Krieg in Nahost: Vor unser aller Augen

Nr. 3 –

Im besten Fall sind sie symbolisch, die Militärschläge, die eine US-geführte Allianz seit Freitag gegen die Huthi-Rebellen im Jemen fliegt. Im schlimmsten Fall sind sie gefährlich. Denn erstens werden sie die Angriffe der Huthi nicht stoppen, die bereits weitere Schiffe beschossen haben. Zweitens könnten sie die humanitäre Hilfe im Jemen gefährden und den Friedensprozess untergraben, den das Land so dringend braucht. Drittens laufen sie Bemühungen, auch jenen der USA, eine Eskalation in der Region zu vermeiden, diametral entgegen.

Die Bombardierungen der US-Koalition sind eine Reaktion auf die Angriffe der Miliz auf Handelsschiffe im Roten Meer, mit denen die Huthi wiederum Israel zwingen wollen, den Krieg in Gaza zu beenden. Doch die USA und ihre Partner sind offenbar nicht willens, den Grund für die Angriffe der Huthi in ihre Überlegungen miteinzubeziehen. Dabei muss man die Huthi, die in Teilen des Jemen diktatorisch herrschen und wie alle Parteien dort Kriegsverbrechen begangen haben, nicht zu Helden des Widerstands verklären, um diesen Zusammenhang anzuerkennen. Wenn die USA sich für Deeskalation einsetzen wollen, müssen sie endlich darauf hinwirken, dass der Krieg in Gaza aufhört.

Die meisten westlichen Regierungen stehen bis heute beinahe bedingungslos hinter Israel. Es liegt auch an dieser Unterstützung, dass die israelische Armee in Folge der Massaker der Hamas am 7. Oktober fast ununterbrochen den Gazastreifen bombardieren kann – und damit bisher laut Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza über 24 000 Palästinenser:innen getötet hat, darunter mehrheitlich Frauen und Kinder; dass sie die Bevölkerung von allem Lebensnotwendigen abgeschnitten hat – und deswegen laut der Uno heute rund eine halbe Million Menschen in Gaza vom Hungertod bedroht sind; dass sie Ambulanzen, Spitäler, Moscheen, Kirchen, Schulen angreift. Ihr deklariertes Ziel, die Hamas zu zerstören, hat die Regierung Netanjahu mit all dem bisher nicht erreicht.

Das Ausmass der Katastrophe in Gaza ist gigantisch. Und mit jedem Tag wird die humanitäre Lage schlimmer, die Zerstörung umfassender. Wenn der Krieg andauert, könnte von Gaza, wo laut dem «Wall Street Journal» bereits heute siebzig Prozent der Wohnhäuser zerstört oder beschädigt sind, bald nicht mehr als eine unbewohnbare Trümmerwüste übrig bleiben. Glaubt man Aussagen verschiedener Regie­­- rungsvertreter:innen in Israel, so drängt sich der Schluss auf: Genau das ist die Absicht.

Die Folgen reichen weit über Gaza hinaus. Dass die westlichen Staaten, die sich sonst auf die universellen Menschenrechte und das Völkerrecht berufen, Israel bis heute nicht Einhalt gebieten, macht die Menschen in der Region zu recht fassungslos. Menschliches Leben, so wird die Haltung des Westens hier verstanden, ist offenbar nicht überall gleich viel wert.

Die Massaker, die die Hamas am 7. Oktober an israelischen Zivilist:innen begangen hat, sind grauenvolle Verbrechen. Kämen sie vor ein internationales Gericht, würden sie als Kriegsverbrechen verurteilt. Doch das ist keine Rechtfertigung für das brutale Vorgehen der israelischen Armee gegen die Menschen in Gaza. Für Israel selbst wiederum wird die exzessive Gewalt gegen die Palästinenser:innen langfristig jenes Ziel untergraben, das der Krieg doch offiziell verfolgt: nämlich die Israelis vor weiteren Angriffen zu schützen. Auch wird er höchstwahrscheinlich nicht dazu beitragen, die über hundert Geiseln zu befreien, die sich noch immer in Gefangenschaft in Gaza befinden. Dafür bräuchte es, wie schon im November, Verhandlungen.

Überhaupt gilt: Für den Konflikt zwischen Israel und den Palästinenser:innen kann es letztlich nur eine politische Lösung geben. Doch dafür braucht es internationalen Druck. So schwierig der politische Weg angesichts der weit fortgeschrittenen Eskalation auch ist – es kann keinen anderen geben. Die Alternative mit all den verheerenden Auswirkungen, die noch kommen könnten, spielt sich gerade vor unseren Augen in Gaza ab.