Syrienkonferenz: Der Wind wird rauer
Zwar erhält Syrien von der EU mehr Geld, um die Kriegsfolgen zu mildern. Doch für die Geflüchteten zeichnet sich ein bedrohlicher Kurswechsel ab.
Syriens Zukunft lässt auf sich warten. Als Josep Borrell, der EU-Aussenbeauftragte, am Montag noch während der laufenden Geberkonferenz für Syrien vor die Journalist:innen tritt, entschuldigt er seine zweistündige Verspätung mit den «schrecklichen Zeiten». Der Krieg gegen die Ukraine, der blutige Angriff auf Rafah am Abend zuvor, die Situation an der russisch-estnischen Grenze, Georgien.
Die vielen Krisenherde haben den internationalen Fokus längst von Syrien weggelenkt. Von einem Konflikt, der seit langer Zeit genauso eingefroren ist wie die Bemühungen um eine tragfähige politische Lösung. Und von einem Krieg, der eine halbe Million Menschen getötet und über die Hälfte der 22 Millionen Menschen im Land vertrieben hat – mehr als 5 Millionen flohen ins Ausland, in Syrien leben 7,2 Millionen Binnenvertriebene. Millionen von Syrer:innen kämpfen um den Zugang zu Nahrung und medizinischer Versorgung und gegen die Folgen der Zerstörung. Die Uno schätzt, dass in Syrien in diesem Jahr 12,9 Millionen Menschen Hunger leiden werden.
Am Ende des Tages stellt die EU-Geberkonferenz weitere 7,5 Milliarden Euro bereit, um die Kriegsfolgen zu mildern. Darin enthalten sind 560 Millionen Euro, die in diesem Jahr bereits für vertriebene und geflüchtete Syrer:innen im Libanon, in Jordanien und im Irak zugesagt wurden, sowie derselbe Betrag für 2025. Zudem sprach die EU eine Milliarde Euro für syrische Flüchtlinge in der Türkei.
Der Konferenz vorausgegangen war eine neue Debatte um die mögliche Rückkehr von syrischen Geflüchteten nach Syrien. Erst im Mai haben sich in Zypern Abgesandte aus Österreich, der Tschechischen Republik, Zypern, Dänemark, Griechenland, Italien, Malta und Polen getroffen – und eine Erklärung unterzeichnet, mit der sie «effektivere Methoden» für den Umgang mit syrischen Flüchtlingen forderten. Die Länder verlangten zudem eine Neubewertung der Sicherheitslage in Syrien.
In Zypern selbst wurde der Wind immer rauer: Nach einem starken Anstieg der Ankünfte von syrischen Geflüchteten hat die Insel im April die Bearbeitung von Asylanträgen von Syrer:innen ausgesetzt, Berichte von Rückführungen in den Libanon häufen sich. Gleichzeitig hat EU-Kommissarin Ursula von der Leyen Anfang Mai ein milliardenschweres Hilfspaket für den Libanon geschnürt, das die unerwünschte Migration in die EU stoppen soll.
Dies, obwohl auch im Libanon der Druck auf die syrischen Flüchtlinge immer weiter zunimmt: Menschenrechtsorganisationen warnen davor, dass Syrer:innen willkürlich inhaftiert, gefoltert und manchmal gewaltsam nach Syrien zurückgeschickt würden. Der libanesische Aussenminister in Brüssel, Abdallah Bou Habib, sagte während der EU-Geberkonferenz, sein Land könne die Flüchtlinge nicht länger aufnehmen. Sie seien eine «existenzielle Bedrohung» für das Land. Die Menschen sollten nach Syrien zurückkehren oder in einem Drittland angesiedelt werden, so Bou Habib. Auch der jordanische Aussenminister, Ayman Safadi, plädierte dafür, dass Syrer:innen «freiwillig» in ihre Heimat zurückkehren sollten.
«Es liegt ein Kurswechsel in der Luft», sagt Diana Menhem, Direktorin von Kulluna Irada, einem libanesischen Thinktank, der am Montag in Brüssel zu einem Gespräch über die Zukunft der Flüchtlinge im Libanon geladen hat. Der Kurswechsel markiert die zunehmende Bereitschaft, Optionen zu diskutieren, um syrische Geflüchtete künftig in das zerrüttete Syrien zurückzuschicken. Eine Option, die Josep Borrell vom Tisch räumt, als er sagt, dass eine sichere Rückkehr nach Syrien bis heute für niemanden garantiert werden könne. Und er fügt an: «Flüchtlinge sollten nicht nach Syrien zurückgedrängt werden. Wir sollten nicht wegschauen, wenn das passiert.»
Worte, die angesichts der kontinuierlichen illegalen Pushbacks an den europäischen Grenzen und der maroden Menschenrechtslage wie die immer gleiche Schallplatte klingen, die schon lange keine:r mehr hören möchte.