Film: Laute Vertreibung aus dem Paradies
Am Anfang, wenn das Thunderbike kommt, rattern die Kinosessel. Weil der Bass so laut ist und Regisseur George Miller die Frequenzen kennt, mit denen die Dinge zum Vibrieren gebracht werden. Das schöpferische Potenzial des Actionkinos etwa und die Herzen der Zuschauer:innen, die schon wieder vergessen haben, dass am Ursprung allen Erzählens der Mythos steht.
Das Phänomenalste an «Mad Max: Fury Road» (2015), dessen Entstehungsgeschichte längst selbst zur Legende geworden ist, war der grösstmögliche Kontrast zwischen der Einfachheit der Handlung – eine Verfolgungsjagd, zwei Richtungen – und der Detailversessenheit des Ganzen. Mit seinem maximalen Sinn für Spektakel schuf Miller hier die reinste Darstellung kinetischer Energie, die seit Buster Keatons «The General» (1926) im Kino zu sehen war. Dabei stand im Zentrum von «Fury Road» nicht mehr die archetypische männliche Heldenfigur Max (dessen ursprünglicher Darsteller Mel Gibson unterdessen selbst so verrückt geworden war wie Max und seine Welt), sondern die kahlrasierte, einarmige Furiosa (Charlize Theron), die all dies so überraschend wie notwendigerweise um ein feministisches Drehmoment anreicherte.
«Furiosa: A Mad Max Saga» ist nun weniger ein Prequel als Furiosas Hagiografie. Erzählt wird von der Vertreibung der jungen Heldin (Anya Taylor-Joy) aus dem Paradies und wie sie sich einen Platz in der Hölle einrichtet. Alles ist unendlich laut: die modifizierten Fahrzeuge, die Kostüme und die Reden der falschen Propheten, die im Ödland um Macht und Ressourcen kämpfen. Unsichtbar im Hintergrund ziehen (wie schon immer) Homer und Hobbes die Fäden, doch zuvorderst, auf der Leinwand, wird (wie noch nie) gefahren, gejagt, gestürzt, geklettert, geschossen, gesprengt, geliebt und gerächt. Die poetisch-kinetische Reinheit von «Fury Road» bleibt zwar in «Furiosa» unerreicht, und das Thunderbike verschwindet hier so schnell wieder, wie es gekommen ist, aber sein Vibrieren hält bis zum Ende an.
