Industriepolitik: Allianz stützt Stahlwerk
Nach der Hiobsbotschaft im April hat die Betreiberin des Stahlwerks Gerlafingen letzte Woche abermals Entlassungen angekündigt. Im Frühjahr wurden 95 Stellen gestrichen (siehe WOZ Nr. 14/24), jetzt sollen es zusätzlich 120 sein. Damit würde die Belegschaft fast halbiert. Ein Ende der Verwertung von Schrott in CO₂-armen Stahl wäre dann wohl absehbar.
Dagegen wehrt sich jetzt eine breite Allianz: Die Betriebskommission des Stahlwerks, die Gewerkschaften Unia und Syna, der Kaufmännische Verband Schweiz und der Verband Angestellte Schweiz lancieren eine Petition, um die Politik, insbesondere den Bundesrat, zum Handeln zu veranlassen. «Damit wollen wir Druck auf die Politik ausüben», sagt Markus Baumann, Gewerkschaftssekretär der Unia Solothurn. Für den 9. November hat die Allianz zudem eine Solidaritätskundgebung vor dem Werk angekündigt.
Ursachen für die Schwierigkeiten des Stahlwerks sind hohe Energiepreise und vor allem Hindernisse beim Export in die EU. Anders als die Schweiz schützen und subventionieren EU-Staaten ihre Stahlwerke. Dabei stellt Gerlafingen im Zeitalter des Klimawandels ein Topprodukt her: Die Produktion von Stahl aus Schrott stösst nur ein Fünftel so viel Kohlendioxid aus wie jene von neuem Stahl im Hochofen. Daher solidarisiert sich auch Klimastreik Schweiz mit den Arbeiter:innen in Gerlafingen und verlangt langfristig die «Vergesellschaftung» des Werks. Dieses sei ein wichtiges Puzzle für den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft. Sollte es schliessen, müsste die Schweiz ihren Schrott exportieren – und Stahl importieren.
Der Bundesrat jedoch wehrt sich gegen eine Subventionierung. Dabei könnte eine solche Unterstützung auch positiv als Industriepolitik bezeichnet werden – so wie es Staaten wie die USA längst tun. In eine ähnliche Richtung denken inzwischen auch Schweizer Politiker:innen von links bis rechts. Der Stände- wie auch der Nationalrat haben entsprechende Motionen überwiesen.