Pop: Absolut drüber

Nr. 44 –

Albumcover «Absolute Elsewhere»
Blood Incantation: «Absolute Elsewhere». Century Media. 2024.

Vier Minuten sind vergangen, ein höllisches Knurren und eine Druckwelle aus dem Schlagzeug sind verflogen, da hebt ein epischer Synthesizer ab und geht über in ein Gitarrensolo, das von David Gilmour sein könnte, und wir wissen: Das geht länger. Sie holen weit aus, ziehen durch manche abgewandte Sphäre der siebziger Jahre, durch Psychedelic und Progressive Rock, New Age sogar. Doch bei alldem bleiben Blood Incantation aus Denver, Colorado, fest verwurzelt im traditionell auf die Zerstückelung des menschlichen Körpers fixierten und darum vielleicht irdischsten Genre überhaupt: dem Death Metal.

Um eine Idee von der Verschrobenheit dieser Platte zu geben: Ihr Titel ist eine Hommage an eine gleichnamige Progressive-Rock-Band, die Mitte jener Siebziger eine einzige Platte veröffentlichte, die auf den Büchern des Schweizer Alienfantastikers Erich von Däniken aufbaute. Neben anderen Kifferideen ist der Einfluss von Ausserirdischen auf die menschliche Frühgeschichte auch für Blood Incantation ein wichtiges Thema: «Hidden History of the Human Race» hiess ihr umwerfendes Album von 2019.

Es war eines der herausragenden Alben im Death Metal der jüngeren Geschichte. Spielerisch und strukturell komplex war die Musik schon da (ein Song schaffte es auf achtzehn Minuten), aber sie blieb doch in der stilistischen Spur. Dann ging die Reise los, zuerst mit einem Ambientalbum (in manchen Ecken des Metal hat das fast schon Tradition), einer angedeuteten stilistischen Synthese auf einer sehr langen Single – und jetzt also «Absolute Elsewhere», übersetzt ungefähr: absolut drüber.

Als Versuchsanordnung könnte dieses Album gut in ungeniessbarer Gitarrenlehrermusik (wie bei Dream Theater) enden, aber wenn Blood Incantation sich mit endlosem Spielwitz und schwindelerregendem Gefühl für Dramaturgie und Timing durch diese Welten spielen, sich ihre Songs immer wieder in durchschlagenden Riffs bündeln (Anfang von «The Message [Tablet III]»!), ist das schlicht arschcool.