Musikclubs: «Wir finden schon eine Lösung – aber zu welchem Preis?»
Mit Herzblut in einer Branche, die harten Marktregeln folgt: Wie geht es den nichtkommerziellen Schweizer Musikclubs? Differenzierte Antworten aus Fribourg, Bern und Zürich.
«Manchmal kommen die alten Metalheads zu mir und sagen: ‹He, früher habt ihr im ‹Fri-Son› doch noch Slayer veranstaltet!› Dann muss ich sagen: ‹Ja, aber so einfach ist das leider nicht mehr. Das sind nicht mehr die Neunziger.›» Martina Kull sitzt in einem Café, nur ein paar Gehminuten vom «Fri-Son» entfernt, und hat sich leidenschaftlich in Rage geredet. Kull verantwortet das Konzertbooking im traditionsreichen Freiburger Musikclub seit gut zwei Jahren – seit es nach der Pandemie mit dem Normalbetrieb wieder losging. Was das allerdings heisst, Normalbetrieb, diese Frage ist seither nicht ganz leicht zu beantworten. War sie vielleicht nie.
Ende April verschickten die Betreiber:innen des «Fri-Son» eine Medienmitteilung: Schon das zweite Jahr in Folge hätten sie ein erhebliches Defizit verzeichnet. Wenn es so weitergehe, sei die Existenz des geschichtsträchtigen Ortes, der 2023 sein vierzigjähriges Bestehen feierte, bedroht. Schweizweit gingen in den vergangenen Monaten Musiklokale an die Öffentlichkeit, um auf ihre prekäre Lage aufmerksam zu machen, etwa die «Kufa» in Lyss, das «Rössli» in der Berner Reitschule, das «Kapitel», ebenfalls in Bern, oder das «Humbug» in Basel. Andere haben gar ihre Schliessung kommuniziert, wie der «Sender» in Zürich oder das «Sommercasino» in Basel.
Befinden sich die Schweizer Musikclubs seit der Pandemie in der Krise? Verallgemeinerungen sind schwierig, die jeweiligen Situationen spezifisch: Lokale in ländlichen Regionen haben andere Probleme als jene in urbanen Zentren, kleinere andere als grosse. Einige sind kollektiv geführt, einige von alten Hasen; manche befinden sich in subventionsfreudigen Gegenden, andere haben weniger Glück.
Doch ein bisschen Überblick ist möglich. Die WOZ hat einen Fragebogen an rund fünfzig Schweizer Musikclubs verschickt, alles Mitglieder von Petzi, dem Verband der nicht gewinnorientierten Musikclubs und Festivals in der Schweiz. Rund dreissig von ihnen haben sich an der Umfrage beteiligt. Fast die Hälfte gibt an, sie kämen in Schwierigkeiten, wenn sich an ihrer aktuellen finanziellen Lage nichts ändere. Bei einem Viertel ist die Lage stabil; zwei Clubs geben an, ihre Existenz sei bedroht. Die Kosten steigen: für Energie, Gagen, Löhne, den Einkauf. Ausserdem verzeichnen zwei Drittel weniger Publikum als vor der Pandemie. Oft ergänzt wird ausserdem, dass das Publikum weniger trinkfreudig sei und die Querfinanzierung durch Partys schlechter funktioniere. Einige Clubs melden, das Veranstalten von Konzerten werde unberechenbarer, Dynamiken auf Social Media wichtiger, der Musikgeschmack spezifischer.
Big Player im Teich
Das «Fri-Son» hat früh reagiert; der akute Liquiditätsengpass ist vor allem dank zweier bereits ausverkaufter Konzerte von Patent Ochsner im kommenden November, für die viele einen Solidaritätspreis bezahlen, schon fast aufgefangen. Sie wollten auch deswegen an die Öffentlichkeit, sagt Kull, um auf die allgemein schwierige Lage im Musikbetrieb aufmerksam zu machen. «Dass das ‹Fri-Son› finanziell schlecht dasteht, hat nichts mit Missmanagement zu tun. Wir drehen ständig an irgendwelchen Schrauben, um Kosten zu senken, versuchen, neue Einnahmequellen zu erschliessen, hinterfragen uns. Es kommen auch noch etwa gleich viele Leute an Konzerte wie vor der Pandemie, auch viele Junge übrigens. Aber es reicht trotzdem nicht, und es geht nicht nur uns so.» Kull fordert eine Erhöhung der städtischen und kantonalen Subventionen; aktuell machen diese rund ein Viertel des Gesamtbudgets aus.
Etwa fünfzig Konzerte werden im «Fri-Son» jährlich veranstaltet, dazu fünfzig Partys, meist von externen Gruppen organisiert. Dabei werden zwei Säle bespielt: ein grosser mit einer Kapazität von 1200 Personen, wo tendenziell grössere Acts gebucht werden, und ein kleiner Saal mit einer Kapazität von 300, wo der Fokus auf Nachwuchs und Nischen liegt. Das «Fri-Son» ist ein wichtiger Ort für die Region und Fribourg eine spezielle Stadt: Katholisch, aber auch studentisch geprägt, bietet sie bei bloss 37 000 Einwohner:innen viel Kultur. In der Gegend gibt es fünf nichtkommerzielle Musikclubs, dazu noch etwa zehn Bars oder Cafés, die ab und zu Konzerte veranstalten.
Kull sieht als Hauptgründe für die missliche Lage die erheblich gestiegenen Betriebskosten bei minimer Anpassung der Subventionsbeiträge, die gesunkenen Einnahmen aus dem Barbetrieb sowie die Monopolisierung des internationalen Musikmarkts durch wenige Konzerne; seit der Pandemie habe sich diese noch verschärft. Die Gagen stiegen seit Jahren, heute würden zum Teil exorbitant hohe Beträge verlangt für Acts, die man sich als mittelgrosser Club vor zehn, fünfzehn Jahren noch habe leisten können. Eine Band wie Slayer also: keine Chance.
«Du schwimmst eben nicht nur mit Musikliebhaber:innen und Fans im Teich, sondern mit grossen Agenturzusammenschlüssen, Firmen, Big Players, da gehts nur noch um den grössten Gewinn. Als nichtkommerzieller Club kannst du da nicht mithalten.» Vom Markt her gesehen, lege man sich mit Werten wie Niederschwelligkeit, Vermittlung oder Inklusion immer Steine in den Weg, sagt Kull. «Das sind Entscheidungen, die wir bewusst treffen.»
Mit Herzblut in einer Branche zu arbeiten, die knallharten Marktregeln folgt, ist auch psychisch belastend. Kull meint, die Pause während der Pandemie sei neben dem Frust, nicht veranstalten zu können, für viele auch eine Verschnaufpause gewesen. «Nachher gings einfach zack weiter im Hamsterrad, der Wiedereinstieg war schwierig. Das haben einige in meinem Umfeld nicht verkraftet; sie mussten die Branche verlassen.» Die Politik und die Bevölkerung hätten teils wenig Verständnis für diese Art von Kulturarbeit. «Dann heisst es: ‹Ihr habt doch den Plausch, ihr findet schon eine Lösung.› Ja, eh, das stimmt ja sogar. Aber zu welchem Preis?»
Die Alkohollücke
Mit dem Geschäftsleiter des Dachverbands Petzi, Jonatan Niedrig, mit Kopräsident Michael Breitschmid und dem Projektverantwortlichen Fabian Mösch sitzen wir an einem kühlen, regnerischen Tag Ende Mai in der Zürcher Gartenbeiz Zum Gaul. Mösch nimmt den Faden von Martina Kull auf. «Vielleicht trauen sich Clubbetreiber:innen heute früher zu sagen: ‹Hey, bei uns läufts scheisse, wir brauchen Hilfe.› Wir sind wohl aufmerksamer geworden, was die psychische Gesundheit angeht.»
Gerade die nicht gewinnorientierten Clubs stünden unter Druck, da sind sich die drei einig. Eine Krise ausrufen mögen sie trotzdem nicht. «Es war noch nie leicht, als nichtkommerzieller Musikclub in dieser Branche zu überleben. Den Laden, der die ganze Zeit unbekannte Bands bucht und doch immer voll ist, hat es nie gegeben», meint Niedrig. «Die Anforderungen sind allgemein gestiegen», sagt Breitschmid, der seit vielen Jahren auch im Winterthurer «Salzhaus» arbeitet. «Früher hast du einfach zwei geile Bands gebucht, Bier ausgeschenkt, das wars. Heute machen wir uns Gedanken über soziale und ökologische Nachhaltigkeit, wollen ein Awareness-Team oder denken über mehr Personal nach, um Burn-outs vorzubeugen. Ich möchte nicht zurück; es ist gut, dass sich was geändert hat. Aber das kostet alles Zeit und Geld.»
Zu den Faktoren, die das «Ökosystem» Musikbetrieb aktuell aus dem Gleichgewicht brächten, gehöre auch ein verändertes Ausgehverhalten. Der Alkoholkonsum geht zurück, das zeigt etwa auch eine nicht repräsentative Erhebung der Bar & Club Kommission Zürich, die ihre Mitglieder zum ersten Mal seit 2018 befragt hat. Sie zeigt: Seit der letzten Befragung ist die Gästezahl stabil geblieben, in «Clubs / Event-Locations» ist sie gar gestiegen. Gleichzeitig ist der Pro-Kopf-Umsatz merklich gesunken, in Bars von knapp 38 auf gut 31 Franken, in Clubs von 45 auf 30 Franken pro Abend. Der Anteil Gäste unter 25 Jahren habe ausserdem deutlich abgenommen. Wenn die Leute weniger Alkohol trinken, meint Breitschmid, sei dies ja eher positiv zu werten. «Man muss sich halt überlegen, wie man die Lücke finanziell schliessen kann.»
Es passiert wieder mehr spontan
In vielen Medienberichten werden die Probleme des Nachtlebens auch auf das Ausgehverhalten der sogenannten Generation Z zurückgeführt: Die junge Generation sei auf Gesundheit bedacht, trinke wenig Alkohol und wandere oder brunche am Wochenende lieber, statt auszugehen. Ein Teil von ihnen habe den Einstieg ins Nachtleben während der Pandemie verpasst. Ausserdem suchten Jugendliche vermehrt Kontakt auf Plattformen wie Tiktok oder Instagram; der Ausgang als Treffpunkt werde weniger wichtig.
Sie hätten in letzter Zeit viele Medienanfragen erhalten, sagt Lena Käsermann vom «Gaskessel» in Bern. Denn das Jugendkulturzentrum, das noch vor zehn Jahren in einer Krise steckte und mehrere Zehntausend Franken Schulden bei der Stadt abbezahlen musste, widerspricht der Erzählung der partymüden jungen Generation – es floriert. Seit Corona steigen im «Gaskessel» die Besucher:innenzahlen und Mitgliedschaften; mit jedem Jahr gibt es mehr Veranstaltungen: Konzerte, Partys, auch Lesungen. Für viele Jugendliche sind die Kuppeln an der Aare der wichtigste Ausgehort in Bern. «Im Moment beobachten wir eine Normalisierung. Im Gegensatz zur Zeit gleich nach der Pandemie, als alle unglaublich ausgehhungrig und die Anlässe oft schon im Vorverkauf ausverkauft waren, passiert jetzt wieder mehr spontan», sagt Käsermann.
Frühmorgens an einem Wochentag ist es hier unten auf dem Gaswerkareal ruhig. Lena Käsermann sitzt mit Xenia Unseld in der Küche im oberen Stock. Unseld ist in verschiedenen Betriebsgruppen und im Vorstand aktiv, Käsermann Koleiterin des «Gaskessels». Durchs Fenster sieht man auf eine leere Fläche, bestückt mit Bauprofilen, hier kommt bald ein Schulhausprovisorium hin. Das Gaswerkareal ist seit Jahren im Umbruch, der Standort des Kulturlokals wurde dabei immer wieder infrage gestellt. Mit dem politischen Entscheid 2019, den «Gaskessel» an seinem Standort zu belassen, wird dessen Geschichte weitergeschrieben: 1971 wurden die beiden Kuppeln besetzt; der «Chessu», wie man in Bern sagt, ist der erste Jugendkulturclub der Stadt. Bis heute richtet sich das Programm vor allem an Jugendliche und junge Erwachsene und wird von ihnen selber gestaltet.
Xenia Unseld ist erst seit drei Jahren in Bern, seit zwei engagiert sie sich im «Gaskessel». «Ich brauchte einen Nebenjob und war an einem Abend zufällig mutig genug, die Person an der Bar danach zu fragen. Ich schrieb ein Mail, dann gings ziemlich schnell. Ich habe sozusagen den klassischen Weg durchlaufen, bin durch fast alle Betriebsgruppen, also Bar, Kasse, Technik, Artist Care, und bin jetzt auch im Vorstand.» Unseld ärgert sich über die aktuelle Berichterstattung über das Freizeitverhalten der Jugendlichen. «Sie befragen eine oder zwei Personen, und die sollen dann für eine ganze Generation stehen», sagt sie. «Schon in meinem eigenen Umfeld ist es völlig unterschiedlich, wie die Leute ihre Freizeit verbringen.»
Der «Gaskessel» steht auf sicheren Beinen: Rund siebzig Prozent der Einnahmen sind selbsterwirtschaftet, hauptsächlich durch Eintritte. «Die Bar spielt bei uns keine grosse Rolle. Der Grossteil unseres Publikums ist U-20, da ist es Tradition, dass man den Prosecco oder das Gascho Bier draussen in den Büschen deponiert», sagt Käsermann. Die restlichen rund dreissig Prozent der Einnahmen werden über den städtischen Leistungsvertrag gedeckt. Der «Gaskessel» verpflichtet sich darin gegenüber der Stadt nicht nur als Kulturveranstalter, sondern explizit auch in Bereichen der Jugendarbeit, der politischen Bildung und der Nachwuchsförderung. Es handelt sich also nicht um Subventionen, sondern um Abgaben, mit denen die Stadt beim «Gaskessel» festgelegte Leistungen einkauft.
Dieser Ort funktioniere, meint Käsermann, weil die Jugendlichen hier mitgestalten könnten und einen Vertrauensvorschuss erhielten. «Hier muss man nicht können, man muss nur wollen. Die Welt ist komplex, die Jugendlichen sind mit vielen Unsicherheiten konfrontiert. Sie suchen Halt und Sicherheit, ein Gegenüber, das sie ernst nimmt.» Es brauche deswegen von einem Betrieb mehr Achtsamkeit für diese Bedürfnisse und mehr Einsatz, keine blosse Abfertigung. Dazu, dass sie einiges richtig machten, komme auch eine Portion Glück. Und Schwankungen gebe es sowieso immer. «Am Schluss geht es auch einfach darum, wo deine Freund:innengruppe hingeht. Das sind oft schnelle, wenig planbare Dynamiken», sagt Unseld. Und Käsermann: «Es ist Nachtleben, da passiert so viel Feinstoffliches. Du kannst es nicht zugrunde analysieren.»
Ein neugieriges Publikum
Hinter dem Zaun fräst eine Baumaschine, im Zürcher Kreis 5 bricht ein friedlicher Nachmittag unter der Woche an. Durch die Blätter fällt Sonnenlicht in den kleinen Hof vor dem Helsinkiklub, dieser kauzigen Perle des Zürcher Musik- und Nachtlebens gleich neben dem Bahnhof Hardbrücke. Tür und Tor zum Club stehen weit offen, Tom Rist und Irene Hongler, die das «Helsinki» zusammen mit David Jegerlehner leiten, sitzen auf Klappstühlen vor dem verlebten kleinen Gebäude.
Das «Helsinki» hat sich in den zwanzig Jahren seit seiner Gründung eine eigene Nische geschaffen. Das Musikprogramm ist heute angesagter und jünger, als es das auch schon war. Die Leute besuchen den Club aber auch wegen seines Charmes und wegen der Gemeinschaft, die sich hier vor und hinter der Bar versammelt. Auch dank seines treuen Publikums ist das «Helsinki» nicht in akuter Schieflage; ein Teil unterstützt den Club mit einem jährlichen Beitrag an den «Turnverein Helsinkiklub». Ökonomisch sei es im Moment schon sehr knapp, sagt Rist. «Wenn wir uns nicht weiterentwickeln, müssen wir natürlich irgendwann zumachen. Aber ich will das nicht als Bedrohung verstehen. Ich freue mich auf das Kommende.»
Seit Rist den Club 2004 gegründet hat, wird der Ort stark mit seiner Person verbunden. «Tom Rist, zwanzig Jahre, das ist ja auch schön. Aber ich bin nicht sicher, ob man das einfach so abgeben kann», sagt Hongler. Ganz geheuer scheint es Rist damit selber nicht zu sein. «Viele kommen auf mich zu: ‹Gell, du bist der Chef.› Wieso ist das immer noch so? Ich frage mich zuerst einmal, wo ich im Weg stehe. Wahrscheinlich bin ich im Verzug.»
Sorgen machen ihm aber vor allem kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen. «Es wird immer wichtiger, die Geschichten gut zu verkaufen. Es muss alles gut verpackt sein, gesichert gegen Bruch, bevor man es losschicken kann», sagt er. «Warum ist man heute ungenauer und nennt alles Event?» Die Leute seien kontrollierter. «Sie trinken weniger, das finde ich ja in Ordnung. Und sie bleiben weniger lange.»
Hongler, die während der Pandemie zum «Helsinki» stiess und davor Betriebsleiterin im nahe gelegenen Club Bogen F war, beschäftigt die Frage, wie sich das Musikhören verändert. Im «Helsinki» würden zwar nur vereinzelt Bands spielen, die bei grossen Agenturen unter Vertrag sind. Trotzdem hätten die Veränderungen in der Musikindustrie, etwa der stärkere Fokus auf grosse, teure Konzerte, einen Einfluss auf die Nischen. «Unser Publikum ist sicher eher neugierig, aber wir merken auch, dass die Leute weniger bereit sind, sich auf etwas einzulassen, das sie nicht kennen.»
Drüben beim «Bogen F», nur fünf Gehminuten entfernt, sieht die Situation etwas anders aus. Der Druck der globalen Veranstaltungskonzerne Live Nation und CTS Eventim, die in den letzten Jahren die meisten Schweizer Bookingagenturen aufgekauft haben, nehme spürbar zu, sagt Kaspar Jucker, Leiter des «Bogen F». Die Konzerne bieten vermehrt an, die lukrativeren Konzerte mit zu veranstalten, wobei sie am Gewinn beteiligt sind – die risikoreicheren überlassen sie den Clubs. «Wir könnten den Club jede Woche fünfmal für Konzerte und Partys vermieten, internationale Konzerne würden ihn wohl auch gleich ganz übernehmen», sagt Jucker. Zudem würden die grossen Agenturen vermehrt wünschen, dass die Tickets auch über ihre eigenen Plattformen verkauft würden, was der «Bogen F» bisher ablehne. «Mit solchen Druckmitteln wird die Autonomie von eigenständigen Clubs bedrängt.»
Die Konzerte im «Bogen F» würden zwar fast wieder so gut besucht wie vor der Pandemie, sagt Jucker. Aber Bands zu buchen, die den Club füllen, und neben den Löhnen für Personal, neben Miete und gestiegenen Energiekosten genug Geld für anständige Gagen zu haben, sei schwieriger geworden. Der Spielraum für ein eigenständiges, musikalisch aufregendes Booking wird also kleiner. Früher oder später brauche es öffentliche Subventionen für kleine und mittlere Musikclubs, die auch experimentelle Bands veranstalteten. In der Stadt Zürich kommen bisher einzig die Rote Fabrik und der Jazzclub Moods in deren Genuss.
300 000 Franken pro Jahr, aufgeteilt auf Stadt und Kanton, das fände er für einen Club von der Grösse des «Bogen F» gerecht. So viel etwa beträgt das jährliche Defizit des Clubs. Ausgeglichen wird es bisher durch die Vermietungen für Feste und Anlässe und das Eigenkapital der sozialen Stiftung Netzwerk, zu der der Club und etwa auch das nahe Restaurant Viadukt gehören. Jucker ist entschlossen: «Bevor ich abtrete, gebe ich keine Ruhe mehr, bis die Kultursubventionen der Stadt Zürich gerechter verteilt sind.»
Wie denkt man im «Helsinki» über die Frage der Subventionen? Der Club war bis 2023 drei Jahre lang Teil eines Pilotprojekts der Stadt Zürich, 70 000 Franken pro Jahr, die Stadt ist noch an der Auswertung. Für Irene Hongler und Tom Rist ist es ein ambivalentes Thema, und sie sind sich nicht bei allem einig. «Ich bin überzeugt, solches Geld kann die Strukturen bequemer machen», sagt Rist. «Wir müssen besser arbeiten – vor allem auch bei den Nachtgeschichten.» Hongler befürwortet moderate Subventionen, um die Existenz des Clubs zu sichern. Und meint trotzdem: «Autonomie ist wichtig, um unsere Resistance hier weiterzumachen.»