FDP und SVP: Gemeinsam für die Taliban

Nr. 38 –

Die Schweiz anerkennt Afghaninnen als Geflüchtete. Die Rechtsparteien skandalisieren den vernünftigen Entscheid.

Im Fachkräfteland Schweiz gibt es spezielle Berufskombinationen. Eine ganz spezielle hat Philipp Gut gefunden. Er ist Journalist, Campaigner und SVP-Nationalratskandidat in einem. Auf die Frage, wie er es denn so hält mit der persönlichen Gewaltentrennung, schreibt Gut: «Da gibt es nichts zu trennen, denn ich setze mich in allen meinen sich ergänzenden Tätigkeiten möglichst schwungvoll und konsequent immer für dieselben Werte und Ziele ein: mehr Freiheit, weniger Bevormundung, relevante Missstände aufdecken, Erfolgsfaktoren der Schweiz stärken.»

Europäische Empfehlung

Wie auch immer: Als Journalist hat Gut letzte Woche einen Bericht veröffentlicht, der bestimmt auch Campaigner Gut und SVPler Gut freut: «Asyl für fast alle Afghanen» hiess der Beitrag, publiziert in der «Weltwoche», die sich schon länger von journalistischen Standards wie eben der Gewaltenteilung zwischen Medien und Politik verabschiedet hat. Gut machte publik, dass die Schweiz afghanische Frauen und Mädchen als Flüchtlinge anerkennt, weil sie von den Taliban systematisch diskriminiert werden. Eine Million Afghan:innen, warnte er, könnten in die Schweiz kommen. Nun ist die SVP das eine, die FDP in letzter Zeit aber genau das Gleiche. Schon am nächsten Tag veröffentlichten die Freisinnigen eine Mitteilung. Darin warfen Präsident Thierry Burkart und Asylhardliner Damian Müller dem Staatssekretariat für Migration (SEM) «Heimlichtuerei» vor. Es habe die Praxisänderung ohne den Entscheid einer Parlamentskommission gefällt. Die Änderung sei umgehend rückgängig zu machen, sonst drohten wahlweise «irreguläre Sekundärmigration», ein «hohes Missbrauchspotential» oder ein «Terrorismus-Risiko».

In ihrem Eifer hatten sich die Freisinnigen allerdings nicht erkundigt, wie es genau zur Änderung kam. Bereits am 25. Januar hat die europäische Asylagentur EUAA einen neuen Leitfaden erlassen, wonach «Frauen und Mädchen in Anbetracht der Politik der Taliban und der Umsetzung der Scharia im Allgemeinen von Verfolgung bedroht sind und daher Anspruch auf den Flüchtlingsstatus haben». Neben Staaten wie Deutschland hat selbst das restriktive Dänemark die Empfehlung umgesetzt. Am 17. Juli folgte – eher verspätet – auch die Schweiz. Das SEM hat also nur eine europäische Entwicklung nachvollzogen. Der Vorwurf der Heimlichtuerei trifft nicht zu: Solche Praxisänderungen kann das SEM in eigener Verantwortung treffen und muss sie nicht publik machen.

Positiv beurteilt den Entscheid SP-Nationalrätin Samira Marti: «Wir begrüssen, dass afghanische Frauen endlich als Flüchtlinge anerkannt werden und in unserem Land Schutz vor dem Talibanregime finden.» Den Wahlkampf der FDP auf Kosten dieser Frauen findet Marti bedenklich. «Dass die FDP im Bundeshaus entscheiden möchte, welche Geflüchteten künftig noch Schutz erhalten, zeigt eindrücklich, wie weit nach rechts die Partei gerückt ist.»

Fehlende Visa

Dass die Zahlen der Asylgewährung für Afghan:innen überschaubar sind, zeigt die Statistik. Seit der Machtergreifung der Taliban im Sommer 2021 haben rund 5000 Afghan:innen in der Schweiz um Asyl gebeten, 1000 davon waren Frauen. 76 Prozent erhielten Schutz, davon knapp die Hälfte nur eine vorläufige Aufnahme. Sie können gemäss SEM nun eine definitive Aufnahme mit Ausweis B erhalten, wenn sie ein Gesuch stellen.

Neu einreisende Afghan:innen müssen weiterhin ein individuelles Asylgesuch stellen. Das grösste Problem bleibt dabei bestehen: Das SEM vergibt kaum humanitäre Visa, damit bedrohte Personen Afghanistan verlassen können. Womit sie dort bleiben müssen, wo sie SVP und FDP offenbar am liebsten sehen: unter der patriarchalen Gewaltherrschaft der Islamisten.