Postpunk: Am Himmel kein Platz für uns
Xmal Deutschland darf man zu den grossen vergessenen Gruppen des Post- und Düsterpunk zählen. Die Band um Sängerin Anja Huwe, 1980 in Hamburg als All-Girl-Band gegründet, hatte vor allem in der Goth- und Dark-Wave-Szene ausserhalb Deutschlands viele Verehrer:innen. Nach der Auflösung Anfang der neunziger Jahre hörte man nichts mehr von der Gruppe, Anja Huwe widmete sich der bildenden Kunst, ging nach London, später nach New York.
Nun aber erscheinen zum einen die gesammelten Singles von Xmal Deutschland neu. Auf der Compilation finden sich dunkle Hymnen wie «Schwarze Welt» und «Kälbermarsch»; konzentriert zeigt sich die Stärke der Band im einstigen Szenehit «Incubus Succubus»: Da zieht die Gitarre Kreise wie bei Joy Division, da klackert das Schlagzeug blechern, da ist aber vor allem die selbstbewusste, dringliche und schattige Stimme Huwes, die ein nachtschwarzes Setting besingt. «Dämonen, am Himmel ist kein Platz für uns!», heisst es im Text, der von männlichen (Incubus) und weiblichen (Succubus) Schlafgeistern handelt. Xmal Deutschland sind in einer Reihe mit Postpunkheld:innen wie Malaria!, DAF, Kleenex zu nennen – wie gut und wichtig, dass ihre Musik wieder offiziell zugänglich ist.
Völlig überraschend erscheint auch ein Solodebütalbum von Anja Huwe: «Codes». Zu hören sind darauf Gothballaden («Skuggornas»), Industrial-Metal-Stücke («Rabenschwarz») und klassische Dark-Wave-Tracks («Exit»). Huwe hat das Album gemeinsam mit der Berliner Musikerin Mona Mur wuchtig produziert. Manche Tracks klingen etwas gar konventionell komponiert, insgesamt aber bleibt vor allem dank der einzigartigen Stimme Huwes ein positiver Gesamteindruck. Und auch die Geschichte des Albums ist beeindruckend: Huwes Texte beziehen sich auf das Tagebuch des Juden Moshe Shnitzki, der sich während des Zweiten Weltkriegs auf dem Gebiet des heutigen Belarus den Partisanen anschloss und über lange Zeit im Wald lebte. Ihm setzt «Codes» ein würdiges Denkmal.