Durch den Monat mit Peter Schneider (Teil 1): Mit welchen Witzen haben Sie aufgehört?
Der Autor Peter Schneider wollte schon als Jugendlicher nicht nur Psychoanalytiker, sondern auch Satiriker werden. In der Praxis mit Humor zu arbeiten, findet er allerdings eine grässliche Vorstellung.
WOZ: Peter Schneider, im «Tages-Anzeiger» hatten Sie eine Kolumne, in der Sie Fragen von Leser:innen zu allem Möglichen beantworteten. Gibt es etwas, bei dem Sie sagen würden: «Da weiss ich wirklich Bescheid»?
Peter Schneider: Hm. Ich habe ja Philosophie, Literaturwissenschaft und Psychologie studiert – da bleibt schon was hängen. So eine solide Halb- bis Dreiviertelbildung. Zudem sind das Fächer, die an sich wenig spezialisiert sind, sondern mit allem Möglichen zu tun haben. Dank Google muss man ausserdem Details wie Jahreszahlen oder den genauen Wortlaut von Zitaten nicht mehr im Kopf haben oder mühsam nachschlagen. Und dann gibt es natürlich ein Bescheidwissen, das daher rührt, dass da mein Spezialwissen gefragt ist. Die meisten Fragen kann man aber schon als Lehnstuhlphilosoph beantworten, wenn man sich die Implikationen einer Frage vornimmt.
Wie sind Sie denn ursprünglich zum Fragenbeantworter geworden?
Man hat mich vor dreissig Jahren angefragt, ob ich nicht eine Kolumne machen wolle. Ich meinte: «Ja, mach ich, aber keine lustige.» Ich habe ja schon mit der «Anderen Presseschau» auf SRF 3 Satire gemacht; und hinterher habe ich dann trotzdem noch der «SonntagsZeitung» für die «P.S.»-Kolumne zugesagt, die klar satirisch war. Ich wollte als Jugendlicher auch gar nicht immer nur Psychoanalytiker werden, sondern auch Satiriker. Jedenfalls ist das dann so weitergegangen.
Sie wollten schon als Jugendlicher Psychoanalytiker werden?
So ab vierzehn. Ich habe damals Freuds «Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie» gelesen und fand das klasse, das hat so alle Checkboxen für einen Vierzehnjährigen ausgefüllt: Es ging um Sex, es war wissenschaftlich, es war etwas, woraus man einen Beruf machen konnte. Ich wollte aber nicht Psychologie studieren und musste einen Weg suchen, wie ich trotzdem zur Psychoanalyse kommen konnte. In Wien hätte es eine Möglichkeit gegeben, aber Zürich war damals am liberalsten. Da habe ich ein gutes Zeitfenster erwischt. Ich habe dann doch auch in Psychologie promoviert und habilitiert, aber das kam viel später.
So sind Sie nach Zürich gekommen.
Und geblieben. Wie der perfekte Fleck.
Haben Sie oft mit Leuten zu tun, die finden, Psychoanalyse sei doch passé?
Das ist schon lange so. Heute wissen viele auch gar nicht mehr recht, was das genau ist, das hat auch Vorteile. Die ganz fixen Vorstellungen sind verloren gegangen, das gibt eine gewisse Freiheit. Wenn man vom alten Schlag ist und glaubt, Psychoanalyse bedeute, dass man nur höchst selten etwas sagt, dann wird man sicher Probleme haben, weil die Patienten das gar nicht historisch einordnen können. Also manche schon, aber den meisten ist das wurscht, die sagen dann nicht: «Ach so, das ist einer von der klassischen Psychoanalyse.» Sondern die werden denken: Der spinnt irgendwie. Grundsätzlich ist es lockerer geworden.
Wieso kommen die Leute zu Ihnen?
Manche wollen sich das einfach mal leisten, über sich zu reden und Dinge zu verstehen, die sie umtreiben, manche haben mal was gelesen von mir oder mich in der «Sternstunde Philosophie» gesehen. Manche kennen mich auch gar nicht und kommen auf Empfehlung.
Mit Ihren Arbeiten für Medien haben Sie inzwischen ganz aufgehört. Wieso?
In der Praxis arbeite ich jetzt ein volles Pensum von vierzig Stunden, das hat sich irgendwie so ergeben. Mit der Lehre an der Uni habe ich schon länger aufgehört, beim Radio habe ich mich frühpensionieren lassen. Dann wurde ich bei der «SonntagsZeitung» weggespart und jetzt beim «Tagi».
«Die andere Presseschau» für SRF 3 haben Sie dreissig Jahre lang gemacht. Hat sich in dieser Zeit verändert, was Sie lustig finden?
Wahrscheinlich schon, aber ich habe keine Lust, das nachzuprüfen, indem ich mir jetzt wieder alte Beiträge anhöre.
Gibt es Witze, mit denen Sie aufgehört haben, weil sie nicht mehr zeitgemäss waren?
Etwa dieses «Hörer und Hörerinnen an den Lautsprechern und Lautsprecherinnen». Da hat mich mal jemand drauf aufmerksam gemacht, dass das ja ein seltsamer Altherrenhumor sei. Da ist mir erst aufgefallen, was daran komisch war. Weil es genau diese Art von Antigenderideologie bedient, die heute so en vogue ist. Ich hätte früher damit aufhören sollen, auch Running Gags können aus der Zeit fallen. Es gibt nichts zu verteidigen, am besten, man lässt es sein. Erst recht, wenn etwas aggressiver Mainstream wird und Minderheiten zu einer Gefahr aufgebauscht werden, dann ist es eh klar: Da muss man nicht mit den Anti-Woken witzeln, sondern dagegenhalten.
Welche Rolle spielt Humor in Ihrer therapeutischen Arbeit?
Gute Deutungen bestehen häufig darin, eine schnelle Beziehung zwischen Dingen zu knüpfen, die man auf regulärem gedanklichem Weg nicht hinkriegt, das macht dann manches auch komisch. Sonst aber keine. Ich bin wahrscheinlich kein penetranter Trauerkloss, aber ich arbeite nicht mit Humor. Das wäre eine grässliche Vorstellung.
Peter Schneider (66) ist Psychoanalytiker. In der nächsten Folge erzählt er, was ihm hilft, wenn er sich beim Zeitunglesen aufregt.