Pop: Horrorshow auf Londons Strassen

Die Gitarre legt mit ein paar flinken Licks und Staccatoakkorden los, das Schlagzeug fährt ein wie ein Präzisionswerkzeug, es zuckt und zittert und wirbelt, immer punktgenau, ehe der Gesang mit einem ausgedehnt vorgetragenen Bewusstseinsstrom einsetzt: So beginnt das Stück «Blues» und damit das erste Soloalbum von Geordie Greep.
Bekannt geworden ist Greep als Sänger und Leadgitarrist der britischen Band Black Midi, mit der nun Schluss sein soll – im August haben sie ihre Auflösung bekannt gegeben. Für «The New Sound», so heisst das neue Album, hat der 25-Jährige mit über dreissig Studiomusiker:innen zusammengearbeitet, darunter viele aus Brasilien.
Vom ersten Ton an zeigt Greep, dass er Grosses vorhat. Schon im ersten Stück spielt sich die Band durch Jazz, Rock und Hip-Hop, Greep rappt die Worte dahin, erzählt von aufgeblasenen, narzisstischen Typen, die Londons Strassen bevölkern: den Kragen aufgestellt wie James Dean, die Hand unter die Jacke geschoben wie Napoleon. Auch im Folgenden kommen hier Genres zusammen, wie es so nur selten geschieht: Library Music, Prog, Jazz, Salsa, Pop, American Songbook, Musicalsound, Country.
«Terra» ist eine swingende Nummer mit Bläsern und getragenem Gesang, die auch ein Broadwaystück untermalen könnte. «Holy Holy» kommt mit Bigband sowie mit Funk- und Latin-Rhythmen daher. Die zwei letzten Stücke trägt Greep dann eher mit dem Gestus von Nat King Cole oder Frank Sinatra vor. Die Songs erzählen vom urbanen Leben, von der Suche nach Liebe oder nach schnellem Sex. Es sind gehetzte, manchmal runtergeratterte Verse, die immer auch den Wahnsinn der Zeit einfangen.
In «Terra» eröffnet das lyrische Ich ein «Museum des menschlichen Leidens», stellt «Kadaver, Opfer von Dürre und Hungersnot» und «ausgesetzte Föten» aus. So klingt dieses Album gelegentlich auch nach einer Horrorshow – exzellent erzählt und musikalisch virtuos vorgetragen. Manchmal wird einem dabei auch schwindlig.