«Anti-Chaoten-Initiative»: Darfs noch ein bisschen schärfer sein?
Schon mal was vom Leidtragendenprinzip gehört? Das geht so: Wer von einem Problem betroffen ist, soll auch entscheiden, wie es gelöst wird. Dem Kanton Zürich ist dieses Prinzip offenbar fremd. Nur die Stadtzürcher Kreise drei, vier und fünf – in denen die überwiegende Mehrheit der Demonstrationen stattfindet – haben Nein gesagt zu einer Verschärfung des kantonalen Polizeigesetzes, die das Demonstrationsrecht drastisch beschneidet. Der Gegenvorschlag zur «Anti-Chaoten-Initiative» der Jungen SVP wurde mit fast 64 Prozent angenommen.
Das haben sie gut eingefädelt, die autoritären Geister in der Kantonspolitik. Im Gewand des angeblich gemässigten Gegenvorschlags werden die zentralen Forderungen der Jungen SVP bereitwillig gutgeheissen: In Zukunft müssen die Kosten für «aussergewöhnliche Polizeieinsätze» auf Demoteilnehmer:innen abgewälzt werden; ausserdem muss für Demos eine generelle Bewilligungspflicht gelten.
Abgesehen davon ist noch vieles unklar. Wann ist ein Polizeieinsatz aussergewöhnlich? Wie ist die Formulierung im Gegenvorschlag zu verstehen, die Verursacher:innen eines Einsatzes müssten «vorsätzlich» gehandelt haben? Wie reagiert die Stadt Zürich, die ihre Bewilligungspraxis gerade lockern wollte? Verstösst eine generelle Bewilligungspflicht gegen die Verfassung oder das Völkerrecht, das auch spontane Kundgebungen schützt? Wie sieht es mit einer Kostenüberwälzung ohne Obergrenze aus, wie von Sicherheitsdirektor Mario Fehr in einem unüblichen Vorabentwurf für ein Gesetz vorgeschlagen?
Viel Spielraum für die Umsetzung gibt es wohl nicht. Dabei sollte aber nicht vergessen gehen, dass die Initiative deutlich verworfen wurde. Ob das Gesetz mit übergeordnetem Recht vereinbar ist, dürfte überdies in ein paar Jahren ein Gericht beschäftigen. Die Kollision ist programmiert – denn der nun angenommene Vorschlag zielt genau auf das ab, was es gemäss Menschenrechten zu vermeiden gilt: diejenigen, die sich wehren wollen, durch Abschreckung von Demonstrationen fernzuhalten.