB-Chef Thomas Jordan, dessen Behörde sich seit Jahren besorgt über die Grösse von UBS und CS zeigt, weiss, dass das schlicht ein Irrsinn ist.

Von der WOZ darauf angesprochen, gestand Jordan den Punkt ein. Ausschlaggebend sei jedoch nicht nur die Grösse einer Bank, sondern auch ihre Risiken, die durch SNB und Finma überwacht würden. Und Finma-Chefin Marlene Amstad sagte, dass die UBS nebst den Kapital- und Liquiditätsvorschriften auch Pläne bereit haben müsse, damit sie in der Not zerlegt werden könne. Aber wird nicht gerade jetzt offensichtlich, dass diese nichts taugen?

Eine berechtige Frage, entgegnete Keller-Sutter. Doch die Aufspaltung der CS hätte tatsächlich ziemlich sicher eine Finanzkrise ausgelöst, wiederholte sie. Man müsse auch akzeptieren, dass sich Fehler in der Unternehmenskultur nicht einfach wegregulieren liessen.

Nicht alle, ja. Umso mehr sollte der Bund nicht noch helfen, eine Monsterbank zu schaffen, die in einigen Jahren vielleicht erneut vom Staat gerettet werden muss, weil sie sonst die Schweiz und die übrige Welt mit sich in den Abgrund reisst. Wenn man am Sonntag in die müden Gesichter der Finanzministerin und der Beamten blickte, muss man eingestehen, dass sie ihren Rettungsplan unter schwierigsten Bedingungen gezimmert haben. Und trotzdem war er ein Fehler.