Die Linke in Österreich: Höflich kommunistisch
Im Kampf gegen rechts hat Österreichs Linke einen ermutigenden Wahlsieg geschafft: Womöglich hat auch Salzburg bald einen KPÖ-Bürgermeister. Andernorts wird sich das Rezept aber nicht so einfach kopieren lassen.
Der Linksruck kam nicht gänzlich unerwartet, das Ausmass überraschte dann doch: Bei den Gemeinderatswahlen in der Stadt Salzburg gab es am Sonntag nicht nur einen Erfolg für den kommunistischen Bürgermeisterkandidaten, sondern auch einen Sieg sowohl für Sozialdemokrat:innen wie auch Kommunist:innen. Fast 26 Prozent wählten die SPÖ, 23 die KPÖ. Und bei der Bürgermeisterdirektwahl kommt es in zehn Tagen zum Duell zwischen Rot und Rot: Im ersten Durchgang erhielten SPÖ-Kandidat Bernhard Auinger und KPÖ-Spitzenmann Kay-Michael Dankl jeweils fast 30 Prozent der Stimmen.
Zusammen mit den Grünen hat es die Linke sogar auf fast 62 Prozent gebracht – und das in einer Landeshauptstadt mit knapp 160 000 Einwohner:innen, die für gewöhnlich als eher konservativ charakterisiert wird. Nicht nur die konservative Volkspartei (ÖVP), die zuletzt noch den Bürgermeister stellte, ist abgestürzt: Auch die rechtsextremen Freiheitlichen (FPÖ) kamen bloss auf 10 Prozent. Und das, während sie in allen Umfragen bundesweit auf dem Spitzenplatz liegen und angeblich die politischen Diskurse in ganz Österreich bestimmen.
Das ist, auch wenn es zunächst einmal lediglich ein lokales Ereignis mit vielen Besonderheiten ist, ein ermutigendes Resultat für Österreichs Linke. Der Erfolg der KPÖ hatte sich abgezeichnet, aber erwartet wurde er doch eher auf Kosten der Sozialdemokratie. In Graz etwa, wo die Kommunist:innen mittlerweile stärkste Partei sind, hat die SPÖ an Boden verloren.
Start ins Superwahljahr
Dass nun beide Parteien gewannen, darf als positives Signal fürs Superwahljahr 2024 gewertet werden. Neben einer Reihe von Landtags- stehen auch die EU-Wahlen im Juni an und dann die Nationalratswahlen im September. Für die österreichische Linke geht es um viel – insbesondere darum, einen FPÖ-Wahlsieg im Herbst zu verhindern.
Der spektakuläre Erfolg der KPÖ in Salzburg ist letztlich vor allem einem Mann zu verdanken: Kay-Michael Dankl, 35-jährig und einer der talentiertesten Jungpolitiker:innen Österreichs. Mit ihm an der Spitze schaffte die «KPÖ Plus», eine Kollaboration mit den Jungen Grünen, 2019 den Einzug in den Salzburger Gemeinderat. Die damit gewonnene öffentliche Aufmerksamkeit hat er seither exzellent zu nutzen gewusst: Bei den Landtagswahlen 2023 machten die Kommunist:innen im gesamten Bundesland Salzburg, das insgesamt wenig urban geprägt ist, spektakuläre 11,7 Prozent.
«Ein grosser Teil der Wähler wünscht sich eine soziale und eine ehrliche Politik, die vor allem auch nach der Wahl lebt, was sie vor der Wahl verspricht», erklärte Dankl nach dem Urnengang vom Sonntag. Seine Stärke: Er ist leise, höflich, authentisch. Vom stereotypischen Bild des kommunistischen Radikalinski hat er in seinem ganzen Auftritt gar nichts. Eigentlich kommt er von den Grünen, er war der Chef von deren Jugendorganisation. Von poststalinistischen KP-Verirrungen, wie es sie in manchen Ortssektionen geben mag, muss er sich nicht distanzieren: Mit solchen hatte er sein ganzes Leben lang schlicht nichts zu tun.
Als Lokal- und Regionalpolitiker setzt sich Dankl stattdessen vor allem für leistbares Wohnen und ein bezahlbares Leben ein. Seine antikapitalistische Rhetorik beschränkt sich auf die freundlich vorgetragene Kritik, wonach im Kapitalismus das Geld die Welt regiere und dies doch nicht der Weisheit letzter Schluss sein könne – in einer besseren Welt würde der Mensch im Mittelpunkt stehen. Von seinem Politikerlohn spendet Dankl einen Gutteil für soziale Zwecke, nur 2300 Euro – ein durchschnittliches Facharbeiter:innengehalt – behält er für sich. Im Wahlkampf bemüht er sich um Wähler:innen in strukturell benachteiligten Vierteln, wo die Wahlbeteiligung üblicherweise niedrig ist.
Österreichs Politik ist heute stark personalisiert und persönliche Glaubwürdigkeit deshalb eine harte Währung. Es bedarf keiner grossen Wahlforschung, um zu erkennen: Die Wähler:innen haben «den Dankl» gewählt, das war ihr primäres Motiv. Als KPÖ-Kandidat kommt ihm noch zugute, dass er «Anti-Establishment»-Energien aufzugreifen vermag, was selbst der versiertesten Sozialdemokratin nur begrenzt gelingen kann.
Stadt und Land
Das Salzburger Ergebnis zeigt, dass linke Politik Mehrheiten erreichen kann, wenn sie von gewinnenden Leuten – auch SPÖ-Kandidat Auinger ist ein fähiger, nahbarer Politiker – vorgetragen wird. Es zeigt zudem, dass soziale Themen wahlentscheidend sind, auch wenn sie neben den rechtspopulistischen Reizthemen medial vernachlässigt werden. Und schliesslich zeigt es genauso, dass sich die FPÖ kleinhalten lässt.
Übertriebene Generalisierungen wären dennoch unangebracht. Die jüngsten KPÖ-Erfolge hängen stark mit Ausnahmepersönlichkeiten zusammen, neben Dankl etwa mit der Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr. Mehr und mehr bewegt sich ausserdem das Wähler:innenverhalten zwischen Stadt und Land auseinander. Das zeigt der Vergleich des städtischen Ergebnisses mit jenem im Bundesland Salzburg vom letzten Frühling: Da blieb das Rechts-Links-Verhältnis beinahe unverändert. Rechtsextreme und Konservative haben ihre Anteile untereinander ausgetauscht, signifikante Verschiebungen zwischen den grossen Blöcken gab es kaum.