Wahl in El Salvador: Ein Autokrat lässt sich im Amt bestätigen
Nayib Bukele strebt mit Ausnahmezustand, Massenverhaftungen und ständigem Verfassungsbruch ein Machtmonopol an.
Die Wahl am 4. Februar ist eine Farce. El Salvadors Präsident Nayib Bukele, der sich selbst gerne den «coolsten Diktator der Welt» nennt (siehe WOZ Nr. 39/22), lässt sich in seinem Amt bestätigen. Die jüngsten Umfragen sagen ihm zwischen siebzig und achtzig Prozent der Stimmen voraus, von den vier anderen Kandidaten und der einzigen Kandidatin erreicht niemand fünf Prozent.
Nun sind Umfragen in diesem Land nicht eben exakt, aber sie zeigen doch eines: Fünf Jahre nach Bukeles Wahlsieg gibt es keine nennenswerte Opposition mehr. Die rechte Arena-Partei und der linke FMLN, die vorher die Politik des Landes mehr als zwanzig Jahre lang bestimmt hatten, verloren zuerst durch Korruptionsskandale das Vertrauen ihrer Wähler:innen. Dann hetzte Bukele gefügige Staatsanwälte mit zum Teil hanebüchenen Vorwürfen auf ihre Spitzenfunktionär:innen. Viele leben heute im Exil, etliche sind in Untersuchungshaft. Alle anderen versuchen, sich durch Stillhalten zu retten.
Ginge alles nach Recht und Gesetz, dürfte Bukele gar nicht auf dem Wahlzettel stehen. Die Verfassung verbietet die direkte Wiederwahl eines Präsidenten. Aber Bukele hat – verfassungswidrig – 2021 die Richter:innen des Verfassungsgerichts entlassen und setzte dann – wiederum verfassungswidrig – ihm hörige Richter:innen ein. Das neue Gericht erklärte dann, dass Bukele trotz des Verbots noch einmal kandidieren könne. Ähnlich wie mit den Richter:innen verfuhr der Präsident mit dem Generalstaatsanwalt. Eine unabhängige Justiz gibt es seither nicht mehr.
Die alleinige Kontrolle
Auch unabhängige Medien gibt es immer weniger. Die Mobiltelefone von regierungskritischen Journalist:innen wurden mit der Spionagesoftware Pegasus infiziert. Bukele streitet zwar ab dahinterzustecken. Aber wer, wenn nicht er, soll an diese Software kommen, die laut Hersteller nur an Regierungen verkauft wird? Die investigative Internetplattform «El Faro» hat den Sitz ihrer Redaktion nach Costa Rica verlegt, viele ihrer Journalist:innen leben inzwischen im Exil. Bukele, der vor seiner politischen Karriere Werbefachmann war, hat eine Vielzahl von Internetplattformen gegründet und beschäftigt jede Menge Trolle. Dazu hat er ein Imperium aus Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen aufgebaut. Anfragen von unabhängigen Medien bleiben unbeantwortet. Er will die alleinige Kontrolle über die öffentliche Meinung im Land – und diesem Ziel ist er sehr nahe.
Trotz oder gerade wegen seines autoritären Vorgehens ist Bukele in weiten Teilen der Bevölkerung beliebt. Grund dafür ist seine Sicherheitspolitik. Seit März 2022 herrscht der Ausnahmezustand in El Salvador. Seither wurden fast 80 000 Menschen – mehr als ein Prozent der Bevölkerung – verhaftet; ohne Haftbefehl, ohne Ermittlungen, ohne Anklage. Meist trifft es junge Männer aus Armenvierteln. Sie werden pauschal verdächtigt, zu den sogenannten Maras zu gehören: kriminellen Banden, die sich jahrzehntelang blutige Schlachten um Einflusszonen geliefert und das Land mit Schutzgelderpressungen überzogen haben. Wer nicht bezahlte, wurde ermordet. Bukele rühmt sich nun, er habe El Salvador, das lange als einer der gefährlichsten Flecken der Welt galt, «zum sichersten Land in Lateinamerika» gemacht.
Das ist allerdings bestenfalls die halbe Wahrheit. 2015 wurde in El Salvador zum letzten Mal ein Wert von über 100 Morden pro 100 000 Einwohner:innen im Jahr verzeichnet. Seither ist diese Kennziffer nach den Zahlen der Nationalpolizei kontinuierlich gesunken. Der Trend begann also lange vor Bukeles Amtsantritt am 1. Juni 2019 und hat sich durch die Massenverhaftungen nicht beschleunigt. Heute liegt der Wert mit sieben in etwa auf dem Niveau der USA, in der Schweiz beträgt er deutlich weniger als eins.
Keiner kommt mehr frei
Die Nebenwirkungen sind erheblich. «Der Ausnahmezustand bedeutet permanente Repression, Verletzung von Menschenrechten und Verfassungsbruch», schreibt Cristosal in ihrem jüngsten Jahresbericht. Cristosal ist eine der letzten Menschenrechtsorganisationen, die sich noch trauen, Bukeles brutales Vorgehen zu kritisieren und sich um die Opfer zu kümmern. Nach ihrer Schätzung haben rund ein Drittel aller Verhafteten nie etwas mit Maras zu tun gehabt. Allein Cristosal hat schon 5775 Fälle schwerer Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, darunter 439 Folteropfer, 209 Fälle von spurlos Verschwundenen und 189 Fälle von Menschen, die in der Haft zu Tode kamen. 82 Prozent der Verhafteten werde ohne Beweise «Mitgliedschaft in einer illegalen Vereinigung» vorgeworfen, 17,1 Prozent die Zugehörigkeit zu einer «terroristischen Organisation». Nur bei 0,9 Prozent gehe es um konkrete Delikte wie Erpressung, Körperverletzung oder Mord. Sicherheitsminister Héctor Gustavo Villatoro aber kündigte schon an, dass keiner der Eingesperrten jemals wieder freigelassen werde.
Nach anfänglicher Zustimmung zu diesem harten Vorgehen gegen Verbrecher:innen wächst nun in den Armenvierteln die Angst, selbst zufälliges Opfer dieser Politik zu werden. Nayib Bukele, an sich ein Freund des reinen Cyberwahlkampfs, versucht jetzt, mit einem althergebrachten Mittel populistischen Stimmenfangs gegenzusteuern: Er lässt in diesen Vierteln Lebensmittelpakete verteilen.