Mieter:innenkämpfe in Grossbritannien: Deckel drauf
Exorbitante Kosten, schlechte Qualität, wenig Rechte: Mieten in London ist ein Albtraum. Doch immer mehr Leute wehren sich. Unterwegs mit Wohnungsanwalt Nick Bano, der einen Preisdeckel fordert, und Basisaktivist:in Zad El Bacha.

Die Royal Courts of Justice, im Zentrum Londons gelegen, sind imposant. Man betritt das Gerichtsgebäude durch einen hoch geschwungenen Torbogen, steht dann klein und unbedeutend in einer riesigen Halle, die anmutet wie eine gotische Kathedrale. Der Weg zum Court Room 1 führt über italienischen Marmor, vorbei an Ölgemälden von sauertöpfischen Rechtsgelehrten aus früheren Jahrhunderten. Drinnen im Gerichtssaal sitzen zwei Anwälte auf engen Holzbänken, ihre schwarzen Roben und die gelblich-weissen Pferdehaarperücken passen zur altehrwürdigen Szenerie.
Aber als der klagende Barrister das Wort ergreift, wird es schlagartig profaner. Mit nüchternen Worten beschreibt Rechtsanwalt Nick Bano die Wohnverhältnisse seiner Klient:innen. Darunter ist eine Mutter, die mit ihrem Sohn mit Behinderung fast zwei Jahre lang in einer so kleinen Wohnung lebte, dass sie auf dem Küchenboden schlafen musste. Eine andere Familie hauste in einer baufälligen, von Mäusen und Silberfischen heimgesuchten Unterkunft. Die Gemeindebehörde von Lambeth, einem Stadtbezirk im Süden Londons, hat nach langen Verzögerungen eine taugliche Behausung bereitgestellt – aber jahrelang habe sie wiederholt ihre Pflicht verletzt, diese Not leidenden Menschen angemessen unterzubringen, sagt Bano.
Der Richter nickt immer wieder. Es folgt eine ausgedehnte Rüge der Bezirksverwaltung, diese sei «schwerer Versäumnisse» schuldig. Aber der Richter räumt auch ein, dass die Behörde vor Problemen stehe, gegen die sie wenig ausrichten könne. Schwammig spricht er vom «aktuellen Klima im Wohnsektor».
Teuerste Innenstadt Europas
Um dieses Klima etwas konkreter zu beschreiben, fängt man am besten mit Zahlen an. Seit 2010 sind die Mietpreise in London inflationsbereinigt um ein Drittel gestiegen. In Inner London, grob gesagt den Stadtbezirken im Umkreis von acht bis fünfzehn Kilometern vom Trafalgar Square, beträgt die Miete einer durchschnittlichen Zweizimmerwohnung 1780 Pfund pro Monat, also etwa 2000 Franken. Das macht 28,30 Pfund pro Quadratmeter – laut einer Studie des Wirtschaftsprüfers Deloitte ist Mieten nirgendwo sonst in Europa so teuer. Dazu kommt, dass das Einkommensniveau in England sehr bescheiden ist: Wer in Inner London wohnt, muss fast 56 Prozent des lokalen Durchschnittslohns für die Miete zahlen; in Westminster, wo die Royal Courts of Justice liegen, sind es satte 75 Prozent.
Die Mietreformen der achtziger Jahre
1980 verfügte die Tory-Premierministerin Margaret Thatcher das «Right to Buy». Unter diesem Gesetz können Mieter:innen von Sozialwohnungen diese mit einem ansehnlichen Rabatt kaufen.
Das Programm war beliebt: In den vergangenen vierzig Jahren wurden mehr als zwei Millionen Immobilien vom staatlichen in den privaten Sektor überführt. Der Bau von neuen Sozialwohnungen brach gleichzeitig empfindlich ein.
1988 schafften die Tories die Mietkontrollen ab; zudem führten sie kurzfristige Mietverhältnisse ein, die in den neunziger Jahren zum Standard wurden. Ein Vertrag ist in der Regel auf ein halbes oder ein Jahr beschränkt.
Das «Right to Buy»-Gesetz enthält auch die sogenannte Section 21, gemäss der Landlords ihren Mieter:innen jederzeit mit einer Frist von zwei Monaten kündigen können, ohne einen Grund angeben zu müssen – die Section 21 wird nun abgeschafft (vgl. Haupttext).
Das ist für viele der rund drei Millionen Mieter:innen in London unerschwinglich. Sie verlieren ihre Wohnungen und müssen von der Gemeinde in temporären Behausungen untergebracht werden; die klammen Gemeindebehörden müssen dafür selbst Privatwohnungen mieten. Die Zahl der Londoner Haushalte, die in solcher «temporary accommodation» leben, lag zuletzt bei 57 000 – über fünfzig Prozent mehr als 2010. Auch die Obdachlosigkeit ist angestiegen, ebenso die Zahl der Menschen, die sich in die Wartelisten für Sozialwohnungen eingeschrieben haben.
Was bedeuten solche Statistiken für den Alltag der Mieter:innen? It’s not pretty. Wenn eine bezahlbare Wohnung auf den Markt kommt, ist der Ansturm oft so gross, dass Bieter:innenschlachten ausbrechen – wer kann, rundet die geforderte Monatsmiete um ein paar Hundert Pfund auf, um sich ein Dach über dem Kopf zu sichern. In vielen Fällen muss die Miete mehrere Monate im Voraus bezahlt werden. Es gibt Landlords, die von den Mieter:innen in spe einen Lebenslauf oder Fotos verlangen. Den verzweifelten Londoner:innen bleibt nichts anderes übrig, als solchen absurden Forderungen nachzukommen.
Der Stress hört auch nicht auf, wenn man einen Mietvertrag unterschrieben hat. Die Qualität der englischen Wohnungen ist notorisch minderwertig. Im Vergleich mit ähnlichen Ländern in Europa sind sie kleiner, älter und schlechter isoliert; ein Drittel aller britischen Haushalte kämpft regelmässig gegen Schimmel. Aber wer will sich schon beschweren? Die Miete ist schnell erhöht, um Nörgler:innen zu bestrafen – und wenn sie es sich nicht mehr leisten können, dann findet sich schnell Ersatz. London ist ein Paradies für Landlords – wie sie generell genannt werden, obwohl es auch Landladys gibt.
Zu wenig Neubauten?
Anwalt Nick Bano mag Landlords nicht. Im Gerichtssaal sind sie seine Gegner:innen: Er legt sich bevorzugt für Menschen ins Zeug, die mit ihren Vermieter:innen in Konflikt geraten sind. Für Leute, denen rechtswidrig gekündigt wurde, die in gesundheitsschädlichen Bruchbuden leben oder Opfer von Diskriminierung geworden sind. Bano ist ein Meister seines Fachs. An vielen wegweisenden Fällen rund um das englische Mietrecht in den vergangenen Jahren war er federführend beteiligt.
Dabei hat er – meist – keine persönliche Abneigung gegen seine Kontrahent:innen. Seine Aversion entspringt einer emotionslosen Analyse des britischen Immobiliensektors. Er hat sie kürzlich in einem Buch ausformuliert: «Against Landlords. How to Solve the Housing Crisis» (Gegen die Vermieter. Wie man die Wohnungskrise löst).

Der landesweite Wohnungsnotstand, der in London seine groteskesten Blüten treibt, wird oft als eine Krise des mangelnden Wohnungsbaus erklärt: Die Bevölkerung wächst und wächst, aber es werde nicht genügend neuer Wohnraum geschaffen, um damit Schritt zu halten. In den 25 Jahren nach 1996 ist London um 29 Prozent auf mehr als 8,8 Millionen Menschen gewachsen – der Wohnungsbestand hingegen hat nur um 23 Prozent zugenommen. Das, so die Theorie, treibe die Preise in die Höhe.
Aber die Theorie greife zu kurz, sagt Bano. Der 36-Jährige sitzt an einem wackligen Holztisch in den Peckham Levels, einem trendigen Kulturzentrum in Südlondon. Ausserhalb des Gerichts trägt er eine Jeansjacke. «Der Wohnungsmangel ist nicht so akut, dass er die katastrophale Lage, in der wir uns befinden, erklären könnte», sagt er. Ausschlaggebend sei etwas anderes: Es gibt nichts, was den Anstieg der Mieten bremsen könnte. «Es ist eine grundlegende ökonomische Tatsache, dass Mieten steigen, wenn man sie steigen lässt», sagt Bano. «Darum versucht man in den meisten Ländern, der fortlaufenden Progression der Mieten einen Riegel vorzuschieben, etwa durch eine Preisbremse. Das war lange Zeit auch in Grossbritannien der Fall.»
1915 fror die Regierung die Mietpreise auf dem Niveau des Vorjahres ein, nach dem Krieg führte sie eine Mietzinskontrolle ein. Mit einer kurzen Unterbrechung blieben die Kontrollen bis in die achtziger Jahre bestehen. Es waren schwere Zeiten für die Landlords: Die staatliche Intervention machte das Geschäft des Vermietens unrentabel, scharenweise verkauften Hausbesitzer:innen ihre Immobilien. Gleichzeitig bauten die Kommunen in der Nachkriegszeit jedes Jahr Hunderttausende Sozialwohnungen, sodass immer mehr Leute im öffentlichen Wohnsektor unterkamen. Im Jahr 1979 wurden nur sieben Prozent des gesamten britischen Wohnungsbestands privat vermietet. Man war sich damals einig: Die Ära der Landlords würde bald vorüber sein.
Es kam anders. In den achtziger Jahren schafften die konservativen Tories die Mietpreisbremse ab, fuhren den Bau von Sozialwohnungen dramatisch herunter und führten kurzfristige Mietverträge ein (vgl. «Die Mietreformen der achtziger Jahre»).
«Vertrag um Vertrag wurden die kontrollierten Mietverhältnisse in den neunziger Jahren durch unkontrollierte ersetzt», sagt Bano. «Ab Ende jenes Jahrzehnts beschleunigte sich der Prozess, und heute sind wir in der Situation, dass es weder rechtliche noch soziale Bremsen gibt, die den Anstieg der Mieten verlangsamen könnten. Ein Preis, vor dem man noch vor drei, vier Jahren zurückgeschreckt wäre, ist heute normal. Es gibt einen einzigen Grund dafür: Die Vermieter verlangen einfach mehr und mehr.» Solange sie dies tun dürften, könne auch der Bau von neuem Wohnraum kaum Abhilfe schaffen.

Mit fünfzig noch bei den Eltern
Zum Beispiel Wembley Park. Rund um das Fussballstadion im Nordwesten Londons wurden in den vergangenen fünfzehn Jahren mehr als zwei Dutzend wuchtige Wohnblocks gebaut – es ist eines der grössten Aufwertungsprojekte im Land. Die meisten der fast 6000 Mietwohnungen sind bereits fertiggestellt, die verantwortliche Baufirma spricht von «einem der aufregendsten neuen Quartiere in London».
Na ja. An einem sonnigen Freitag ist die breite Fussgängerzone, die von der Bahnstation zum Stadion führt, zwar nicht komplett ausgestorben. Leute sind auf dem Weg ins Outletcenter, Tourist:innen machen Selfies vor dem Stadion. Es gibt eine Bäckerei und einige Hotels. Aber wie viele Neubauprojekte in London mutet das Quartier eher steril an.
Für die etwa hundert Leute, die an diesem Nachmittag durch die Strassen ziehen, wiegt jedoch etwas anderes schwerer. Sie tragen ein zwanzig Meter langes Spruchband vor sich her, auf dem steht: «Public Housing Not Private Profit» – öffentliche Behausung statt Privatprofit. Vor einem 21-stöckigen Block versammeln sie sich, einer der Protestierenden ruft ins Megafon: «Der Vermieter sagt, ein Drittel der fast 400 Wohnungen in diesem Wohnblock seien erschwinglich.» – «Bullshit!», ruft einer in der Menge. Der Redner nickt. «Wisst ihr, wie viel eine Dreizimmerwohnung hier kostet?», fragt er. «Achtzig Prozent der marktüblichen Miete! Und die liegt hier bei fast 3000 Pfund pro Monat. Ist das erschwinglich?» – «Nein!», antworten die Protestierenden.

Sie alle sind Mieter:innen, die meisten wohnen hier im Bezirk Brent, in dem Wembley Park liegt. Die durchschnittliche Miete in Brent ist im vergangenen Jahr um zwanzig Prozent gestiegen. Trotz Tausender Quadratmeter neuem Wohnraum ist kein Unterschied spürbar. Solange es keine Sozialwohnungen mit erschwinglicher Miete sind, sondern Immobilien für den Privatmarkt, wird der Wohnungsbau die Krise nicht beenden können.
Ein etwa fünfzigjähriger Demonstrant erzählt, er wohne noch immer bei seinen Eltern, weil er sich keine eigene Wohnung leisten könne. Eine resolute vierzigjährige Uber-Fahrerin sagt, ihre Kinder litten an Depressionen, weil sie in ihrer Dreizimmerwohnung viel zu wenig Platz hätten. Aber die Protestierenden sehen sich nicht gern als Opfer. Stattdessen sind sie aktiv geworden: Sie haben sich der London Renters Union (LRU) angeschlossen, einer Kampagne und Gewerkschaft für Mieter:innen, die den heutigen Protest organisiert hat. Vor rund sechs Jahren gegründet, zählt die LRU heute etwa 7000 Mitglieder. Und sie hat bereits einige Erfolge vorzuweisen.
Manor Park liegt mehr als zwanzig Kilometer östlich von Wembley. Das Quartier ist deutlich lebhafter. Hier dominieren keine Neubauten, sondern die traditionellen backsteinroten Reihenhäuschen. Die Hauptstrasse ist ein Mix aus Werkstätten, Imbissbuden und Gemüseläden. Neben dem pakistanischen Süssigkeitengeschäft türmen sich die Pneus eines Reifenhändlers, das italienische Café liegt zwischen Autoverleih und Secondhand-Möbelladen. Aber die Probleme sind genau die gleichen wie in Wembley.
Aufregende Arbeit
Mit Verspätung kommt Zad El Bacha ins Café. «Es gab einen Notfall», erklärt El Bacha: Eine Mieterin habe sich gemeldet, weil sie Opfer häuslicher Gewalt geworden sei; El Bacha wollte sie nicht allein lassen. So was komme immer wieder mal vor, sagt El Bacha – aber weit häufiger sind Probleme mit der Miete: «Mindestens einmal am Tag, oft häufiger, ruft jemand an und sagt: ‹Mein Vermieter hat die Miete erhöht, ich kann es mir nicht leisten und werde rausgeschmissen.›»
Die 28-jährige nonbinäre Person ist Organiser:in der LRU in den östlichen Bezirken Waltham Forest und Newham. Ursprünglich aus dem Libanon, wuchs El Bacha in Italien auf und zog vor sechs Jahren in die britische Hauptstadt. Die Qualität und der Preis der Häuser hinterliessen Schock und Ernüchterung. «Ich hatte einige beschissene Erfahrungen mit dem Mieten», sagt El Bacha. «Das hat mir sehr zugesetzt und mein Leben geprägt. Als ich von der London Renters Union hörte, dachte ich: Vielleicht kann ich tatsächlich etwas dagegen tun.»
Wer eine Gewerkschaft für Mieter:innen aufbauen will, steht vor einem offensichtlichen Problem: Die Mitglieder haben weder einen gemeinsamen Boss, noch arbeiten sie in derselben Branche. Sie sind Einzelkämpfer:innen ohne Druckmittel. Wer streikt, etwa indem sie die Miete nicht bezahlt, macht sich strafbar und landet in null Komma nichts auf der Strasse. Die LRU setzt darum auf etwas anderes: kollektive Solidarität. Die Mieter:innengewerkschaft bringe Leute zusammen und schaffe Räume, wo sie sich austauschen, beraten und gegenseitig unterstützen könnten, erklärt Zad El Bacha.
LRU-Genoss:innen gehen regelmässig auf «Türklopftour», besuchen Schulen und Kitas oder klappern die Läden in einer bestimmten Strasse ab, um mit Leuten über ihre Mietprobleme zu sprechen und sie zu Quartiertreffs oder Kaffeekränzchen einzuladen. «Dort stellen wir Essen und Kinderfürsorge bereit, dann reden wir über Politik, über unsere Wohnprobleme und darüber, was wir tun können und wie wir uns solidarisieren. So knüpfen wir Beziehungen in der Community.»
Es sei eine aufregende Arbeit, sagt El Bacha. «Es kommen Menschen aus ganz verschiedenen Welten und Schichten zusammen – sie sprechen verschiedene Sprachen und haben unterschiedliche politische Haltungen. Ein schwuler junger Engländer sitzt zwischen einem siebzigjährigen Bengalen und einer Frau, die gerade aus Ghana eingereist ist. So schaffen wir eine neue Community.»
Und wenn sich die Community zusammengefunden hat, macht sie sich an die Arbeit. In einer ihrer ersten Aktionen organisierte die LRU einen Protest vor dem Büro eines Maklers, der einer Mieterin die Kaution nicht zurückzahlen wollte. «Es dauerte nicht lange, da rückte der Makler mit dem Geld heraus», sagt El Bacha. In einem anderen Fall zwang die LRU einen Vermieter, dringend nötige Reparaturen in einem Wohnblock vorzunehmen. Oft leistet die Gewerkschaft auch physischen Widerstand gegen illegale Zwangsräumungen, etwa wenn ein Vermieter ohne gerichtlichen Prozess kündigt. «Wir stellen uns einfach vor die Wohnungstür und blockieren den Zwangsvollstreckern den Weg», erzählt El Bacha. «Einmal waren wir nur fünfzehn Leute, die die Tür versperrten. Als der Makler kam, hatte er solche Angst, dass er der Mieterin sofort einen neuen Vertrag mit tieferer Miete bot.»
Das Problem ist jedoch, dass viele Räumungsbescheide und Mieterhöhungen aus rechtlicher Sicht völlig einwandfrei sind. Ohne eine grundlegende Reform des Mietrechts kann die LRU mit direkten Aktionen zwar einzelnen Haushalten helfen. Aber für einen grundlegenden Wandel ist es unerlässlich, dass die Rechte der Mieter:innen gestärkt werden. In den vergangenen Jahren engagierte sich die LRU für die Abschaffung der Section 21 (vgl. «Die Mietreformen der achtziger Jahre»). Zusammen mit anderen Mieter:innenverbänden und Wohnkampagnen übte die LRU über Demonstrationen, Petitionen und Lobbying einzelner Politiker:innen Druck auf Westminster aus. Mit Erfolg: Die Labour-Regierung von Keir Starmer hat im September eine Reform des Mietrechts vorgelegt, die unter anderem die Section 21 tilgen wird.
«Es ist ein guter erster Schritt, aber er reicht nicht», sagt El Bacha. «Wenn die Miete jedes Jahr steigt, ist das einfach eine andere Form der Zwangsräumung. Darum setzen wir uns jetzt vor allem für einen Mietpreisdeckel ein.» Das Anliegen ist populär. Umfragen zeigen, dass mehr als zwei Drittel der Londoner:innen für eine Mietpreisbremse sind – und im Rest des Landes ist die Unterstützung ebenso gross. Auch der Labour-Oberbürgermeister der Stadt, Sadiq Khan, fordert seit vielen Jahren eine Mietpreiskontrolle. Khans Verfügungsgewalt ist allerdings begrenzt: Er braucht die Zustimmung von Westminster – aber die Labour-Regierung sperrt sich gegen einen Mietendeckel.
Schottland machts vor
Dabei würden nicht nur Millionen Mieter:innen von einem Deckel profitieren, sondern auch der Fiskus: Wegen der galoppierenden Mietpreise haben immer mehr Bürger:innen Anspruch auf staatliche Wohnbeihilfen. Gab der Staat Mitte der siebziger Jahre noch eine Milliarde Pfund pro Jahr (in heutigen Preisen) für diese Hilfsleistungen aus, sind es heute rund dreissig Milliarden Pfund. Es sind nichts anderes als staatliche Subventionen für die Landlords. Um die wachsende Zahl von wohnungslosen Londoner:innen unterzubringen, müssen auch die Lokalgemeinden Unsummen für Mietwohnungen ausgeben. Laut ihrem Dachverband London Councils machen sie jeden Monat neunzig Millionen Pfund für temporäre Behausungen locker – das ist einer der wichtigsten Gründe für ihre finanzielle Schieflage.
Es gebe keine Alternative, als die Mietpreise einer staatlichen Kontrolle zu unterwerfen, sagt Nick Bano. Und er ist sich sicher, dass sie bald Realität werden könnte. Schottland ist einen Schritt voraus: Die dortige Regierung hat kürzlich ein neues Mietgesetz vorgelegt, das unter anderem eine Preiskontrolle vorsieht. «Es ist erstaunlich, wie schnell sich die öffentliche Debatte ändern kann. 2017 redete niemand von einer Mietrechtsreform. Innerhalb von nur zwei Jahren gab es einen breiten politischen Konsens, dass etwas unternommen werden muss.» Mit der Einführung der Mietpreiskontrolle Anfang des 20. Jahrhunderts war es ähnlich: «Wenige Jahre nachdem die Regierung auf Druck von Gewerkschaften und Wohnkampagnen den landesweiten Mietendeckel eingeführt hatte, genoss er überwältigende Unterstützung in der Bevölkerung – sogar eine Mehrheit der Landlords war dafür.»