Kunst: Im Reich der Untoten

Nr. 41 –

zwei Skulpturen von Walid Raad
Walid Raad: «Cotton Under My Feet» in: Zürich, Kunsthaus, bis am 3. November 2024. Künstlergespräch am 13. Oktober 2024.

Walid Raad sagt von sich selbst, er habe eine Fotophobie. Alle erhältlichen «Porträts» von ihm sind fingiert. Auch seine Ausstellung im Kunsthaus Zürich wirkt wie ein unterhaltsames Verwirrspiel. In siebzehn Kapiteln erzählt der in den USA lebende Künstler mindestens ebenso viele Geschichten, eine wahnwitziger als die andere.

Sie alle ranken sich um die Kunstsammlung des Barons Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza, kurz «Heini». Statt in Madrid hätte diese Sammlung Anfang der 1990er Jahre auch in Zürich landen können – um an Skandalpotenzial der Sammlung Bührle Konkurrenz zu machen. Auch das Geld hinter Heinis Kollektion stammt teils aus Kriegsgeschäften mit den Nazis. Auch in seiner Sammlung hängt wohl Raubkunst.

Für solche Fakten interessiert sich Raad aber nur nebenbei. Der Erkenntniswert seiner Schau liegt in der Verwirrung, die er stiftet: im Legen von Finten, aber auch von echten Fährten, die tief in den Kaninchenbau der (Kunst-)Welt hineinführen. Oder wie es die Kunsthaus-Direktorin Ann Demeester erklärt: In Raads Labyrinth gehe es nicht darum, den Ausgang zu finden. Gezeigt werden in der Ausstellung Objekte und viele Reproduktionen, doch das Kernstück sind die Geschichten dazu. Für einmal ist der Audioguide unerlässlich. Nacherzählen bringt wenig, die Hauptsache, der Charme des Fabulierers, geht dabei verloren. Raad schildert etwa eine Spezialistin, die das psychische Leid von Bilderrahmen hören kann. Er erfindet einen persischen Teppich, der sich so schwer anfühlt, dass niemand ihn aufheben kann, verflicht alles mit der eigenen Biografie, dem Weltgeschehen, einem Kobold im Landschaftsbild.

Ist das Fabulieren eine Art Recherche? Am Ende glaubt mans fast. Und googelt dann doch wieder nach dem Standardwerk, das Raad erwähnt – und das natürlich nicht existiert. Ein Zufall in unserer Welt sei im Reich der Untoten vielleicht eine Kausalität, spekuliert Raad in der Begleitpublikation. Keine schlechte Beschreibung seiner Ausstellung, in der es von Untoten nur so wimmelt.