Menstruationsurlaub: Kein Stigma, kein Problem

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Die Stadt Fribourg führt einen Menstruationsurlaub ein. Während Kritiker:innen eine verstärkte Diskriminierung von Frauen befürchten, sagen Befürworter:innen, die Menstruation müsse Teil des öffentlichen Diskurses werden.

Margot Chauderna, grüne Parlamentarierin in Fribourg
«Die Periode ist keine Krankheit. Dafür müssen wir ein Bewusstsein schaffen»: Margot Chauderna, grüne Parlamentarierin in Fribourg.

Wer menstruiert, hat in den meisten Fällen Schmerzen. Teils mittelstark, teils schwach, teils derart stark, dass es zur Herausforderung wird, einer Lohnarbeit nachzugehen. Entsprechend gibt es in Ländern wie Japan oder Spanien das gesetzlich verankerte Recht, während der Periode zu Hause zu bleiben. Jetzt wagt sich auch die Schweiz zaghaft an das Thema heran.

In Zürich hat der Gemeinderat im November letzten Jahres ein Postulat überwiesen, das einen Menstruationsurlaub für städtische Angestellte ermöglichen will. Mitarbeiterinnen der Stadt Zürich, die unter regelmässigen und starken Beschwerden leiden, sollen künftig einen bis fünf Tage pro Monat dispensiert werden können – bei voller Bezahlung. Stadtrat Daniel Leupi (Grüne) zeigte sich damals bereit, ein Pilotprojekt durchzuführen. Die Antwort auf das Postulat steht aber noch aus. Man hoffe, bis im April oder Mai weiter darüber informieren zu können, heisst es auf Anfrage bei der Stadt Zürich. Auch in Lausanne hat das Stadtparlament der Einführung eines Menstruationsurlaubs für Angestellte der Stadt zugestimmt, das Geschäft liegt zurzeit bei der Gemeindeverwaltung zur Weiterbearbeitung.

Fribourg geht den direkten Weg

Während Zürich und Lausanne in den bürokratischen Mühlen stecken, werden in Fribourg Nägel mit Köpfen gemacht. Das dortige Stadtparlament hat sich vergangene Woche ebenfalls für einen Menstruationsurlaub ausgesprochen. Allerdings ohne langwierige Vorarbeit via Pilotprojekt.

«Wir haben natürlich beobachtet, was die Kolleg:innen in Zürich und Lausanne gemacht haben», sagt die grüne Generalrätin Margot Chauderna, die den Vorschlag gemeinsam mit Rät:innen der SP, der Grünen und der Grünliberalen im Parlament eingereicht hat. «Und dann dachten wir: Wieso braucht es ein Pilotprojekt, wenn wir doch gleich die konkrete Umsetzung fordern können?» Der Zeitpunkt war der richtige: Mit 49 zu 13 Stimmen bei 13 Enthaltungen stimmte der Generalrat zu. Die Stadtregierung steht hinter dem Vorhaben und wird nun eine Änderung des Personalreglements ausarbeiten.

Chauderna hat sich immer wieder mit dem Thema auseinandergesetzt. Persönlich, aber auch durch eine befreundete Soziologin, die zu Menstruationszyklus und Arbeitsmarkt forschte. «Nach wie vor erleben menstruierende Menschen auf dem Arbeitsmarkt Benachteiligungen, die physiologische Gründe haben», sagt Chauderna. «Es ist wichtig, dass wir diese Ungleichbehandlung sichtbar machen.»

Dass ein Menstruationsurlaub dazu der richtige Weg ist, wird von verschiedenen Seiten bezweifelt. Frauen würden so erst recht zu Opfern degradiert, sagen Kritiker:innen. Ihnen Urlaubstage während der Periode zu gewähren, verfestige die Stigmatisierung, statt sie zu bekämpfen. Und: Wer starke Schmerzen habe, könne sich ja krankschreiben lassen. «Genau darum geht es», entgegnet Chauderna. «Die Periode ist keine Krankheit. Dafür müssen wir ein Bewusstsein schaffen.» Es brauche Mechanismen, die spezifisch die Schmerzen von menstruierenden Menschen anerkennen würden.

Fehlende Forschung

Auch die Unia steht dem Menstruationsurlaub kritisch gegenüber. Die Einführung einer Menstruationsabsenz in der Schweiz würde das Risiko bergen, dass Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen im Arbeitsbereich zunähmen, heisst es in einer Stellungnahme vom September 2023. Ein weiterer Punkt sei das potenzielle Offenlegen des Menstruationszyklus, was bei den Frauen «die Kontrolle über ihren Körper und das Risiko sexueller Belästigung verstärken könnte».

Es gebe wenig Forschung darüber, wie hilfreich und nachhaltig Menstruationsurlaub sei, sagte kürzlich die deutsche Soziologin und Menstruationsforscherin Sophie Bauer gegenüber dem deutschen Fernsehsender WDR. Beispiele wie Japan, wo menstruierende Menschen seit 1947 einen (unbezahlten) Tag pro Monat freinehmen dürften, seien schwierig als Vergleich, da die Ausgangslage für die Entstehung des «Urlaubs» eine ganz andere gewesen sei: die Stärkung der Mutterrolle und die Überzeugung, dass Arbeiten während der Periode die Gebärfähigkeit beeinträchtigen könnte. Bevölkerungspolitik also.

Heute geht es um etwas anderes. «Der wichtigste Schritt wäre, menstruierende Menschen nicht mehr zu stigmatisieren und die Regelblutung nicht mehr als Hindernis für Gleichstellung zu verwenden», sagt Bauer.

Für die Entstigmatisierung, aber gegen die Problematisierung – das ist die Zwickmühle, in der sich die Debatte um den Menstruationsurlaub befindet. Sie verstehe die Bedenken, sagt die Fribourger Generalrätin Margot Chauderna, aber irgendwo müsse man anfangen. «Ein inklusiver Arbeitsmarkt bedeutet, dass man die physiologischen Bedürfnisse aller Angestellten ernst nimmt und berücksichtigt.» Der Menstruationsurlaub setze ein Zeichen: Du bist nicht schuld, dass du menstruierst. Deine Schmerzen sind real, du hast das Recht, dich auszuruhen. Ebenso wichtig sei, davon wegzukommen, dass die Periode Privatsache sei: «Sie muss ein sichtbarer Bestandteil des Gesundheitswesens werden», sagt Chauderna. «Alles andere ist diskriminierend.»