Literatur: Muskelbündel im Sonnenuntergang

Nr. 2 –

Buchcover von «Meine Männer»
Victoria Kielland: «Meine Männer». Roman. Aus dem Norwegischen von Elke Ranzinger. Tropen Verlag. Berlin 2023. 192 Seiten. 34 Franken.

«Die schwüle Luft schwebte hellrot über dem Wasser, der Lake Michigan lachte sie mit seinen leisen, piksenden Insektenlauten aus.» Die Protagonistin in Victoria Kiellands Roman «Meine Männer» ist nicht glücklich in Chicago. Noch keine zwanzig, hat Brynhild bereits ein neues Leben begonnen. In ihrer Heimat Norwegen arbeitete sie als Magd auf einem Bauernhof, verliebte sich in den Hoferben. Und wurde schwanger.

Die intimen Szenen der beiden beschreibt Kielland in sinnlich-derber Sprache: «Brynhilds Kopf war von Dunkel umhüllt. Er wurde Gesicht voran ins Kissen gedrückt. Sämtliche Farben sammelten sich, und das Herz hämmerte hart, ein pulsierendes Muskelbündel im Sonnenuntergang, klopfend rot und glühend heiss.» Lust, Scham, Angst, Grenzüberschreitung und Religiosität sind in diesem vibrierenden Text stets nah beieinander. Verschachtelte Sätze erzählen vom Hoferben, der Brynhilds Körper unter seinem Gewicht gewaltsam verschwinden lässt und an einer anderen Stelle als «Gottes Schöpfung in ihrer Gänze» beschrieben wird. Vor allem aber will «Gottes Geschöpf» nichts von einem ungeborenen Kind wissen. Er tritt Brynhild in den Bauch, sie erleidet eine Fehlgeburt. Die Protagonistin flieht zu ihrer Schwester in die USA: «Offenbar wartete hier ein Leben.» Und was für eins.

Brynhild wird zu Bella und später zu Belle. Sie heiratet zweimal, ihre Ehemänner sterben unter eigenartigen Umständen. Als Belle Gunness lässt sie sich auf einem abgelegenen Hof in Indiana nieder. Sie lernt sie über Heiratsannoncen kennen, «ihre Männer» – Männer, die nie mehr auftauchen, nachdem sie einen Fuss auf ihren Hof gesetzt haben.

«Wer mit ganzem Sein liebt, wird die Liebe nicht überleben», heisst es zu Beginn des Romans, und mit jeder Seite wird die Bedeutung dieses Satzes greifbarer. Victoria Kiellands Roman über die Serienmörderin Belle Gunness, die Anfang 20. Jahrhundert für Schlagzeilen sorgte, verzichtet auf Sensationalismus. Vielmehr gelingt der Autorin ein ausschweifendes Psychogramm einer zerrissenen Frau, die versucht, mit Morden innere Schreie verstummen zu lassen.