Film: Zu Hause im Krieg

Nr. 37 –

Filmstill aus «In Limbo»: ein alter Mann sitzt in der Küche
«In Limbo». Regie: Alina Maksimenko. Polen 2024. In: Zürich, Kino Xenix. Weiteres Programm der Reihe «Ukraïna, Ukraïna»: www.xenix.ch. (Das Berner «Rex» zeigt ab 5. Dezember 2024 eine eigene Reihe mit Filmen aus der Ukraine.)

Wenige Tage nach Kriegsbeginn flüchtet Alina Maksimenko mit frisch operiertem Knie und laufender Kamera aus ihrer Wohnung in Irpin zu ihren betagten Eltern aufs Land. Das Dorf liegt in der Nähe der umkämpften Stadt, doch der Krieg scheint noch weit weg. Mutter Tetiana erteilt weiter Onlineklavierunterricht über ihr Handy mit dem scheppernden Lautsprecher, Vater Tolya kümmert sich um seine zwanzig Katzen. Die Eltern sehen keinen Grund, das Dorf zu verlassen. Bald aber lässt sich der Krieg nicht mehr ausblenden: Das Handynetz bricht zusammen, der Strom fällt aus, der Futtervorrat geht zur Neige. Auf dem Kühlschrank sammeln sich die Schlüsselbunde der Nachbar:innen, die Tolya vor ihrer Flucht ihre Haustiere anvertraut haben. Wenn es draussen knallt, wackelt das ganze Haus.

In sorgfältig komponierten Bildern dokumentiert die Kyjiwer Filmemacherin, Malerin und Videokünstlerin den immer beschwerlicher werdenden Alltag ihrer zunehmend launischen Eltern und damit auch ihre eigene Verdrängungsleistung und Verunsicherung. Das ist bedrückend, manchmal aber auch komisch. Etwa wenn die Mutter vor dem Kosmetikspiegel vielsagend seufzt, dass es niemandem guttun könne, sich so deutlich zu sehen. Oder wenn der Vater die Tochter warnt, nicht genügend «content» für einen abendfüllenden Film zu haben, der obendrein nur schwer auszuhalten sein werde. Irgendwann drehen sich die drei nur noch um sich selbst. «Alles scheint geschrumpft zu sein», bringt Tetiana die allgemeine Beklemmung auf den Punkt.

«In Limbo» ist Maksimenkos erster langer Dokumentarfilm. Das Xenix zeigt ihn in der Reihe «Ukraïna, Ukraïna» mit Festivalerfolgen der neuen Generation ukrainischer Filmschaffender seit dem Maidan. Das «fast schon körperliche Bedürfnis, Filme zu machen», das die Auswahl laut Programmheft eint, ist hier deutlich spürbar – als probates Mittel, die eigene Angst in Schach zu halten und begreifen zu lernen, was das überhaupt heisst: Krieg.