Energiepolitik: Keine Gewaltenteilung bei Solaranlagen?

Nr. 19 –

Im Wallis haben die Grünen und Pro Natura das Referendum gegen die kantonale Umsetzung der Solaroffensive ergriffen. Nun ist klar: Es kommt zustande. Die SP ist gespalten.

Visualisierung der Solaranlage «Grengiols Solar» im Saflischtal
3,4 Quadratkilometer Panels: Visualisierung von «Grengiols Solar» im Saflischtal.  

Viel Sonne, viel Wasser, verzauberte Wälder und in der Hitze flirrende Südhänge: Gerade hat die Regisseurin Carmen Jaquier im Film «Foudre» das Binntal betörend schön in Szene gesetzt (siehe WOZ Nr. 15/23). Nirgends im Wallis ist die alpine Kulturlandschaft grossräumig so gut erhalten wie hier.

Womöglich nicht mehr lange. Im Saflischtal, das vom Binntal abzweigt, soll bald die grösste alpine Solaranlage der Schweiz stehen: «Grengiols Solar». Das Grossprojekt, das auf eine Idee des ehemaligen SP-Präsidenten Peter Bodenmann aus Brig-Glis zurückgeht, wurde zwar redimensioniert, soll aber immer noch 3,4 Quadratkilometer bedecken. Wird es schnell genug gebaut, übernimmt der Bund bis zu sechzig Prozent der Investitionskosten. Denn das nationale Parlament will mit dem in der Herbstsession 2022 verabschiedeten «Solarexpress» den Bau alpiner Solaranlagen massiv vereinfachen und subventionieren – trotz offener Rechtsfragen (siehe WOZ Nr. 40/22). Seither herrscht Goldgräberstimmung in Bergkantonen wie dem Wallis: Im Vispertal ist eine weitere Grossanlage im Gespräch, daneben gibt es im Kanton sieben kleinere Projekte. Einer der Initiant:innen des Vispertaler Projekts ist der Ingenieur Martin Bodenmann, Peter Bodenmanns Bruder.

Die Walliser:innen werden sich nun als Erste hierzulande an der Urne zum Thema äussern können: Die Grünen und Pro Natura Wallis haben erfolgreich das Referendum gegen das Dekret ergriffen, das den «Solarexpress» im Kanton umsetzen soll. Am 18. Mai läuft die Frist ab. «Wir haben auf jeden Fall genug Unterschriften», sagt Jérémy Savioz von Pro Natura Wallis. «In den letzten Wochen lief die Mobilisierung sehr gut.» Die genaue Zahl kann er nicht sagen, weil die Beglaubigung noch im Gang ist.

Skeptische Jäger und Alpinistinnen

Warum ein Referendum? Brigitte Wolf, Grossrätin und Kopräsidentin der kantonalen Grünen, erklärt: «Neu soll direkt die Kantonsregierung, der Staatsrat, die Bewilligung für Solaranlagen ausserhalb der Bauzone erteilen.» Bisher war es die kantonale Baukommission. Die Änderung sei hochproblematisch: «Der christlichsoziale Staatsrat Roberto Schmidt sitzt im Verwaltungsrat des Energieunternehmens FMV, das beispielsweise an ‹Grengiols Solar› beteiligt ist.» Ein weiterer gewichtiger Punkt: «Das Dekret enthält keinerlei Kriterien, wo gebaut werden darf.» Grüne und SP hätten im Parlament versucht, solche einzubringen, seien aber der rechtsbürgerlichen Mehrheit unterlegen. «Wir Grünen kämpfen seit vierzig Jahren für den Solarausbau und sind auch nicht per se gegen Freiflächenanlagen.» Aber sie sollten dort gebaut werden, wo die Landschaft schon durch Strassen, Leitungen, Stauseen oder Skilifte beeinträchtigt sei, nicht in den unberührtesten Gebieten. «Wir können nicht das Klima schützen, indem wir die Biodiversität zerstören.»

Unterstützt wird das Referendum unter anderem vom Heimatschutz, von Mountain Wilderness und der IG Saflischtal, in der auch von «Grengiols Solar» betroffene Älpler:innen aktiv sind. Längst nicht nur Links-Grüne seien kritisch, sagt Wolf. «Ähnlich wie damals bei der Rothenthurm-Initiative zum Moorschutz oder bei den abgelehnten Olympischen Spielen 2026 in Sion.» Jérémy Savioz hat das Sammeln ebenfalls positiv erlebt: «Bergbauern, Jäger, Alpinisten unterstützen uns.»

Mitten durch die SP

Auch die SP Oberwallis (SPO) hat sich im Parlament für strengere Kriterien im Dekret eingesetzt. Das Referendum der Grünen unterstützt sie trotzdem nicht. «Wir wollen weg von den Fossilen und die Erneuerbaren pushen», sagt Claudia Alpiger, Präsidentin der SPO. «Dafür brauchen wir Solaranlagen in den Alpen.» Das Dekret bringe eine Beschleunigung bei den Bewilligungsverfahren, das sei positiv. «Und eine Umweltverträglichkeitsprüfung brauchen die Projekte weiterhin.» Die SPO traf sich im März zu einer energiepolitischen Tagung. Daraus entstand ein Positionspapier, in dem sie betont, Solaranlagen sollten landschaftsschonend und möglichst in erschlossenen Gebieten gebaut werden. Das Papier unterstützt aber auch explizit das Dekret. Der Entscheid dazu sei an der Mitgliederversammlung deutlich ausgefallen, sagt Alpiger: 26 Ja, 5 Nein, 2 Enthaltungen. Zeigt sich hier Peter Bodenmanns Einfluss? «Er war nicht an der Versammlung», sagt Alpiger. «Aber natürlich sind einige von uns geprägt von den Diskussionen, die er angestossen hat.»

«Die Erneuerbaren pushen wollen wir auch», sagt Clément Borgeaud, Präsident der SP Unterwallis, «aber das Dekret geht uns zu weit und zu schnell.» Er vermisse eine Gesamtplanung. Im Gegensatz zur deutschsprachigen Schwesterpartei unterstützt die SP Unterwallis das Referendum.

Der «Solarexpress» ist befristet: Projekte, die von den vereinfachten Bedingungen und der Finanzspritze profitieren wollen, müssen bis Ende 2025 zehn Prozent der geplanten Produktion ins Netz einspeisen können und bis Ende 2030 ganz in Betrieb sein. «Wir sollten jetzt schon darüber nachdenken, wie es danach weitergeht», sagt die Grüne Brigitte Wolf. «Es braucht eine Grundsatzdiskussion zur Frage: Wo wollen wir diese Anlagen? Und wo nicht?»