Kampf gegen Wohnkrise: «Es gibt immer mehr Schrottverträge»

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In Barcelona mehren sich die Auseinandersetzungen zwischen Mieter:innenorganisationen und Immobiliengesellschaften. Erstmals kommt es zu Mietstreiks.

Das Recht auf Wohnraum bleibt heiss umkämpft. War es vor einem Jahrzehnt die Bewegung gegen Zwangsräumungen PAH (Plattform der Hypothekenbetroffenen), die zum Vorbild sozialer Kämpfe in ganz Europa wurde, wird Barcelona jetzt zusehends zum Schauplatz von Mietkämpfen. Mitte November folgten 170 000 Menschen dem Aufruf von 4000 Vereinen und Kollektiven und demonstrierten gegen das horrende Mietpreiswachstum in der katalanischen Millionenstadt. Wie berechtigt ihre Klage ist, belegen Zahlen der für Wohnungsfragen zuständigen Behörde für Boden- und Grundstücksangelegenheiten Incasol (Institut Català del Sòl): Ihr zufolge liegt die Durchschnittsmiete in Barcelona bei knapp 1200 Euro pro Person – während der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn gerade einmal 1135 Euro beträgt.

Doch auch die Immobilienfonds machen mobil. In der Wirtschaftszeitung «Cinco Días» wurde vor wenigen Tagen vermeldet, die Konzerne Blackstone, Vivenio und Cerberus würden Mietwohnungen in Barcelona verkaufen, weil sich ihrer Meinung nach die Vermietung von Wohnraum nicht mehr lohne. Im Frühjahr 2024 hatte die katalanische Regierung 140 Gemeinden zu «Zonen mit angespanntem Wohnungsmarkt» erklärt. Ein entsprechendes Gesetz der nationalen Regierung der Sozialdemokrat:innen (PSOE) ermöglicht es den Autonomiegemeinschaften seit vergangenem Jahr, die Mieten unter bestimmten Bedingungen zu deckeln.

Immer mehr Kurzzeitverträge

Katalonien, das zu diesem Zeitpunkt von der gemässigten Unabhängigkeitspartei Republikanische Linke (ERC) regiert wurde, war die einzige Region Spaniens, die diese Möglichkeit in Anspruch nahm. Im Rahmen der Regulation dürfen Mieten einen in einem Index festgelegten Wert nicht mehr überschreiten; Betroffene können innerhalb bestehender Verträge eine entsprechende Mietpreissenkung erwirken.

Die Immobilienbranche hatte den Mietendeckel, den verschiedene linke Koalitionspartner des PSOE eingefordert und durchgesetzt hatten, schon vor seiner Verabschiedung scharf kritisiert. Einer der grossen Fonds liess in der Wirtschaftszeitung «Cinco Días» verlauten, es gebe «eine allgemeine Tendenz, die Investitionen in Katalonien zu verringern und in Regionen zu verlagern, in denen am freien Markt festgehalten wird». Die Vermietung von Wohnungen mit drei bis vier Prozent Rendite sei «finanziell nicht mehr tragbar» für die Fonds, heisst es weiter. Beim Verkauf von Wohnungen seien aufgrund des Wohnraummangels deutlich höhere Gewinne zu erzielen.

Darüber, wie sich der Mietmarkt in Barcelona aktuell entwickelt, kursieren allerdings recht unterschiedliche Zahlen. Einem Bericht der Immobilienplattform «Idealista» zufolge hat die Regulation des Wohnungsmarkts zu einem Einbruch der Angebote und zu einer Mietpreissteigerung um 13,9 Prozent bei Neuvermietungen geführt. Gleichzeitig verweisen die – zuverlässigeren – Zahlen von Incasol auf positive Effekte des Mietendeckels. Laut der Behörde sind die Mieten in Barcelona seit Ende 2023 um insgesamt 3,2 Prozent gefallen.

Die 2017 neu gegründete Mieter:innenvereinigung Sindicat de Llogateres, die eine zentrale Rolle bei der Grossdemonstration im November spielte, macht deutlich, wie sich die unterschiedlichen Zahlen erklären lassen. Für die Organisation besteht das Problem der Mietenregulation darin, dass die sozialdemokratische Zentralregierung in Madrid von vornherein ein Schlupfloch offen gelassen hat: Darum bemüht, die Immobilieneigentümer:innen in den eigenen Reihen nicht zu verprellen, zog Ministerpräsident Pedro Sánchez der Gesetzesinitiative die Zähne. So können heute nur langfristige Mietverträge gedeckelt werden, nicht aber sogenannte «alquileres de temporada», also Verträge von unter einem Jahr Laufzeit. In der Folge hat sich das Angebot langfristig vermieteter Wohnungen in Barcelona offenbar spürbar verringert – laut der Immobilienbranche um 45 Prozent.

Steuern auf Mieter:innen abgewälzt

«Schon vor der Verabschiedung des Gesetzes haben wir den PSOE auf das Problem hingewiesen, dass die Kurzzeitverträge nicht erfasst werden», heisst es beim Sindicat de Llogateres. Und dessen Sprecherin Carme Arcarazo illustriert: «Es gibt immer mehr Schrottverträge, bei denen man alle elf Monate oder sogar noch schneller rausgeworfen und die Miete danach verdoppelt wird.»

Für die Mieter:innenvereinigung ist klar, dass sich die Lage nur verbessert, wenn die Zahl der lokalen Kämpfe zunimmt. Vor diesem Hintergrund hat sich die Organisation nach der Grossdemonstration von November nun die Mobilisierung zu Mietstreiks vorgenommen. Im Dezember sind erstmals mehrere Dutzend Mieter:innen eines öffentlich subventionierten Wohnblocks in Barcelona in den Zahlungsstreik getreten, nachdem die Verwalterin – die Grossbank La Caixa – die Grundsteuer unrechtmässig auf die Mieter:innen abgewälzt hatte. Zehn Millionen Euro soll die Caixa-Bank auf diese Weise zusätzlich verdient haben. Noch wurde das Geld nicht zurückerstattet. Doch die Zeiten, in denen Immobilieneigentümer:innen mit illegalen Tricks unbemerkt Extragewinne erzielen konnten, scheinen in Barcelona vorbei.