«Anti-Chaoten-Initiative» : Die starke Hand des bürgerlichen Kantons

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Der «Chaot» ist offenbar der kleine Bruder des Terroristen: weniger blutrünstig zwar, aber wie dieser auf blosse Zerstörung aus. Der Begriff wird gern bemüht, um die militantere Sorte linker Demonstrationen zu skandalisieren. Es ist eine beliebte Form der Empörung in Schweizer Städten, sich über die «Chaoten» auszulassen; im vergangenen Frühling liess sich Satiriker Mike Müller gar dazu hinreissen, einen «Reclaim the Streets»-Umzug in Zürich, der zu Sachbeschädigungen geführt hatte, mit der «Reichskristallnacht» zu vergleichen. Es ist wie mit der Cancel Culture: Aus der medial über die Jahre gepflegten Empörung kann die Rechte leicht Kapital schlagen.

Das probiert nun die Junge SVP des Kantons Zürich mit ihrer «Anti-Chaoten-Initiative». Diese richtet sich direkt gegen linken Protest und will eine radikale Einschränkung des kantonalen Demonstrationsrechts. Die Annahme der Initiative, die am 3. März zur Abstimmung kommt und unter bürgerlichen Politiker:innen breite Zustimmung geniesst, wäre rechtsstaatlich verheerend. Laut Amnesty International verstösst sie gar gegen das Völkerrecht.

Zum einen, weil das neue Gesetz eine Kollektivbestrafung zur Folge hätte: Wenn eine Demonstration unbewilligt ist, sollen die Kosten des Polizeieinsatzes oder von Sachbeschädigungen automatisch auf die Organisator:innen und sogar Teilnehmer:innen abgewälzt werden; ebenso sollen Besetzer:innen die Kosten von Räumungen übernehmen. Zum anderen, weil die Initiative das Recht auf Versammlung und Protest einschränken will, indem für Demonstrationen und Kundgebungen eine generelle Bewilligungspflicht gelten soll. Die Initiative argumentiert mit einer Art Verbrauchergerechtigkeit, tatsächlich zielt sie auf Abschreckung.

Sie zeugt auch von den autoritären Fantasien der Rechten. Die «Durchsetzung von Recht und Ordnung» (so heisst die Initiative offiziell) gilt nämlich nicht nur den «Chaoten», sondern auch der liberalen Stadt Zürich, die nun die starke Hand des bürgerlichen Kantons spüren soll.